InfoBrief Heer 2. Ausgabe 2023
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Generalleutnant Markus Laubenthal - Stellvertreter des Generalinspekteurs und Beauftragter für Reservistenangelegenheiten der Bundeswehr - informiert über die aktuelle Lage und Ausrichtung der Reserve im InfoBriefHeer von April 2023
Ohne wird’s nicht gehen – der Titel trifft auf vieles zu: Panzer, Flugzeuge, Schiffe, Logistik, ITInformationstechnik. Aber eben auch – und das in zunehmendem Maße – auf unsere Reserve. Lassen Sie mich deshalb meine Botschaft gleich an den Anfang stellen: die Reserve gewinnt weiter an Bedeutung und ist schon heute eine unverzichtbare Ressource für die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr. Mit Inkraftsetzung der Strategie der Reserve (SdRStrategie der Reserve) 2019 gestalten wir eine Reserve, die zukünftig gemeinsam mit der aktiven Truppe oder auch selbstständig robuste Aufgaben zuverlässig erfüllen kann. Dazu brauchen wir eine einsatzbereite Reserve. Strukturell voll aufgestellt, personell aufgefüllt, modern ausgerüstet und professionell ausgebildet; sichtbar und vor allem wirksam!
Die Reserve hat sich zu einem festen Bestandteil des Fähigkeitsprofils der Bundeswehr entwickelt und ist damit ressourcenbegründend. Ausgerichtet an der Landes- und Bündnisverteidigung (LV/BVLandes- und Bündnisverteidigung) nimmt insbesondere die Verstärkungsreserve eine bedeutende Rolle ein. Für den Aufbau einer vollumfänglich einsatzbereiten Truppen- und Territorialen Reserve sind 100.000 strukturgebundene, nichtaktive militärische Dienstposten eingeplant, 60.000 davon als Beorderungsdienstposten für Reservistinnen und Reservisten. Somit ist eine wichtige Grundlage für die personelle und materielle Einsatzbereitschaft der Ergänzungstruppenteile (ErgTrTErgänzungstruppenteile) und der Heimatschutzkräfte der Bundeswehr (HSchKrBw) gelegt. Genauso bedeutend ist die Personalreserve, sie ist aus dem täglichen Dienst nicht mehr wegzudenken. Sie trägt heute und künftig erheblich zur Unterstützung und Entlastung unserer aktiven Truppe bei. Und nicht zu vergessen die vielen engagierten Reservistinnen und Reservisten der Allgemeinen Reserve, die als Mittler in der Gesellschaft eine zentrale Rolle spielen.
Wo stehen wir nach gut drei Jahren in der Umsetzung der SdRStrategie der Reserve? Mit großen Schritten entwickeln wir den Heimatschutz weiter. Der Freiwillige Wehrdienst für den Heimatschutz (FWDFreiwilliger Wehrdienst HSch) wurde nach dem Jahr der Einführung letztes Jahr in den Regelbetrieb überführt. Die mit Beginn der Aufstellung der HSchKrBw bestehenden und aus den ehemaligen Regionalen Sicherungs- und Unterstützungskompanien hervorgegangen dreißig Heimatschutzkompanien (HSchKp) wurden im vergangenen Jahr um fünf HSchKp erweitert. Sieben weitere werden bis zum Jahr 2025 folgen. Zudem wurden die ersten Kompanien dem neu aufgestellten Heimatschutzregiment 1 (HSchRgt 1) in Bayern unterstellt. Im II. Quartal folgt das HSchRgt 2 in Nordrhein-Westfalen, später im Jahr das HSchRgt 3 in Niedersachsen und bis zum Jahr 2025 werden drei weitere HSchRgt aufgestellt, die dann insgesamt bis zu 42 HSchKp führen. Noch in diesem Jahr stellen wir eine Anfangsbefähigung für die Ausbildung dieser Kräfte in den Ausbildungsstützpunkten Heimatschutz her. Ab 2024 wird das Material zugeführt, so wird die Anfangsbefähigung zum „Fahren, Funken und Schießen“ gewährleistet.
Parallel werden die erforderlichen Fähigkeiten für eine Zielbefähigung der HSchKrBw untersucht. Dazu trägt auch ganz wesentlich das Projekt „Reserve 2025 – Schutz & Sicherung, Inland“ (Res25-Sch&Sich, Inl.) bei. Mit diesem Projekt sollen bis Ende des Jahres 2025 zusätzliche, nichtaktive Kompanien und Züge für Schutz- und Sicherungsaufgaben der Bundeswehr mit einer Anfangsbefähigung aufgestellt werden. Das Projekt umfasst Pilotvorhaben im Verantwortungsbereich des Territorialen Führungskommandos der Bundeswehr („weitere HSchKr“) sowie bei Luftwaffe, Marine und beim Zentralen Sanitätsdienst der Bundeswehr und wird seit Ende Juni letzten Jahres umgesetzt. Auftrag dieser Kräfte ist die Eigensicherung von militärischen Anlagen und Einrichtungen, wie z.B. Flugplätze, Hafenanlagen, sanitätsdienstliche Einrichtungen, in einem vorläufigen, Standortbereich-bezogenen Ansatz. Absicht ist es, Erkenntnisse über Umfang, Ausstattung, Führung und Einsatz sowie Ausbildung für die Zielbefähigung zu gewinnen und zugleich Reservekräfte für die Absicherung militärischer Einrichtungen in Krisenlagen verfügbar zu machen. Unabhängig von diesem Projekt stellt das Heer einen Teil der Sicherungskräfte für die erste Division des Heeres bis 2025 auf. Diese Sicherungskräfte werden sich in ihrer Beweglichkeit, Feuerkraft und den Schutzeigenschaften von den Kräften „Res25-Sch&Sich, Inl.“ unterscheiden. Wir streben den Beginn einer materiellen Hinterlegung sowie eine Anfangsbefähigung für 2025 an.
Darüber hinaus wurde und wird eine Vielzahl von Rahmenbedingungen für die Reserve optimiert. Um nur einige Beispiele zu nennen:
Mit meiner Weisung für die Reservistenarbeit in den Jahren 2023 bis 2025 ist die Marschrichtung für eine konsequente Umsetzung der SdRStrategie der Reserve vorgegeben – stetig und beharrlich hin zu einer einsatzbereiten Reserve. Das bedeutet über die Zeit nicht nur aufgabenorientierte Vollausstattung, sondern gleiches Material wie unsere aktive Truppe: ob bei der Bekleidung, der persönlichen Ausrüstung, den Handwaffen oder dem Großgerät. Auch in der Ausbildung wird sich einiges ändern müssen. Es gilt, ErgTrTErgänzungstruppenteile und HSchKrBw konsequent in ihrem Auftrag LV/BVLandes- und Bündnisverteidigung in Übung zu halten. Der Prozess der GBO muss ebenso weiter optimiert werden wie Verfahren des Personalmanagements. Mein Anspruch: Niemand darf mit seinen, im aktiven Dienst erworbenen Fähigkeiten für die Reserve verloren gehen. Damit das auch dort gelingt, wo das strukturelle Zielbild der Reserve noch nicht eingenommen wurde, haben wir übergangsweise die Möglichkeit der Grundbeorderung auf sogenannte „Dienstpostenähnliche Konstrukte“ geschaffen (in der Truppe als DPäK bzw. ehemals zbV bekannt), welche die Zeit bis zur vollständigen Einrichtung von echten Dienstposten überbrücken sollen. Umgekehrt bedeutet das, dass die Strukturen der Truppenreserve mit der daraus abgeleiteten Soll-Organisation für Personal und Material jetzt rasch aufgebaut werden müssen. Sie stellen das Fundament für unsere ambitionierten Vorhaben dar. Um zu den Prozessen und der GBO die notwendigen Kenntnisse zu vermitteln, habe ich seit dem 1. März 2023 einen Beauftragten für die Grundbeorderung (kurz BeaGBO) bestellt. Dieser wird verstärkt Besuche zur zielgerichteten Unterstützung der Truppe durchführen.
Der Umgang mit der Ressource Zeit bringt mich abschließend zu den mittlerweile digital vorhandenen Möglichkeiten der Einberufung. Was noch vor einigen wenigen Jahren nur per Brief und Antwortschreiben funktionierte, läuft heute in einem ersten Pilotversuch digital über eine App. Hat die Bundeswehr Bedarf an der Expertise einer Reservistin bzw. eines Reservisten kommt die Anfrage per App. Wer an der angefragten Wehrübung teilnehmen kann, antwortet per Knopfdruck, fügt die Einverständniserklärung des Arbeitgebers bei und erhält den Heranziehungsbescheid direkt auf sein Smartphone. Und wer nicht verfügbar ist, lehnt mit einem Klick ab und die Korrespondenz ist beendet. Einfacher geht es nicht. Und schneller auch nicht, denn ich erwarte, dass ab 2025 gut ein Drittel der Reserve binnen 48 Stunden im wahrsten Sinne des Wortes „Gewehr bei Fuß“ steht und Sicherungs- und Schutzaufgaben übernehmen kann.
Ich hatte es eingangs geschrieben: Ohne Reserve wird es nicht gehen. Und ohne enge Verzahnung mit der aktiven Truppe wird es erst recht nicht gehen. Schon im aktiven Dienst ist deshalb durch die Vorgesetzten aller Ebenen das Bewusstsein für eine starke Reserve zu fördern und die Reserve stets mitzudenken und einzubinden. Lassen Sie uns weiterhin alle Anstrengungen unternehmen, gemeinsam eine motivierte, gut ausgerüstete und hervorragend ausgebildete Reserve auf die Beine zu stellen.