Ein Orientierungspunkt – Oberstleutnant Anastasia Biefang

Ein Orientierungspunkt – Oberstleutnant Anastasia Biefang

Ort:
Storkow
Lesedauer:
4 MIN

Oberstleutnant Anastasia Biefang ist die erste Transgender-Kommandeurin in der Bundeswehr. Über zwei Jahre führte sie die Angehörigen des Informationstechnikbataillons 381 in Storkow. In einem Interview spricht Biefang über ihre bisherige Zeit in einer sich wandelnden Bundeswehr.

Ein Porträt von einer Soldatin vor einem Bild

Die erste Transgender-Kommandeurin der Bundeswehr, Oberstleutnant Anastasia Biefang

picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild

Frau Oberstleutnant, im November feiert die Bundeswehr ihr 65-jähriges Bestehen. Welche Bedeutung hat dieses Jubiläum für Sie persönlich?

65 Jahre Bundeswehr stehen für mich für 65 Jahre Eintreten für Freiheit und Demokratie, Innere Führung, Staatsbürger in Uniform, fest verankert in der Gesellschaft. Das ist die Seite der Bundeswehr, die mich mit Stolz erfüllt und mein Dienen als Soldatin und Offizierin definiert. 65 Jahre Bundeswehr stehen für mich aber auch zu einem bedeutenden Teil für mangelnde innere Anstrengung zur eigenen Veränderung der Bundeswehr aus sich heraus. Die für mich prägendsten Beispiele dazu sind die Zulassung von Frauen in allen Bereichen der Streitkräfte erst durch ein Gerichtsurteil. Das andere ist die Abkehr vom Erlass von 1984 zur strukturellen und systematischen Diskriminierung von homosexuellen Soldaten, welche erst durch die politische Entscheidung des damaligen Bundesministers der Verteidigung im Jahr 2000, immer noch entgegen dem Ratschlag der Generalität, erfolgte. Das sind Themen, die wir als Organisation und insbesondere als Führungskräfte beleuchten müssen, wenn wir unsere eigene Bundeswehr immer wieder kritisch und systematisch überprüfen. In beiden Fällen hinkte die Bundeswehr deutlich dem gesellschaftlichen Wandel hinterher.

Als erste Transgender-Kommandeurin sind Sie jetzt schon und werden es sicher bleiben ein wichtiger Eckpunkt in der Geschichte der Bundeswehr. Empfinden Sie das auch so und was hat dies für Auswirkungen auf Ihre Arbeit?

Ich weiß nicht, ob ich ein wichtiger Eckpunkt bin. Vielleicht ein Orientierungspunkt für Sichtbarkeit und Einstehen für sich selbst. Mir fehlte das während meiner Dienstzeit. Gesellschaftliche Realitäten wurden quasi ausgeblendet oder „versteckt“. Ich hoffe, dass meine Sichtbarkeit, das Zu-mir-Stehen, das Out-and-Proud in Uniform als Soldatin anderen den Weg ebnet und vielleicht erleichtert oder gar verkürzt.

Hat Sie diese Rolle und das damit verbundene große mediale Interesse bei Ihrer täglichen Arbeit eher unterstützt oder behindert?

Das mediale Interesse hat meine direkte tägliche Arbeit als Kommandeurin weder unterstützt oder behindert. Hier war es mir wichtig, mit einer klaren „3a“ die Richtung für meine Zeit als Kommandeurin vorzugeben und dieses Ziel gemeinsam mit meinen Soldatinnen und Soldaten zu erreichen. Mein Fokus lag dabei stets auf unserem Auftrag und auf meinen Frauen und Männern. Die mediale Aufmerksamkeit hat mein Wirken über meine tägliche Arbeit in die Gesellschaft allerdings sehr unterstützt und war in meiner Wahrnehmung dafür sehr förderlich. Einerseits wurde hierdurch zu Recht ein Bild von gelebter Vielfalt und Akzeptanz innerhalb der Bundeswehr vermittelt und zugleich auch Wissen zum Thema Transgender. Ich denke, beides hat zu einem Abbau von Vorurteilen geführt – in jede Richtung. Und das zu erreichen, war mir wichtig.

Ein Soldat baut verschiedene IT-Systeme auf

Auf Übungen trainieren die ITInformationstechnik-Spezialisten regelmäßig den Aufbau und Betrieb von ITInformationstechnik-Verbindungen

Bundeswehr/Sebastian Wanninger



Ende Oktober haben Sie die Führung des Informationstechnikbataillons 381 in Storkow übergeben und sind in das Kommando Cyber- und Informationsraum gewechselt. Wenn Sie auf die knapp drei Jahre als Kommandeurin zurückblicken, was behalten Sie in guter und in schlechter Erinnerung?  

Meine Soldatinnen und Soldaten und deren unermüdlicher Leistungswille und deren Leistungsfähigkeit sowie Kreativität und Talent zur Improvisation werde ich stets in guter Erinnerung behalten. Die gemeinsamen Erlebnisse im Tagesdienst des Bataillons und die im Einsatz in Afghanistan. Nach drei Jahren in der Truppe habe ich erlebt, dass unsere Soldaten alles für die Auftragserfüllung geben, auch wenn die Rahmenbedingungen dafür nicht optimal sind. Und natürlich die Kameradschaft, die uns alle verbindet und zusammenschweißt. Nicht unbedingt in schlechter Erinnerung, aber ich werde definitiv nicht die teilweise überbordende Bürokratie und den hohen Anteil an administrativen Aufgaben vermissen, die mich zu oft an meinen Schreibtisch gebunden haben.

Wo sehen Sie künftig Ihre Aufgaben und was wollen Sie noch erreichen?

Mit Blick auf die Bundeswehr möchte ich weiterhin nah im operativen Bereich eingesetzt werden. Führung und Einsatz sind quasi mein Steckenpferd. Daher freue ich mich auch auf meine neue Aufgabe als Referatsleiterin im Kommando CIRCyber- und Informationsraum für den Bereich Einsatz- und Übungsplanung. Und gerne möchte ich mir die Chance wahren, auch in Zukunft wieder eine Truppenführungsverwendung zu bekleiden. Denn dafür bin ich ja schließlich Offizierin geworden.

Im Bereich meines gesellschaftspolitischen Aktivismus werde ich mich konsequent dem Abbau von Diskriminierung und Vorurteilen widmen. Darum ist mir mein Engagement und meine Arbeit als stellvertretende Vorsitzende von QueerBw auch in Zukunft weiterhin sehr wichtig und ich werde mich hier weiter tatkräftig einbringen. Das Ziel ist, grundsätzlich Akzeptanz und Wertschätzung für alle, unbenommen der Herkunft, Religion, sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität, zu erreichen und dieses Verständnis tief im Geist eines jeden Einzelnen zu verankern. Als Selbstverständlichkeit genau so, wie wir für unsere freiheitlich demokratische Grundordnung einstehen.

Anmerkung der Redaktion: Anastasia Biefang hat ihr Bataillon kürzlich an ihren Nachfolger übergeben. Das Interview wurde vor dem Kommandowechsel geführt.

von Sebastian Wanninger  E-Mail schreiben

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