Pilot meldet: Feindliches Flugzeug in Sicht!
Pilot meldet: Feindliches Flugzeug in Sicht!
- Datum:
- Ort:
- Fritzlar
- Lesedauer:
- 4 MIN
Sturzflugartige Manöver, harte Kurven, Fliegen im bodennahen Gelände und im binationalen Verbund. Drei Wochen haben Militärpiloten aus Deutschland und den Niederlanden taktisches Fliegen geübt.
Für die Besatzungen, die an der Übung teilnehmen, zähle eines ganz besonders: „Der Wille, Neues zu lernen, schnell zu antizipieren und die Fähigkeit zu haben, dieses Wissen als Ausbilder weitergeben zu können“, so Oberstleutnant Ralf Richter*, Staffelkapitän und Pilot eines Mehrzweckhubschraubers NHNATO-Helicopter-90.
06.45 Uhr: Die Besatzungen eines Hubschrauberverbundes von sieben deutsch-niederländischen Hubschraubern finden sich zur Befehlsausgabe ein. Die heutige Mission: Truppentransport von A nach B, Angriffe durch feindliche Truppen am Boden sowie in der Luft sind zu erwarten. Major K., Schwarmführer der niederländischen Luftwaffe und Pilot eines Transporthubschraubers Chinook, ist der Formationsführer des heutigen Fluges und für die Koordination und den Erfolg der Mission verantwortlich. Er weist die Besatzungen an und macht Vorgaben für alle Eventualitäten. Flugrouten, Frequenzen, Wetter, Aufgabenverteilung und Handlungsanweisungen für den Fall von Feindkontakt sind nur ein Teil der Befehlsausgabe.
Start in Fritzlar
09.00 Uhr: Die Rotoren drehen und ein Kommunikationscheck erfolgt. Die Formation mit sieben Hubschraubern ist zum Abflug bereit. Synchron startet die Formation und verlässt den Bereich Fritzlar in Richtung Süden. Es dauert nicht lange, da meldet ein Pilot: „Feindliches Flugzeug in Sicht!“ Zwei Schulflugzeuge Pilatus PC9 aus Kiel und Augsburg sind in der Luft und haben den Auftrag, die Hubschrauber zu bekämpfen. Für die Hubschrauber heißt es nun: verteidigen und wehren. Mit sogenannten Evasive Manoeuvres (Ausweichmanövern) spaltet sich die Hubschrauberformation, taucht in die bewaldete Hinderniskulisse ab und versucht den „feindlichen“ Flugzeugen zu entwischen. Mit ebenfalls spektakulären Flugmanövern versuchen die PC9-Flugzeuge, die Hubschrauber nicht aus den Augen zu verlieren und simuliert zu bekämpfen.
In niedriger Flughöhe
In niedriger Flughöhe darf kein Mast, keine Stromleitung und kein Turm übersehen werden. Eingespielte Kommunikation innerhalb der Hubschrauberbesatzungen ist hier unabdingbar, um eine permanente Sichtverbindung zu den Flugzeugen zu gewährleisten. Nach etwa einer Stunde verlassen die „feindlichen“ Flugzeuge das Gebiet und die Hubschrauberformation setzt den Flug fort. Nach wenigen Minuten ertönt im Cockpit der Hubschrauber erneut ein Warnsignal. Dieses Mal handelt es sich um ein Luftabwehrsystem am Boden. Mit einstudierten Flugmanövern versuchen die Hubschrauber, der Bedrohung zu entkommen. Auch hier bleibt es nicht bei einem einzelnen Anlauf.
11.30 Uhr: Die Hubschrauberformation landet in Fritzlar. Die Besatzungen treffen sich zur Nachbesprechung. Major K. ist zufrieden. Die Anstrengung ist jedem Einzelnen anzusehen. Einstudierte Verfahren im multinationalen Verbund konnten erfolgreich trainiert werden.
2023 Teil der Schnellen Eingreiftruppe
Für die Piloten, die während der dreiwöchigen Übung in Fritzlar fliegen, ist es jedoch nur ein kleiner Abschnitt eines insgesamt viermonatigen Trainings. Der Helicopter Weapons Instructor Course (HWIC) befähigt die Besatzungen, auf NATO-Standard taktische Fliegerei zu erlernen. Die Besatzungen sollen zukünftig als Waffen-Lehrberechtigte taktisches Fliegen ausbilden. Insgesamt nehmen elf deutsche Soldaten an dem Training teil. Für Oberstleutnant Richter ist ein solches Training dringend erforderlich, um die fliegertaktischen Fähigkeiten der Heeresfliegertruppe zu verbessern und damit den Erwartungen bei künftigen Einsätzen gerecht zu werden. Ab 2023 sind die Heeresflieger Teil der Very High Readiness Joint Task Force (VJTFVery High Readiness Joint Task Force ), der Schnellen Eingreiftruppe der NATO. „Gerade in Vorbereitung auf die VJTFVery High Readiness Joint Task Force können wir hier unsere Fähigkeiten als Träger der Luftbeweglichkeit verbessern“, sagt Richter.
Niederländer sind dankbar
Die Heeresflieger würden fliegerische Operationen mit Transport- und Kampfhubschraubern im multinationalen Verbund erwarten, geführt durch die Division Schnelle Kräfte. „Dabei werden uns nicht nur taktische Fähigkeiten abverlangt, sondern vor allem das Beherrschen von NATO-Standards, um in diesen Operationen bestehen zu können“, so Richter. Von dem Engagement und der Motivation bei diesem sehr lernintensiven, anstrengenden Training ist der Oberstleutnant begeistert und stolz zugleich. Nach Abschluss des Trainings würden die Besatzungen die Fliegerei mit anderen Augen sehen und diese Bilder in die Truppe transportieren.
Fliegermajor Lucky* der niederländischen Luftwaffe ist Leiter des HWIC Trainings. Er ist dankbar für die Unterstützung der Bundeswehr, die Bereitstellung von PC9-Flugzeugen und Eurofightern, die in Fritzlar die bei der Ausbildung der Hubschrauberbesatzungen helfen, aber auch für die gute Organisation des Flugbetriebes und der bereitgestellten Infrastruktur. Die Synchronisierung fliegerischer Verfahren sei der Schlüssel zum Erfolg, um zukünftig erfolgreiche militärische Operationen führen zu können, sagt er.
Training mit Waffeneinsatz folgt
Oberst Sönke Schmuck, Kommandeur des Kampfhubschrauberregiments 36 in Fritzlar, bezeichnet das Training als eine echte Hochwertausbildung. „Schnelle Reaktionen, klare Entscheidungen binnen Sekunden und hohe Konzentration – das und noch viel mehr muss ein Weapon Instructor, also ein Waffenlehrer, mitbringen. Diese simulierten Missionen bedeuten Adrenalin pur.“
Neben den Kämpfen gegen bodengestützte Luftabwehrsysteme sowie gegen Kampfjets und Flugzeuge in Fritzlar folgen für die Hubschrauberbesatzungen in den kommenden Monaten weitere fliegerische Übungen. In der sogenannten Strike week geht es um den Waffeneinsatz der verschiedenen Hubschraubertypen. Das taktische Landen, also das Absetzen von Infanteriekräften unter Schutz von Kampfhubschraubern, steht auf dem Programm. Im letzten fliegerischen Übungsabschnitt wird die Zusammenarbeit mit deutschen und niederländischen Spezialkräften geübt.
*Namen von der Redaktion geändert