Militärseelsorge in Vilnius

Tag im Zeichen unserer Werte

Tag im Zeichen unserer Werte

Datum:
Ort:
Burg
Lesedauer:
3 MIN

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Rund 150 Soldatinnen und Soldaten der Panzerbrigade 45 „Litauen“ pflegten und dokumentierten im Juni 2025 vier Tage lang Gräber auf dem jüdischen Friedhof in dem kleinen Ort Merkinė im Süden Litauens. Die Panzerbrigade 45 „Litauen“ und die Evangelische Militärseelsorge haben dieses gemeinsame Projekt initiiert und mehr als 800 Grabsteine freigelegt und Inschriften dokumentiert.

  • Ein Grabstein wird von Händen bearbeitet.

    Die Dokumentation der Inschriften ist ein wichtiger Teil der Arbeit.

    Panzerbrigade 45 „Litauen“/Ebel
  • Ein Mensch mit Vollbart rezitiert ein Gedenkgebet.

    Der Kantor der jüdischen Gemeinde Vilnius rezitiert ein Gedenkgebet.

    Panzerbrigade 45 „Litauen“/Ebel
  • Soldaten stehen im Halbkreis und hören einem Redner zu

    Brigadegeneral Christoph Huber und Botschafter Dr. Cornelius Zimmermann sprechen zu den Soldatinnen und Soldaten.

    Panzerbrigade 45 „Litauen“/Ebel
  • Ein Mensch kniet vor einem Grabstein und reinigt ihn.

    Milda Jakulytė-Vasil weist in die Dokumentationsarbeit ein.

    Panzerbrigade 45 „Litauen“/Ebel
  • Ein Mensch zeigt auf einen Grabstein und erläutert die Inschrift.

    Militärpfarrer Eric Haußmann erläutert eine Grabinschrift.

    Panzerbrigade 45 „Litauen“/Ebel
  • Zwei Bürsten in der Hand eines Soldaten

    Werkzeuge für die Reinigung der Grabsteine

    Panzerbrigade 45 „Litauen“/Ebel

Jeder Name ist ein Leben – eine Lebensgeschichte, ein Mensch. Sie wurden geboren, sie haben gelebt, gelacht, geweint. Sie hatten einen Beruf, eine Familie. Sie haben gestritten und sie haben geliebt. Und sie sind gestorben. „Die meisten von ihnen in glücklicheren Zeiten als ihre Nachfahren“, wie Sergey Kanovich, Leiter der litauischen NGONichtregierungsorganisation Maceva – Litvak Cemetery, sagt. Sie liegen begraben – heute inmitten eines Kiefernwaldes. Die Grabsteine sind teilweise oder ganz von der Natur umwachsen; die Reihen nicht mehr ganz so gerade. Seit dem 10. September 1941 besucht die Gräber fast niemand mehr. An diesem Tag wurden 854 Frauen, Männer und Kinder aus Merkinė und einem Nachbarort erschossen und die jüdische Geschichte von Merkinė am Zusammenfluss der Flüsse Nẽmunas und Merkys endete nach vier Jahrhunderten innerhalb von zwei Tagen. Am 22. Juni 1941 waren deutsche Truppen in das durch die Sowjetunion besetzte Litauen einmarschiert und hatten ihren mörderischen Antisemitismus, Rassenhass und Zerstörungswahn im Schlepptau, der zur Auslöschung der jüdischen Bevölkerung in Litauen führte.

Als ich im Februar 2025 zur seelsorglichen Begleitung der Soldatinnen und Soldaten der Panzerbrigade 45 „Litauen“ nach Vilnius kam, wurde in einem ersten Gespräch mit Brigadegeneral Christoph Huber schnell klar, dass Brigadestab und Militärseelsorge sich gemeinsam mit den Themen Holocaust/Shoa in Litauen, Antisemitismus und Menschenwürde auseinandersetzen werden. Ein Soldat sagte mir: „Das, was ich anfasse, das verstehe ich auch.“ Über die deutsche Botschaft in Vilnius entstand der Kontakt zur Historikerin und Direktorin der NGONichtregierungsorganisation Maceva – Litvak Cemetery, Milda Jakulytė-Vasil. Maceva setzt sich in Litauen für die Pflege und Dokumentation der mehr als 200 jüdischen Friedhöfe ein. Damit war unser Vorhaben beschrieben und wir haben die Planungen aufgenommen.

Aufgrund des Aufstellungsappells der Panzerbrigade 45 „Litauen“ im Mai wurde der „Tag im Zeichen unserer Werte“ auf den Juni verlegt und wir haben eine ganze Woche daraus gemacht. Jeden Tag sind wir mit einer Gruppe Soldatinnen und Soldaten eineinhalb Stunden nach Merkinė im Süden Litauens gefahren. Mehrere Stunden haben wir unter Anleitung behutsam Grabsteine freigelegt, gereinigt und die Inschriften dokumentiert. Wir haben die Namen der Menschen in die Gegenwart geholt und ihnen damit ein Gedächtnis gestiftet. Wir haben von der Geschichte des Ortes und seiner Menschen gehört und uns mit der jüdischen Tradition und Kultur sowie unserem eigenen Erbe auseinandergesetzt. Begleitet hat uns an drei Tagen Militärrabbiner Shlomo Afanasjev aus Schwielowsee. Am Ende jeden Tages mit und an den Gräbern sind wir zum Erschießungsort der jüdischen Bevölkerung im Jahr 1941 – den Gruben – unweit des Friedhofs gegangen und haben der Verstorbenen gedacht.

Am letzten Tag unserer Projektwoche haben Brigadegeneral Huber und der deutsche Botschafter in Litauen, Dr. Cornelius Zimmermann, ganztägig mitgearbeitet. Ferner haben uns Repräsentanten der Kommunalgemeinde, der Kantor der jüdischen Gemeinde Vilnius und die Vorsitzende der Jewish Community of Lithuania, Faina Kukliansky, besucht. Sie sagte zu den Soldatinnen und Soldaten: „In Merkinė sind Juden begraben, deren Gräber niemand pflegen kann, weil alle ihre Angehörigen ermordet wurden. Es ist symbolisch, dass sich heute die Soldaten der deutschen Brigade um sie kümmern.“

Sergey Kanovich von unserer Partnerorganisation Maceva gab den Soldatinnen und Soldaten mit auf den Weg: „Ich verstehe vollkommen, wie schwer es für Sie als deutsche Soldaten sein mag, das zu tun, was Sie hier tun. Ich gebe zu, es ist auch nicht leicht für mich. Ich bin Nachfahre von Holocaust-Überlebenden und wenn meine Großmutter ihren Ehemann am Morgen des 23. Juni 1941 nicht überzeugt hätte zu flüchten, würde ich nicht vor Ihnen stehen.“ Er fuhr fort: „Sie sind hier, um unser Menschsein und unsere demokratischen Werte zu schützen und wertzuschätzen. Sie geben nicht nur ein militärisches, sondern auch ein persönliches Beispiel. Darum, so glaube ich, sollten Sie stolz auf Deutschland sein und Deutschland sollte stolz auf Sie sein … Vielen Dank für Ihren Dienst.“

Nach diesen Worten hörte man meist nur noch den Wind in den Kiefern und eine tiefe Stille breitete sich aus am Ende des Tages.

von Eric Haußmann

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