Angriff über Gewässer

Tempo rettet Leben: Grenadiere trainieren Elbe-Übergang

Kaum eine Operationsform birgt für die Truppe so viele Risiken wie der Angriff über Gewässer. Feindliche Artillerie oder Luftangriffe können während des Übersetzens verheerende Verluste verursachen. Deshalb ist Zeit ein Schlüsselelement. Der Übergang muss schnell gelingen und dafür muss die Truppe in allen Belangen gründlich ausgebildet werden.

Ein Soldat sitzt am Rand von einem Schlauchboot und rudert mit voller Kraft

Gewässerübergang – Komplexer Auftrag für die Truppe

Der Angriff über Gewässer ist eine der komplexesten Aufträge für die Kampftruppe. Jede Phase muss hochkonzentriert und zügig absolviert werden, damit keine Stockungen eintreten. Denn Zeitverlust gäbe einem Gegner Gelegenheit, die während des Übersetzens verwundbare Truppe hart zu treffen. Bei der Übung Wettiner Schwert 2024 üben Soldatinnen und Soldaten der Panzergrenadierbrigade 37 „Freistaat Sachsen“ deshalb jeden Schritt dieser anspruchsvollen Form des Gefechts gründlich vor.

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  • Mehrere Soldaten stehen an einem Schlauchboot und bauen dieses auf
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    Panzergrenadiere stürmen ans jenseitige Ufer

    Die Panzergrenadierbrigade 37 „Freistaat Sachsen“ soll während der Übung Wettiner Schwert die Elbe überwinden – und zwar unter gefechtsmäßigen Bedingungen. Dazu stehen verschiedene Übersetzmittel der Pioniertruppe bereit. Aber bevor Spezialfahrzeuge wie eine Faltschwimmbrücke (FSBFaltschwimmbrücke) oder die Schwimmschnellbrücke Amphibie M3 zum Einsatz kommen können, muss das jenseitige Ufer feindfrei sein. Diese großen, ungepanzerten Fahrzeuge wären unter Gefechtsbedingungen sonst perfekte Hochwertziele für gegnerische Artillerie, Drohnen oder Jagdbomber. Konsequenz: Das Gewässer muss zunächst von den Grenadieren aus eigener Kraft überwunden und das jenseitige Ufer freigekämpft werden. Dazu setzen die Soldatinnen und Soldaten gruppenweise mit Schlauchbooten über. Nach und nach wird so ein Brückenkopf gebildet und gehärtet – also immer weiter verstärkt. Erst dann können gepanzerte Fahrzeuge über die Fähren nachgezogen werden. Die Schlauchboote wiegen mit Motor rund 250 Kilogramm, hinzu kommen im Einsatz Waffen und persönliche Ausrüstung. Sie aus dem Verfügungsraum – einem Geländeabschnitt, in dem sich die Truppe gedeckt bereithält – schnell ans Ufer zu bekommen, ist also auch für eine Gruppe Grenadiere allein mit Muskelkraft nicht einfach. Deshalb werden die Boote nach Möglichkeit mit dem Schützenpanzer Marder bis unmittelbar an das zu überwindende Gewässer gebracht. Dort sitzen die Panzergrenadiere dann ab, bemannen die Boote und setzen über. Was in der Theorie einfach klingt, ist real eine Herausforderung – sogar ohne Feindberührung. Daher wird alles gründlich stationsweise vorgeübt. Vom Verlasten der S-Boote über das Zu-Wasser-lassen und Aufsitzen bis zum Übersetzen.

  • Mehrere Soldaten knien auf dem Boden und bauen ein Gestell aus Holzstämmen
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    Bau behelfsmäßiger Schlauchboot-Schleppen

    Der Zusammenbau eines Schlauchboots gehört zu den ersten Aufgaben für die Männer und Frauen der 3. und 4. Kompanie des Panzergrenadierbataillons 371 aus Marienberg. Die Ausbildung an den Booten übernehmen ihre Kameradinnen und Kameraden vom Panzerpionierbataillon 701 aus Gera. Neun Kammern hat so ein S-Boot und die müssen von Hand mit einem Blasebalg befüllt werden. Rund vier Minuten dauert das bei einem eingespielten Team. Ist der hölzerne Boden eingelassen und der Motor fixiert, ist das Schlauchboot einsatzbereit. Um es aber aus dem Verfügungsraum mit dem Schützenpanzer Marder zum Fluss zu bringen, sind weitere Arbeitsschritte zu erlernen. „Manchmal stehen uns für die Verbringung Transportachsen zur Verfügung, die hinter dem Marder geschleppt werden können“, erklärt Stabsunteroffizier David L. von der 3. Kompanie des Panzerpionierbataillons 701. „Wenn nicht, müssen wir eine behelfsmäßige Schleppe bauen. Für den Marder ist das ein sogenannter A-Rahmen.“ Dazu benötigen die Grenadiere drei rund zehn Meter lange Kiefernstämme. Zwei bilden ein langes „V“, während der dritte Stamm zu drei Querstreben zersägt wird. Das Konstrukt wird mit Kabel verdrillt und ergibt dann ein „A“, das am Heck des Marders angeschlagen werden kann. Dort muss ein Holzbalken für den Transport als Widerlager herhalten. Fixiert wird das Ganze mit einem Kuhfuß und das S-Boot kann aufgelegt und befestigt werden. Nach der Fahrt schlagen die Grenadiere den Bolzen heraus und setzen den Schützenpanzer etwas vor. Die Schleppe fällt zu Boden und die Gruppe kann das Boot aufnehmen und zum Ufer tragen. Etwa 15 bis 30 Minuten dauert das Zusammenbauen eines A-Rahmen, schätzt Stabsunteroffizier L. und ergänzt: „Die Konstruktion ist einfach gehalten. Das soll ja ohne viel Ausbildung machbar sein.“

  • Drei Soldaten steigen in einen Schützenpanzer vom Typ Marder. Auf dem Marder liegt ein Schlauchboot.
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    Marder als provisorischer Schlepper

    Alternativ kann das S-Boot auch auf dem Schützenpanzer Marder zum Gewässer verbracht werden. Diese Variante nennen die Pioniere Dachverlastung. „Das geht schneller als der Bau einer Schleppe und ist vielleicht die einzige Option, wenn kein geeignetes Holz zur Verfügung steht“, sagt Hauptfeldwebel Nils E., der Zugführer des Pioniermaschinenzugs der 3. Kompanie des Panzerpionierbataillons 701. Allerdings braucht es für die Vierteltonne des Bootes ordentlich Muskelkraft beim Heben auf den Marder. „Ohne Teamwork ist da nichts zu machen“, sagt der Hauptfeldwebel. Auch eine sachgemäße Sicherung sei wichtig, weil das Boot sonst herabfallen könne. Zudem besteht beim Fahren durchs Gelände immer die Gefahr von Beschädigungen durch Bäume und ähnliche Hindernisse. Also müssen die Fahrer entsprechend gebrieft und sensibilisiert werden. Die geschilderten Transportvarianten funktionierten übrigens nur beim Marder, fügt Hauptfeldwebel E. noch hinzu. Wegen der konstruktionsbedingten Unterschiede beim schwereren und größeren Schützenpanzer Puma müsse für diesen eine H-Schleppe gebaut werden. „Da werden wir die Kameradinnen und Kameraden heranführen, wenn die Umrüstung begonnen hat“, sagt der Hauptfeldwebel. Sowohl das Verlasten der Schlauchboote am Marder als auch das Absitzen in Ufernähe wird bei der Vorbereitung mehrfach drillmäßig geübt. „Wir haben einige Kameradinnen und Kameraden dabei, die erst vor kurzem aus der Grundausbildung gekommen sind“, erläutert der Zugführer. Und die Neuen müssten die Chance bekommen, das Erlernte zu verinnerlichen.

  • Zwei Schlauchboote mit mehreren Soldaten an einer Rampe im Wasser, ein Soldat springt aus dem Boot
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    Drill fürs Übersetzen im Schlauchboot

    Der wichtigste und potenziell gefährlichste Teil der Übung ist für die Panzergrenadiere das Übersetzen mit dem Schlauchboot. Schon ohne Feindeinwirkung birgt die schnelle Fahrt mit dem Schlauchboot gewisse Risiken. Zudem führt die Elbe Hochwasser. Das erschwert das Auf- und Absitzen für die Kampftruppe erheblich, weil die Zugänge zum Fluss zumindest vielerorts verschlammt sind. Eine große Hilfe sind die Kameradinnen und Kameraden des Panzerpionierbataillons 701. Vor dem Anmarsch zum Fluss sitzt je ein Bootsführer mit auf den Schützenpanzer Marder auf. Am Gewässer angelangt geht er mit der Gruppe auf das S-Boot und steuert es über den Strom. Hat er seine Gruppe abgesetzt, ließe er sich im Ernstfall rund einen Kilometer flussabwärts treiben, wo ihn eigene Kräfte wieder aufnehmen würden. Im Übungsbetrieb wird dieser Teil allerdings ausgeklammert – da liegt der Fokus auf möglichst vielen Wiederholungen. Das Auf- und Absitzen im Uferbereich erfordert eine Art Choreografie. Jede Soldatin und jeder Soldat muss genau wissen, wo ihr oder sein Platz im Boot ist. Nach dem Abstoßen muss zumeist gepaddelt werden, bevor die Wassertiefe den Einsatz des Außenborders zulässt. Nasse Füße sind spätestens am jenseitigen Ufer garantiert, wenn die Grenadiere vom Boot aus schnellstmöglich in die Sicherung gehen und den Brückenkopf freikämpfen.

  • Ein Soldat steht an einem Bedienstand auf einem Boot und schaut seitlich in eine Richtung
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    Das Übersetzen der Hauptkräfte

    Erst wenn der Brückenkopf am jenseitigen Ufer gesichert und verstärkt wurde, können gepanzerte Fahrzeuge wie der Schützenpanzer Marder nachgezogen werden. Ein bewährtes Übersetzmittel ist die Schwimmschnellbrücke Amphibie M3, die vom Deutsch/Britischen Pionierbrückenbataillon 130 aus Minden eingesetzt wird. Üblicherweise sprechen die Pioniere von „Amphibien“. Während des Übersetzens der Grenadiere mit den Schlauchbooten hatten die Schützenpanzer mit den Maschinenkanonen ihre abgesessenen Kameradinnen und Kameraden gesichert. Danach werden die Rollen getauscht und die Grenadiere schützen ihre auf dem Wasser verwundbaren Gefechtsfahrzeuge. Die Mindener haben vier Amphibien M3 zu einer Fähre gekoppelt. In der gewählten Konfiguration trägt dieser Verbund rund 63 Tonnen. Das genügt für zwei Schützenpanzer Marder. Aber auch das Auffahren auf die Fähre will geübt sein. Aus Sicherheitsgründen müssen während der Überfahrt alle Luken geöffnet bleiben. Die Kommunikation mit den Brückenpionieren läuft vor allem nonverbal durch Handzeichen. Der Blick der Fahrer über Luke ist auf die Fährenführer gerichtet. Wie üblich muss alles schnell gehen. Für die Grenadiere heißt das: Auf Kommando zügig aus dem Verfügungsraum zu einer der Übersetzstellen verlegen und auf die Fähre fahren. Und auch am jenseitigen Ufer muss die Verweildauer im Uferbereich auf das mögliche Minimum reduziert werden. Im Ernstfall könnte dies sonst zu Verlusten führen.

    von Markus Tiedke

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