Wenn der Protokolldroide das Vorbild ist

Wenn der Protokolldroide das Vorbild ist

Ort:
Hürth
Lesedauer:
3 MIN


„Als Dolmetscher schafft man eine Atmosphäre, in der sich beide Sprecher wohlfühlen, obwohl sie sich nicht direkt verstehen können“, beschreibt Benjamin Weise seine Faszination am Dolmetschen. Eigentlich ist er Übersetzer für Französisch, jetzt hat er zudem damit begonnen, sich zum Gesprächsdolmetscher ausbilden zu lassen. Sein Faible für Sprache entdeckte Weise in der Schule: „Sprachen waren im Vergleich zu Mathe praktisch, da man sie direkt anwenden konnte“, so der 29-Jährige. „Deshalb habe ich mich auch früh getraut, im Unterricht Englisch zu sprechen.“

Der Übersetzer Benjamin Weise steht neben einem Wandbild der Star-Wars-Figur C3PO.

Protokolldroide C-3PO ist Benjamin Weises Vorbild.

Victoria Gramatke

Die Eigenschaft des Redenwollens prädestiniert den gebürtigen Berliner gewissermaßen dazu, Sprachmittler zu werden – allerdings widmete er sich in seinem Studium primär dem Übersetzen, belegte aber auch Dolmetsch-Module und konnte so einen ersten Eindruck von der Arbeit eines Dolmetschers gewinnen. Nach seinem Abschluss konzentrierte er sich erst einmal ausschließlich aufs Übersetzen, weil ihm das akribische Arbeiten am Text und der bis ins kleinste Detail ausgefeilte Ausdruck gefallen.

Per Seminar zum Gesprächsdolmetscher

Da für Weise zu Sprache nicht nur der schriftliche, sondern auch der gesprochene Teil gehört, wendet sich der gelernte Übersetzer nun auch dem Dolmetschen zu. Dafür besuchte er kürzlich ein vom Dolmetschmanagement des Bundessprachenamtes angebotenes Gesprächsdolmetscherseminar Französisch. „Intensiv am Text zu arbeiten macht Spaß, aber Menschen zuzuhören ist auch schön“, bilanziert er seine Erfahrungen. Trotzdem birgt der Wechsel vom Geschriebenen zum Gesprochenen einige Hindernisse – so habe er als erstes verinnerlichen müssen, dass vor allem der Inhalt und nicht der perfekte Ausdruck im Vordergrund stünde. „Beim Dolmetschen muss man rasche Lösungen finden“, resümiert der frischgebackene Gesprächsdolmetscher, „schließlich erfolgt die mündliche Übersetzung aus dem Stegreif und es bleibt nicht immer die nötige Zeit, sie zu perfektionieren.“

Ein Übersetzer hält einen Dolmetschblock und macht sich Notizen.

Dolmetscher entwickeln eine individuelle Notizentechnik.

Victoria Gramatke

Besonderer Wert wurde im Seminar darauf gelegt, die angehenden Gesprächsdolmetscher, die bis zu zwei Minuten am Stück übersetzen können sollen, auf die Besonderheiten ihrer Aufträge vorzubereiten. Denn nicht immer klappt die Zusammenarbeit mit den Sprechenden reibungslos. „Viele sind es nicht gewohnt, mit Dolmetschern zu arbeiten und räumen deshalb keine Übersetzungspausen ein. Darum lernen wir auch, dass wir uns trauen müssen, den Redner zu unterbrechen“, erklärt Benjamin Weise und scherzt: „Idealer Redner ist, wer einen Gedanken aufnimmt und ihn zügig abschließt. Das ist aber auch ein bisschen langweilig.“ Unter den acht Teilnehmern des Gesprächsdolmetscherseminares waren neben Berufsanfängern auch erfahrene Sprachmittler, die aus ihren bisherigen Einsätzen berichteten. Außerdem hatten die Lehrgangsleiter realistische Szenarien vorbereitet: zum Beispiel regionale Sprechweisen und Hintergrundlärm. Damit wurde Weises Hoffnung auf möglichst einsatzspezifischen Austausch im Seminar absolut erfüllt.

Block als Accessoire, Droide als Vorbild

Ein besonders wichtiges Accessoire erleichtert dem Dolmetscher seine Tätigkeit – der Dolmetschblock. In diesem Block werden die wichtigsten Worte, Zahlen und Fakten notiert. „Jeder Dolmetscher entwickelt als Gedankenstütze für den Inhalt seine eigene Notizentechnik. Manche Kollegen machen sich Mindmaps, andere arbeiten im Kreis oder diagonal.“ Im Seminar wurden unterschiedliche Techniken vorgestellt, Weise kommt mit der diagonalen Technik am besten zurecht, variiert bei Bedarf aber auch.

Die wichtigste Voraussetzung für seine Arbeit ist und bleibt allerdings ein umfangreicher Wortschatz. Um diesen stetig zu erweitern und dem aktuellen Sprachgebrauch anzupassen, liest der Wahlkölner französische Zeitungen und schaut Filme und Serien in der Originalsprache. Eine Filmfigur hat es ihm dabei besonders angetan: Der humanoide Roboter C-3PO aus dem Star-Wars-Universum klebt als lebensgroßer Hingucker an einer seiner Bürowände. „Als Protokolldroide beherrscht er über sechs Millionen Sprachen, man könnte ihn also als Über-Dolmetscher bezeichnen“, lacht Weise. Wenn das mal kein Vorbild für einen jungen Sprachmittler ist!

von Victoria Gramatke