„Das Haus muss komplett umgebaut werden“
„Das Haus muss komplett umgebaut werden“
- Datum:
- Ort:
- Hamburg
- Lesedauer:
- 1 MIN
Die Führungsakademie der Bundeswehr goes digital. Dabei stehen vernetztes und selbstgesteuertes und auch zeit- und ortsunabhängiges Lernen sowie gezielte Lernbegleitung besonders im Vordergrund. Für das Projekt „Digitale Ausbildungsakademie für Lebenslanges Lernen“, das die Lehre und Ausbildung in die Digitalisierung führen soll, nimmt sich die Führungsakademie zwei Jahre Zeit. In diesem Jahr ist Halbzeit. Um in diesem Zeitraum auch die Expertise von außen zu ermöglichen, gibt es jährlich das Innovationslabor „Führen Morgen Heute Lernen“ mit externen Gästen aus Wissenschaft, Wirtschaft und Militär. Am 28. und 29. Oktober findet das zweite Innovationslabor digital statt und präsentiert eine Art Zwischenbilanz. Erste Ergebnisse aus fünf Projektgruppen rund um Fragen der Infrastruktur, Organisation oder der ITInformationstechnik werden vorgestellt und gemeinsam mit externen Experten diskutiert. Prof. Dr. Jürgen Abendschein, Präsident für Bildung der renommierten Steinbeis-Hochschule, begleitet das Projekt beratend von der ersten Minute an. Als Reserveoffizier im Rang eines Fregattenkapitäns war er bereits in einer mehrwöchigen Reservedienstleistung an der Führungsakademie und kennt das Projekt gut. Auch am 2. Innovationslabor wird Abendschein als Experte teilnehmen. Die Redaktion der Führungsakademie sprach mit ihm über die Herausforderungen der Digitalisierung für Lehre und Ausbildung.
Was sind die Herausforderungen für Lehre und Ausbildung im digitalen Zeitalter?
Die meistens Menschen denken bei Digitalisierung der Lehre und Ausbildung in erster Linie an Technik und die Verlagerung von Seminaren und Vorlesungen in den digitalen Raum. Aber da hängt noch viel mehr dran. Es geht nicht nur um rein technische Innovationen bei Lehr- und Lernformaten. Es geht auch um didaktische, den Lehrplan betreffende und organisatorisch-strukturelle Neuerungen. Man braucht beispielsweise entsprechende digitale Lernplattformen und –räume. Man muss aber auch die Lerninhalte entsprechend aufbereiten. Durch die Digitalisierung weiter Teile der Hochschulwelt werden die Hochschulangehörigen – sprich die Dozenten und Lehrenden – mit veränderten Rollen- und Anforderungsprofilen konfrontiert.
Wie sich Lehrveranstaltungen konkret verändern, hängt dabei stark vom Fach und vom Dozenten ab. Ich gebe Ihnen mal ein Beispiel: Bislang wird Wissen in Präsenzveranstaltungen vermittelt – das kennen viele von uns noch aus der Zeit an der Universität; die klassischen Vorlesungen beispielsweise. Der Stoff muss dann von den Studierenden nachgearbeitet werden. Die Digitalisierung erlaubt hier eine Umkehr: Studierende informieren sich vorher über den Stoff und klären schließlich im Rahmen der Lehrveranstaltung offene Fragen. Das erfordert von der Seite der Studierenden eine Menge selbstverantwortetes Lernen. Die Studierenden können dadurch aber auch individueller lernen. Mit digitalen Lehr- und Lernangebote bestimmen sie selbst die Geschwindigkeit, mit der sie lernen wollen und legen auch selbst fest, welche Lernmedien und Plattformen sie wann nutzen wollen.
Hier genau liegen die Herausforderungen für die Bildungseinrichtungen: der strategische Veränderungsprozess zur Schaffung der hierfür erforderlichen organisatorisch-strukturellen Voraussetzungen. Um eine Hochschule in die Digitalisierung zu führen, brauchen Sie eine Menge Veränderung nicht zuletzt auch im Mind-Set der Lehrenden, sprich der Professoren und Lehrbeauftragten. Studierende haben andere Anforderungen an die Didaktik und die Lehrenden müssen – ebenso wie die Studierenden – gewillt sein, in diesen „neuen“, digitalen Lernraum einzutreten.
Herr Prof. Abendschein, Sie führen mit Ihren Kollegen die Steinbeis-Hochschule gegenwärtig in die Digitalisierung. Aus Ihrer Erfahrung gesprochen: Was ist das Besondere am Projekt „Digitale Ausbildungsakademie“ an der Führungsakademie?
Für uns an der Steinbeis-Hochschule ist das so: Wenn wir im internationalen Wettbewerb als private Hochschule bestehen wollen, müssen wir auf geänderte Anforderungen und Erwartungen unserer Kunden unmittelbar reagieren. Besser wäre noch, wir wären einen Schritt voraus. Das bedeutet für uns: Wir müssen uns verändern und anpassen, um im internationalen Wettbewerb zu bestehen. Das bedeutet aber auch, dass die Professoren und Lehrbeauftragten bereit sein müssen, mitzuziehen und hinsichtlich ihrer jeweiligen Rollen- und Anforderungsprofile mit den Erfordernissen mitzugehen.
Die Führungsakademie der Bundeswehr kennt – als klassische Militärakademie – weder den Wettbewerb, noch die „Marktmacht“ ihrer „Kunden“. Vor diesem Hintergrund bewerte ich die mit der Weiterentwicklung der Führungsakademie zu einer „Digitalen Ausbildungsakademie“ einhergehenden Veränderungen als besondere Herausforderung. Gerade hier gilt es das Mind-Set der Lehrenden, sprich der Dozenten, zu verändern. Die Digitalisierung von Lehre und Ausbildung wird ganz neue Anforderungen an das Lehrpersonal und die Didaktik stellen. Viele Dozenten sind hier Offiziere mit einem großen Schatz an Erfahrung und Expertise. Dennoch werden sie sich auch und gerade in der Didaktik auf ganz neue Wege einlassen müssen. Um es mal salopp auszudrücken: Das Haus muss komplett umgebaut werden! Auf diese Reise alle mitzunehmen, mit all den Unsicherheiten, das ist schon nicht einfach.