Heer
Realistische Bilder und Praxisnähe

ALÜAusbildungslehrübung 2021: Ausbildung mitten im Gefecht

ALÜAusbildungslehrübung 2021: Ausbildung mitten im Gefecht

Datum:
Ort:
Bergen
Lesedauer:
6 MIN

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Herbstzeit bedeutet auf den niedersächsischen Truppenübungsplätzen Munster und Bergen jedes Jahr aufs Neue Lehrübungszeit. Seit diesem Jahr erhalten angehende Offiziere und Stabsoffiziere bei der neuen Ausbildungslehrübung (ALÜAusbildungslehrübung) realistische Einblicke ins Gefecht – mitten im Geschehen und nicht mehr nur als Zuschauer.

Ein Panzer steht auf dem Übungsplatz in Stellung, während in der Luft ein Kampfhubschrauber vorbeifliegt.

Bei der Ausbildungslehrübung zeigt die Truppe, wie sie den Gegner mit Kampfhubschraubern Tiger und Schützenpanzern Puma gemeinsam zerschlägt

Bundeswehr/Andreas Dressler

Offiziere müssen unter extremer Belastung im Gefecht zu jeder Zeit den Durchblick behalten. Um im Gefecht führen zu können, muss jeder und jede von ihnen verstanden haben, wie Landoperationen wirklich funktionieren. Doch gerade, wenn es um das Verständnis von Landoperationen und ihre Komplexität geht, reichen Vorträge und Lehrgespräche längst nicht aus, um die Führungskräfte auf den Ernstfall vorzubereiten. Einerseits braucht es eine gewisse Vorstellungskraft, ein Selbst-gesehen-haben, um im Gefecht die richtigen Entschlüsse herzuleiten. Genau hier setzt die komplett überarbeitete Lehrübung ALÜAusbildungslehrübung an. Sie soll die Vorstellungskraft noch besser anregen und zusätzlich auch ein gewisses Selbsterleben ermöglichen.

Wie kann es mit der ALÜAusbildungslehrübung gelingen, die Lehrgangsteilnehmerinnen und -teilnehmer möglichst nah an das taktische Geschehen heranzubringen und konkret zur Ausbildung angehenden Führungspersonals verschiedener Ebenen beizutragen?

Erst Teilnehmer, dann plötzlich Kommandeur

Ein Soldat steht gegenüber einer Gruppe Soldaten auf einer Schotterfläche auf einem Übungsplatz.

Modern ausbilden, bedeutet international ausbilden: Der Inspekteur des Heeres, Generalleutnant Alfons Mais (r.), fasst die wesentlichen Aspekte des Gegenangriffs vor den internationalen Teilnehmenden der Führungsakademie zusammen.

Bundeswehr/Michel Baldus

Der Schlüssel zum Erfolg heißt Praxisnähe. Versetzt in die Rolle des Kommandeurs erleben die Teilnehmenden, beispielsweise von der Hamburger Führungsakademie der Bundeswehr (FüAkBw), die Entwicklung einer taktischen Lage, angefangen vom Erreichen des Einsatzlandes bis hin zum Nehmen des Angriffsziels beim Gegenangriff im Verzögerungsgefecht. ALÜAusbildungslehrübung heißt ab jetzt: mitmachen und an vier Tagen immer wieder auch aktiv in die Ausbildung eingebunden werden.

Bereits an Tag 1 erlebt das angehende Führungspersonal an der ersten Station im nordrhein-westfälischen Minden, was Logistik im Einsatz bedeutet. Die Streitkräftebasis (SKBStreitkräftebasis) etwa ist einer der sechs militärischen Organisationsbereiche der Bundeswehr. Sie ist Servicedienstleister und unterstützt die anderen Bereiche wie Heer, Luftwaffe und Marine bei ihren Aufgaben. Die SKBStreitkräftebasis führt nach dem Erreichen eines befreundeten Nachbarstaates oder des Einsatzlandes das Personal und Material erst einmal zusammen, bevor die Truppe vor Ort ihren eigentlichen Auftrag ausführen kann. Spätestens jetzt ist jeder Teilnehmende gedanklich im Einsatz. Als Starthilfe bekommt jeder vor dieser Station jedoch genügend Zeit, sich in das Szenar einzulesen.

Dann werden die Zuschauer das erste Mal selbst gefordert. Prompt schlüpfen sie in die Rolle eines Bataillonskommandeurs einer Brigade. Sie treten an die Lagekarte, ausgebreitet auf einem Tisch. Der Brigadekommandeur trägt in seiner Befehlsausgabe seine Absicht für die Operation Schritt für Schritt vor und erteilt die einzelnen Kampfaufträge. Gelingt es jedem, seine eigene Rolle im Brigadegefecht zu erfassen?

Eine Kriegsbrücke wird errichtet

Ein Soldat steht gegenüber einer Gruppe Soldaten auf einer Schotterfläche auf einem Übungsplatz.

Alle arbeiten Hand in Hand. Pioniere des Panzerpionierbataillons 130 legen mit der Schwimmschnellbrücke Amphibie M3 einen Gewässerübergang an.

Bundeswehr/Thomas Rotter

Über Land, über Wasser und durch die Luft gelangt eine Kampftruppenbrigade der Bundeswehr an ihren Einsatzort. Welcher Genauigkeit der Planung es bedarf, damit eine ganze Brigade mit hunderten Fahrzeugen schnellstmöglich ein fließendes Gewässer queren kann, demonstrieren die Pioniere des Panzerpionierbataillons 130 aus Minden eindrucksvoll am zweiten Ausbildungstag, diesmal an der Weser. Mit geübter Hand gelingt ihnen der Brückenschlag über das Gewässer. Eingebunden in die Planung, erleben die Teilnehmenden den Marsch der Truppe und letztlich auch das Überwinden des Gewässers mit einer provisorischen Brücke an Ort und Stelle.

So funktioniert das System Brigade

Viele Soldaten stehen zwischen militärischem Gerät, ausgestellt in einer Kaserne.

Nach seiner Ausmusterung im Jahr 2011 leistet das Minenverlegesystem 85 seit 2017 wieder zuverlässig seinen Dienst in der Pioniertruppe

Bundeswehr/Thomas Rotter

Für die Teilnehmenden von der FüAkBw beginnt mit dem dritten Tag der Höhepunkt der ALÜAusbildungslehrübung 2021, jetzt nicht mehr an der Weser, sondern auf dem Truppenübungsplatz im niedersächsischen Bergen. Hier erleben sie, wie eine Brigade des Heeres funktioniert. Wie wird eine Kampftruppenbrigade versorgt? Wer leistet die fachkundige, sanitätsdienstliche Versorgung im Gelände oder wie funktioniert moderne Gefechtsaufklärung – die Verbände der Panzerlehrbrigade 9 aus Munster demonstrieren den Teilnehmern mit vollem Elan ihr Können. Dabei müssen sich die Zuschauer immer wieder in die Lage, in das Szenar der ALÜAusbildungslehrübung hineinversetzen.

Dann, plötzlich, kommt es zu einer Lageentwicklung nach einem sogenannten Lagediktat. Anhand klar formulierter Prüffragen und Bewertungskriterien müssen die Teilnehmenden selbst nun zwischen zwei Möglichkeiten des Handelns abwägen. Die Stabsabteilungsleiter der Panzerlehrbrigade 9 beraten ihre „Kommandeure in spe“ und verdeutlichten so ihre jeweilige Rolle im System Brigade. In einem sogenannten Lagediktat wird den Lehrgangsteilnehmern der Handlungsbedarf der Brigade aufgezeigt, der sich in einer taktischen Lage ergibt. Im Führungsgespräch mit den Leitern der Generalstabsabteilungen 2 und 3 werden durch den Brigadekommandeur Prüffragen formuliert, die nun gemeinsam mit den Zellen und Zentralen des vorgeschobenen Gefechtsstandes untersucht wurden.

Wie muss der Brigadekommandeur jetzt handeln?

Zwei Panzer stehen auf einer Betonstraße im Gelände neben einem grünen Container.

Wenn es schnell gehen muss: Fast wie in einem Drive-In-Restaurant erfolgt der Betrieb der Versorgungsstraße. Ranfahren, Munition erhalten, Betriebsstoff ergänzen und weiter geht es erneut ins Gefecht.

Bundeswehr/Andreas Dressler

Was ist taktisch jetzt erforderlich? Diese Frage ist Gegenstand der Teilstation „Aufklärung“. Beeindruckend zu sehen ist hier auch das enge Zusammenwirken des Aufklärungsbataillons der Brigade mit dem Zentralen Militärischen Nachrichtenwesen, einem militärischen Informationsnetzwerk. Aus der Kooperation ergeben sich schließlich wichtige Informationen für den Kommandeur im Einsatz.

Und was ist logistisch möglich? Damit befasst sich die Teilstation „Versorgung“ der Brigadelogistiker vom Versorgungsbataillon 141 aus Neustadt am Rübenberge. Hier lernen die Teilnehmer, wie die Logistik die Operationsführung sogar weit vorn im Kampfgebiet unterstützen kann. Die Untersuchung im vorgeschobenen Gefechtsstand, einem Zelt mit Gefechtsfahrzeugen, und die Erkenntnisse der Teilstationen „Versorgung“ und „Aufklärung“ führen zum Entschlussvorschlag der Lehrgangsteilnehmenden an den Brigadekommandeur: „Gegenangriff in die Tiefe“.

Mit voller Wucht

Ein Kampfhubschrauber fliegt schnell über ein braunes Panzerwrack auf einem bewaldeten Übungsplatz.

An der Station „Gegenangriff“ sind die Teilnehmer der ALÜAusbildungslehrübung 2021 so nah dran am Gefecht wie selten. Schützenpanzer Puma, Kampfpanzer Leopard 2 und Kampfhubschrauber Tiger kommen hier auf Tuchfühlung heran.

Bundeswehr/Andreas Dressler

Jetzt wird es ernst. Hautnah erleben die frischen Kommandeure den Gegenangriff in seiner vollen Wucht und Dynamik. Das Gefecht findet nicht etwa exemplarisch am Bildschirm statt, sondern wird mit echter Übungstruppe „Rot“ und „Blau“ an verschiedenen Besprechungspunkten ins Gelände gebracht. Beeindruckend ist es, wie Kampfpanzer Leopard 2 und Schützenpanzer Puma sich mit voller Kraft mit den Kampfhubschraubern Tiger regelrecht ins Gefecht werfen. Jetzt stehen die Zuschauer mit dem Doppelfernglas in der Hand auf dem Kuhlenberg bei Bergen. Hier erleben sie aus weniger als 50 Metern Entfernung das Gefecht. Diese Bilder und Eindrücke bleiben in Erinnerung – das ist sicher.

Der Befehl lautet: „Gegenstoß!“

Ein Panzer steht im Übungsgelände und schießt. Eine Feuerkugel entsteht an der Kanonenmündung.

Ein Kampfpanzer Leopard 2 feuert mit voller Kraft in die Flanke des Gegners

Bundeswehr/Andreas Dressler

Die Rauchwolken des Artilleriebeschusses sind noch nicht verzogen, als bereits die Kampfpanzer Leopard 2 aus der Flanke mit ihren 120-Millimeter-Kanonen das Feuer eröffnen. Sie müssen jetzt schnell sein und den vor der Minensperre liegengebliebenen und gestauten Gegner zerschlagen. Auch die Schützenpanzer Puma greifen in das Gefecht ein. Sie sind kurz zuvor ausgewichen und haben nun eine günstige Hinterhangstellung mit besserem Schutz vor Feindfeuer bezogen. Gleichzeitig bekämpfen die Kampfhubschrauber Tiger aus der Luft die gegnerische Panzerabwehrreserve, die etwas weiter entfernt lauert. Auf einmal wird die günstige Gelegenheit erkannt: Mit ruhiger Stimme ertönt der Gefechtsbefehl über Funk: „Gegenstoß!“, lautet der Befehl. Kurze Zeit später ist der Feind zerschlagen.

Der Boden zittert

Mehrere Schützenpanzer Puma fahren mit einer gelben Markierung am Kanonenturm über den braunen sandigen Übungsplatz.

Die Aufnahme der eigenen Truppe ist einer der kniffeligsten Aufgaben im Gefecht. Ohne präzise Absprachen und eindeutige Erkennungszeichen besteht die Gefahr des „Friendly Fire“, das Feuer auf eigene Kräfte.

Bundeswehr/Michel Baldus

Einem ähnlichen Ansatz, wie zuvor bei der Ausbildung der angehenden Generalstabs- und Admiralstabsoffiziere der FüAkBw gezeigt, folgt eine Woche später die Ausbildungslehrübung für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Offizierschule des Heeres (OSHOffizierschule des Heeres) in Dresden. Gedanklich in der Rolle eines Bataillonskommandeurs können auch sie sich einen Eindruck von der Leistungsfähigkeit der Hauptwaffensysteme der Landstreitkräfte sowie der Rolle eines Kampftruppenbataillons, mit leicht angepasstem Fokus, verschaffen.

„Darauf können wir stolz sein“

Das Fazit aller Lehrgangsteilnehmer fällt ausgesprochen positiv aus: „Jetzt wissen wir, was wir planen und führen können müssen“, so der Tenor der Teilnehmer. Jetzt kann die Ausbildung im Hörsaal starten.

Und auch Brigadegeneral Christian Freuding, Kommandeur der Panzerlehrbrigade 9, dessen Soldaten die Ausbildungslehrübung 2021 neu konzipierten und in kaum mehr als vier Wochen „ins Gelände brachten“ resümiert: „Eine Klasse Leistung der Soldatinnen und Soldaten aller Verbände und Einheiten – tolle Ausbildung. Das war gut, darauf können wir stolz sein.“

von Andreas Dressler

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