Precise Response 2022

Organisation rund um Übungen: „Planung kommt von Ahnung“

Flüge buchen, alle Unterlagen zusammentragen, Autos mieten, Unterkünfte organisieren – das sind nur ein paar der Punkte, die Stabsfeldwebel Ingo P. schon lange vor Beginn von Precise Response abarbeiten muss. Als Organisator ist er der Mann hinter den Kulissen, der den Soldatinnen und Soldaten einen möglichst angenehmen Aufenthalt beschert.

Ein Soldat trägt mehrere Verpflegungsboxen. Im Hintergrund sind weitere Soldaten zu sehen.

Von Lunch-Box bis Waschmittel

Um 05:30 Uhr morgens ist für Ingo P. * die Nacht vorbei. „Spätestens. Oder es klingelt schon vorher jemand an der Tür.“ Mülltüten, Waschmittel und mehr verwaltet P. Die Nachfrage danach ist groß. Immerhin sind die Frauen und Männer knapp fünf Wochen in der Ortschaft Medicine Hat im kanadischen Bundesstaat Alberta.

Während die meisten noch schlafen und sich für die anstrengenden Übungstage bei mehr als 30 Grad im Schatten noch in den Betten ausruhen, checkt P. noch einmal die Liste für den Tag: Versorgen der Corona-Infizierten, Lunch-Boxen an die deutschen Kräfte verteilen, Bestellungen für die kommenden Tage für das Essen durchgeben, Autos checken und noch vieles mehr.

Zudem muss er Kontakt halten zum Logistikkommando in Deutschland – nicht einfach bei acht Stunden Zeitverschiebung. Doch auch dabei ist P. ist ruhig und konzentriert, während er seine Liste begutachtet und vor allem verinnerlicht. Sein ständiger Begleiter: sein gelber Hefter, in dem fein säuberlich alle Papiere sortiert sind. Immer den Überblick behalten ist das A und O. „Planung kommt von Ahnung“, lautet sein Leitspruch.

Als S3-Feldwebel plant er die Aus- und Weiterbildung des ABCAtomar, Biologisch, Chemisch-Abwehrbataillons 7 in Höxter, dem er seit 2003 angehört. Für die Übung Precise Response ist es aber noch einmal anders, besonders. Sonst würde eine ganze Abteilung daran arbeiten. P. macht es in diesem Fall aber allein. Ein herausfordernder Job, der ihn schon Monate im Voraus beschäftigt – nahezu rund um die Uhr.

Planung ein Jahr im Voraus

Die meiste Zeit steckt in der Vorbereitung.“ Los geht es schon ein Jahr vor dem Übungsbeginn mit den Anforderungen für die ITInformationstechnik-Ausstattung. Alles Material muss schon weit im Voraus gebucht werden. Konkret um das Personal geht es dann bei einer Besprechung mit mehr als einem halben Jahr Vorlauf, bei der Vertreterinnen und Vertreter aller beteiligten NATONorth Atlantic Treaty Organization-Länder dabei sind und sich darüber austauschen, wer welche Kräfte schickt. Nicht jedes Land verfügt über die gleichen Mittel, Geräte oder Fachkräfte. Die Armeen unterstützen sich deshalb gegenseitig und ergänzen sich während des Trainings in Kanada. 

Die Bundeswehr ist in diesem Jahr mit mehr als 30 Frauen und Männern vertreten. Die meisten kommen aus Höxter, dem Heimatstandort von P. „Höxter ist der Leitverband.“ Einige andere Soldatinnen und Soldaten kommen aus Strausberg, Sonthofen oder Stetten am Kalten Markt. Und dann geht es auch schon um die Unterkünfte, Flüge, Mobilität vor Ort, Essen und alles Weitere, was dazugehört. Auch ein Wochenende zur politischen Bildung. Die Rolle Kanadas im Kalten Krieg lautete das Thema in diesem Jahr, verbunden mit einem Besuch im Militärhistorischen Museum in Calgary.

Auch hierfür müssen alle Modalitäten vorab geklärt sein: Wie kommt die Gruppe dorthin und wieder weg? Sind ausreichend Kapazitäten vor Ort für so eine große Gruppe da? Was kann den Soldatinnen und Soldaten noch geboten werden? „Es muss alles so geregelt sein, dass die Kameradinnen und Kameraden nur ankommen müssen und loslegen können“, betont P.

Ein Soldat im Porträt

Organisationstalent: Stabsfeldwebel Ingo P. kümmert sich darum, dass die Soldatinnen und Soldaten ungestört üben können

Bundeswehr/AminaVieth

„Den Rücken freihalten“

Damit alles reibungslos funktioniert, muss der Stabsfeldwebel schon im Frühjahr reihenweise Anforderungen für das Material vor Ort stellen: Stühle, Tische, Kabel, Stromanschlüsse, ein Zelt, in dem gearbeitet werden kann, ein Kühlschrank. Aber auch Stifte, Leinwand für den Beamer, White Boards für die jeweilige Lage und noch vieles mehr müssen beschafft werden.

Und nicht immer läuft alles glatt. „Dann muss das vor Ort geklärt werden.“ Während die ABCAtomar, Biologisch, Chemisch-Abwehrkräfte in den Schutzanzügen schwitzen und den scharfen Kampfstoffen ausgesetzt sind, rotiert P. hinter den Kulissen. „Ich halte ihnen möglichst den Rücken frei, damit sie sich auf die Übung konzentrieren können.“ 

Deswegen reiste er auch schon eine knappe Woche vor den anderen in Kanada an. „Die Unterkünfte begutachten, schauen, ob alles da ist und was gegebenenfalls noch gemacht werden muss.“ Das nennt sich das Vorkommando. Ebenso ist er derjenige, der erst als Letztes nach der Übung abreist von den deutschen Kräften. „Die Unterkünfte übergeben, die letzten Mietwagen abgeben und kontrollieren, ob keiner etwas vergessen hat.“ Knapp fünf Wochen ist P. somit unterwegs.

„Vom Vorgänger lernen“

Während der Übung geht seine Arbeit natürlich weiter. Auch wenn der Großteil bereits geschafft sei. Einmal täglich gibt es eine Besprechung mit all den Organisatoren der anderen Nationen, die für ihre Armee den Job wie P. erfüllen. Dabei wird schon immer auf die kommenden Tage geschaut. „Der aktuelle Tag steht für mich nicht im Fokus. Ich muss schon immer weiter vorausplanen.“ Seine Devise: Auf alles vorbereitet sein. „Man weiß nie, was kommt.“ So wie die Corona-Infektionen.

Schon zu Beginn der Übung hatten sich einige Soldaten infiziert, zwei bis drei Personen auf einmal. War der eine negativ, folgte kurz darauf ein weiterer Infizierter. Bis zum Rückflug sind zum Glück alle genesen und können einen negativen Test nachweisen. Sonst hätte sich der Aufenthalt für den Planer noch verlängern können. „Einer müsste dann bleiben, damit sie versorgt sind.“ Aber da das nicht der Fall ist, freut sich P. nach der langen Abwesenheit, bald seine Familie wieder in die Arme schließen zu können. „Nach der langen Zeit und den verpassten Sommerferien in NRWNordrhein-Westfalen bin ich froh, dann wieder zu Hause zu sein.“

Einen Tipp hat er noch für alle, die ähnliche Aufgaben bewältigen müssen: „Unbedingt schon vorher einmal dabei sein. Die Menschen und Gesichter schon mal sehen, vom Vorgänger lernen, sich mit all den Sachen drumherum vertraut machen. Dann weiß man, an wen man sich im Fall der Fälle wenden muss, wo man was bekommt. Und nur so klappt es.“

*Name zum Schutz des Soldaten abgekürzt.

von Amina Vieth