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Der Raum als dritter Pädagoge

Ausbildung
Datum:
Ort:
Osterholz-Scharmbeck
Lesedauer:
3 MIN

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Das Lernhaus auf dem Bildungscampus Osterholz-Scharmbeck gilt als außergewöhnliche Verbindung von Pädagogik und Architektur. Was sich daraus für die Erwachsenenbildung ableiten lässt – dem ist eine Delegation der Führungsakademie der Bundeswehr nachgegangen. Die Ergebnisse fließen unter anderem in das Implementationslabor der Akademie ein.

Der Bildungscampus Osterholz aus der Vogelperspektive. Rechts unten das Allwetterbad, halblinks darüber das Lernhaus.

Der Bildungscampus Osterholz-Scharmbeck: Rechts unten das Allwetterbad, halblinks darüber das Lernhaus mit seinen drei fingerartigen Ausläufern. Ebenfalls zum Campus zählen unter anderem Gymnasium, Stadtbibliothek und Kreismedienzentrum

Stadt Osterholz-Scharmbeck/Miklas Wrieden

Osterholz-Scharmbeck bei Bremen: 30.000 Einwohner, Sitz der Kreisverwaltung Osterholz, bekannt für Torfkähne und das nahe Teufelsmoor. Mit ihrem Campus für lebenslanges Lernen hat die Stadt einen großen Wurf gewagt. Und für 24 Millionen Euro ein Areal entwickelt, das seit seiner Fertigstellung eine Reihe generationsübergreifender Angebote umfasst. Oberschule, Gymnasium, Stadtbibliothek, Volkshochschule, Kreisarchiv und -medienzentrum, Allwetterbad und weitere Einrichtungen stehen für Bildung, Beratung, Begegnung.

„Hier ergeben sich ganz neue Wege, Beziehungen und Kontakte“,

zeigt sich Oberstarzt Dr. Markus Seitz beeindruckt, als Bürgermeister Torsten Rohde und Campusmanagerin Dr. Ulrike Baumheier über das Gelände führen.

„Schule ein Stück weit neu erfunden“

Im Zuge des Aufbaus einer „Digitalen Ausbildungsakademie für lebenslanges Lernen“ an der Führungsakademie leitet Oberstarzt Dr. Seitz die Projektgruppe Infrastruktur – und damit auch die Abordnung, die an diesem Tag von Hamburg angereist ist. Ein deutlich kürzerer Anmarsch liegt hinter Oberst Klaus-Dieter Betz und Oberstleutnant Michael Seyda, beide kommen von der Logistikschule der Bundeswehr im zehn Kilometer entfernten Garlstedt. Allesamt befassen sie sich mit modernem Lehren und Lernen, Wissensmanagement und Digitalisierung. In der Kreisstadt wollen sie „sehen und erleben, wie es andere machen“, erläutert Dr. Seitz. Besonders interessiert ist die Besuchergruppe am Kern des Bildungsquartiers, der Oberschule Lernhaus im Campus. „Hier haben wir Schule ein Stück weit neu erfunden“, sagt Bürgermeister Rohde.

Die Oberschule setzt ihr Konzept der sogenannten Lernlandschaften konsequent um. So verfügen alle Jahrgänge über einen eigenen Trakt, dessen Zentrum ein großer Gemeinschaftsraum mit den persönlichen Arbeitsplätzen der Schülerinnen, Schüler und Lehrkräfte bildet. Ein Besprechungszimmer für die Pädagogen, drei Inputräume für die Stoffvermittlung sowie zwei schalldichte Lernkojen für Kleingruppen schließen sich an. Zum Lernen treffen sich die Fünft- bis Zehntklässler außerdem im offenen Treppenhaus und in den Fluren. Neben der räumlichen Aufteilung hat sich die Rolle der Lehrer gewandelt, hin zu Lernbegleitern oder auch Mentoren. Das Ziel: das selbstständige, eigenverantwortliche und kooperative Arbeiten der 450 Schüler zu fördern.

Verzicht auf Frontalunterricht

Auf vier Ebenen sind Architektur und Pädagogik aufeinander abgestimmt. Um es mit dem italienischen Erziehungswissenschaftler Loris Malaguzzi zu sagen: Der Raum dient als dritter Pädagoge, in Ergänzung von Lehrkräften und Mitschülern. Dr. Seitz lobt „die Multifunktionalität der Räume, ihre Offenheit für verschiedene Nutzungen.“ Dr. Baumheier stellt die „Transparenz, Klarheit und Begegnungsqualität des Schulgebäudes“ heraus. Tatsächlich dominieren Glas und Beton, doch das Lernhaus wirkt nicht kühl, sondern freundlich, farbenfroh und einladend. Gekostet hat der Bau mit seinen 9200 Quadratmetern rund 12,3 Millionen Euro, inklusive Ausstattung 13,4 Millionen Euro. Eine Investition in Gegenwart und Zukunft, der Abschied von Frontalunterricht und Klassenverbänden.

Wie das Zusammenspiel von Pädagogik und Architektur den Lernerfolg beeinflusst? Laut Rohde ist die Zahl der Schulabbrecher zurückgegangen. Für darüber hinausgehende Angaben fehle noch die wissenschaftliche Auswertung, ergänzt Dr. Baumheier. Fest stehe dagegen: Damit eine Umwälzung wie beim Lernhaus gelingt, bedürfe es der Einbindung aller Betroffenen. Dieses Beteiligungsverfahren, den Bauabschnitten vorgeschaltet und daher auch Phase null genannt, habe im Fall der Oberschule vier Jahre gedauert. Ein professionelles Veränderungsmanagement sei dabei unabdingbar. Ein Punkt, den Oberst i.G.im Generalstabsdienst Martin Simberg und Regierungsdirektorin Dorthe Kramer vom Ausbildungsprozessmanagement der Führungsakademie aufmerksam verfolgten.

Tagung im Oktober

Erkenntnisse aus dem Besuch in Osterholz-Scharmbeck fließen nun in die Arbeit von Führungsakademie und Logistikschule ein. In Hamburg erfolgt das zum Beispiel beim Implementationslabor am 19. und 20. Oktober, wenn die „Digitale Ausbildungsakademie für lebenslanges Lernen“ in die Zielgerade einbiegt. Expertinnen und Experten diskutieren dann die Erfahrungen aus zweijähriger Projektarbeit, setzen Innovationen um – und richten den Blick nach vorn. Dort zeichnet sich bereits die Eröffnung des Innovationslabors, kurz iLab, ab.

Mit der Eröffnung des iLabs zum Jahresende verfügt die Führungsakademie über das Muster einer innovativen, hochmodernen Arbeits- und Ausbildungsumgebung. Eigene Planungen zu flexiblen Arbeitsplätzen, mobilen Projektionsflächen und skalierbaren Raumgrößen, Lounge, Besprechungszimmer und Kreativraum finden so ihren Niederschlag. Ab 2022 folgen Erprobung und Evaluation des iLab; die Ergebnisse werden der Weiterentwicklung des „Campus FüAkBw“ dienen. Oberst i.G.im Generalstabsdienst Simberg: „Damit halten wir konsequent den Kurs, auf dem wir schon bei der Digitalisierung unglaublich schnelle Fortschritte erzielt haben.“

Lernkojen

Wie Erker ragen die farblich abgesetzten, schalldichten Lernkojen hervor. Dort können Kleingruppen ungestört arbeiten

Lernlandschaft

Alle Jahrgänge verfügen über einen eigenen Trakt, dessen Zentrum ein großer Gemeinschaftsraum mit den persönlichen Arbeitsplätzen der Schülerinnen, Schüler und Lehrkräfte bildet

Campusmanagerin und Bürgermeister

Bei der Führung über den Bildungscampus Osterholz-Scharmbeck: Campusmanagerin Dr. Ulrike Baumheier und Bürgermeister Torsten Rohde

Lernhaus

Eine Außenansicht des Lernhauses. „Das raumgreifende Gebäude ist in die Topographie des Ortes eingebunden“, heißt es in einer Belobigung des Deutschen Städtebaupreises 2016

von Mario Assmann  E-Mail schreiben

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