Häuserkampf, Gefechtsschießen, Fliegerabwehr
Häuserkampf, Gefechtsschießen, Fliegerabwehr
- Datum:
- Ort:
- Hammelburg
- Lesedauer:
- 6 MIN
Das Unterstützungsbataillon Einsatz 1 der 1. Panzerdivision aus Oldenburg in Niedersachsen bildet Reservistendienstleistende für die Landes- und Bündnisverteidigung aus. Im Oktober 2022 üben 100 Soldaten des Bataillons auf dem Truppenübungsplatz Hammelburg. Auf dem Dienstplan stehen Orts- und Häuserkampf in der Übungsanlage Urbane Operationen Bonnland sowie Gefechts- und Fliegerabwehrschießen.
„Hammer! Hammer! Hammer!“, tönt es durch das Funkgerät. Für Hauptfeldwebel Ralf H., den Führer der Deckungsgruppe, ist der Funkspruch der Befehl zum Losschlagen. Mit seinen zwei Maschinengewehrtrupps hat er eine Stellung in einem Wassergraben am Ortsrand bezogen. Mit kräftiger Stimme gibt er den Befehl: „Feuer!“ Seine Maschinengewehrschützen betätigen die Abzüge ihrer Maschinengewehre MG5, schießen in schneller Folge kurze Feuerstöße. Ihr Auftrag ist es, Feindkräfte in Deckung zu zwingen, damit die Kameraden der Sturmtrupps ihres Zugs in das nächste Gebäude eindringen können.
„Deckungsfeuer steht!“
100 Meter weiter, in einem Hof, ist der Gefechtslärm für Stabsunteroffizier Markus S. das Signal zum Angriff. „Deckungsfeuer steht! Wir greifen an! Marsch! Marsch!“, ruft er den vier Soldaten seines Sturmtrupps und den Angehörigen des Leitertrupps zu. Dann hastet er los. Im Laufschritt biegen die Soldaten um eine Hausecke und sprinten über eine Straße. Ihr Ziel ist ein Gebäude auf der anderen Seite. Im ersten Stock ist ein Fenster offen. Dort befindet sich die Einbruchstelle. „Los, los!“, treibt S. seine Frauen und Männer zur Eile an. Nur Sekunden später steht die Sturmleiter am Fenster und ein Soldat des Sturmtrupps klettert hinauf.
Unter dem Fensterbrett angekommen, wirft er eine Handgranate durch die Öffnung. „Handgranate liegt!“, ruft er seinen Kameraden am Fuß der Leiter zu. Drei Sekunden später detoniert die Granate im Raum hinter dem Fenster. Mit seinem G36 schießt der Soldat noch einen langen Feuerstoß in den Raum. Dann klettert er durch die Fensteröffnung. Dicht auf folgen ihm seine Sturmtruppkameraden. Kurze Zeit später hallt es aus dem Gebäude: „Raum frei! Rechts Tür! Nachziehen!“ Sofort beginnt der mittlerweile eingetroffene zweite Sturmtrupp damit, die Leiter zu erklimmen. Mit dem Befehl „Übungsunterbrechung! Vorm Gebäude sammeln!“, beendet der Leitende der Ausbildung, Hauptmann Nicolai S., den Ausbildungsabschnitt für die Reservistendienstleistenden der 2. Kompanie des Unterstützungsbataillons Einsatz 1.
Im zivilen Leben Hafenarbeiter oder Physiker
Beim in Oldenburg in Niedersachen stationierten Unterstützungsbataillon Einsatz 1 der 1. Panzerdivision handelt es sich um einen Ergänzungstruppenteil des Heeres. Zu seinen Hauptaufträgen gehört es, Reservistendienstleistende für den Einsatz in der Landes- und Bündnisverteidigung auszubilden. Im Ernstfall könnte dies für die Soldaten bedeuten, dass sie den Divisionsgefechtsstand der 1. Panzerdivision sichern. „Meine Frauen und Männer tauschen regelmäßig, vier bis sechs Mal im Jahr, an Ausbildungswochenenden ihre zivile Kleidung gegen die Uniform. Hinzu kommen zwei einwöchige Übungsplatzaufenthalte, einer im Frühjahr und einer im Herbst“, erklärt Oberstleutnant Marco Wolfermann, der Kommandeur des Unterstützungsbataillons Einsatz 1. „Derzeit befindet sich mein Bataillon für eine Woche auf dem Übungsplatz Hammelburg. Hier trainieren wir den Orts- und Häuserkampf sowie die Fliegerabwehr. Weiterhin stehen Schul- und Gefechtsschießen im Gruppen- und Zugrahmen an.“
Bei den Reservistendienstleistenden des Bataillons handelt es sich im Wesentlichen um ehemalige Wehrpflichtige und Zeitsoldaten, die im Zivilleben verschiedenen Berufen nachgehen. Die Bandbreite reicht dabei vom Hafenarbeiter bis zum Architekten, vom Vollzugsbeamten über Physiotherapeuten bis zum Physiker. Auf die Frage, warum sie sich als Reservisten beim Bataillon engagieren, immer wieder physischen Belastungen bei jedem Wetter stellen, antworten viele ähnlich, wie Stabsunteroffizier Markus S.: „Ich möchte für mein Land da sein, es im Notfall verteidigen können und seine Bevölkerung gegen Angriffe von außen schützen.“ Für einige ist der Reservistendienst zusätzlich auch ein Ausgleich zum Büroalltag. Sie reizt es, körperlich bis an ihre Grenzen zu gehen. Für viele steht auch die Kameradschaft im Vordergrund, neue Herausforderungen gemeinsam zu meistern.
Ohrenbetäubender Geschossknall
Neben der Ausbildung im Orts- und Häuserkampf absolvieren die Reservistendienstleistenden auf dem Truppenübungsplatz Hammelburg auch eine Reihe von Gefechtsschießen sowie ein Fliegerabwehrschießen. Thema auf der Schießbahn 6 ist die Gruppe in der Verteidigung. In einer Ruinenlandschaft haben die Soldaten einer Infanteriegruppe gerade ihre Stellungen bezogen. Im Flüsterton geben sie an ihre Nachbarn die Befehle des Gruppenführers, Hauptfeldwebel Marc P. weiter: „Feind in Gruppenstärke in Entfernung 200 Meter, auf Höhenrippe! Fertig machen zum Feuerüberfall, auf Pfiff! Zielverteilung von links nach rechts. MG, Deine Ziele sind die, auf dem Weg am Waldrand!“ Sofort bringen die Soldaten ihre Waffen in den Anschlag, visieren die Klappfallscheiben mit den Zieloptiken an und entsichern. Plötzlich hallt der Pfiff einer Trillerpfeife durch die Stille. Nahezu zeitgleich betätigen die Soldaten die Abzüge ihrer Waffen. Der Geschossknall ist ohrenbetäubend, das Gewehrfeuer wird von den Salven des Maschinengewehrs übertönt. Nicht alle Schüsse brechen wie geplant zeitgleich, doch das Feuer liegt gut. Viele der Scheiben klappen sofort ab: Erstschusstreffer. Mit dem Feuerüberfall wollte der Gruppenführer den Feind überraschen. Das ist gelungen. Jetzt gilt es, die verbleibenden Feindkräfte auch noch zu bekämpfen. Darum befiehlt er: „Auf erkannten Feind Feuer!“ Im weiteren Verlauf des Gefechtsschießens wird er mit seiner Gruppe weitere feindliche Infanterie bekämpfen und seinen Panzervernichtungstrupp einsetzen müssen. Auch muss er immer wieder über Funk Lagemeldungen an den Zugführer abgeben.
Auch kleine Fehler werden angesprochen
Oberstleutnant Ulf G., der S3-Stabsoffizier des Bataillons, beobachtet zusammen mit dem Leitenden das Schießen, macht sich Notizen für die Nachbesprechung. Was macht für ihn den Stellenwert des Gefechtsschießens in der Ausbildung der Reservistendienstleistenden aus? „Gefechtsschießen ist einer der Höhepunkte der infanteristischen Ausbildung. Dabei müssen die Soldaten die in der Gefechtsausbildung und in der Schießausbildung erlernten Fähigkeiten kombinieren, um zu bestehen.“ Dass dies nicht leicht ist, wird bei der folgenden Auswertung klar. Selbst kleine Fehler werden direkt angesprochen. Zum Beispiel hat der Maschinengewehrschütze das Wechselrohr nicht bereitgelegt, was zu Verzögerungen beim Rohrwechsel führte. Auch bei der Weitergabe von Meldungen gab es Probleme, wodurch sich der Einsatz des Panzervernichtungstrupps verzögerte. In den Gesichtern der angetretenen Reservisten ist zu erkennen, dass sie sich über ihre Fehler ärgern, denn sie wissen, dass sie es besser können. Erst als Oberstleutnant G. sein Fazit „Auftrag ausgeführt!“ bekannt gibt, hellen sich die Gesichter wieder auf.
Verteidigung gegen die Bedrohung aus der Luft
Auf dem Gefechtsfeld besteht im Fall der Landes- und Bündnisverteidigung eine ständige Bedrohung durch feindliche Kampfflugzeuge, Hubschrauber und Drohnen. Die Fliegerabwehr gehört daher zu den Fähigkeiten, die jeder Truppenteil beherrschen muss. Während ihrer Zeit in Hammelburg ist das Fliegerabwehrschießen mit dem MG3 eines der Highlights der Fliegerabwehrausbildung für die Reservistendienstleistenden. Hierbei wird mit Übungsmunition auf ein bewegliches Flugzeugmodell auf der Schießbahn 9 geschossen.
„Flieger Rot, Vorbeiflug rechts, Feuer!“ lautet der Befehl an den Hauptgefreiten Markus J. Schon setzt sich das von Drahtseilen gezogene Modellflugzeug in Bewegung. Markus fasst das Ziel mit der Vorhaltemarke des Fliegerabwehrvisiers auf und schwenkt zeitgleich das auf einem Dreibein montierte MG so, dass das Visier auf dem Ziel bleibt. Mit dem Zeigefinger der rechten Hand betätigt er jetzt den Abzug der Waffe. Er gibt einen langen Feuerstoß ab, gefolgt von einem zweiten und einem dritten. „Treffer!“, ruft ihm die Aufsicht beim Schießen zu.
Das Fliegerabwehrschießen war das letzte Ausbildungshighlight für die Reservisten auf dem Truppenübungsplatz Hammelburg. Schon am nächsten Abend kehren sie ins Zivilleben zurück.