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Drehscheibe Deutschland – Abkommen für vereinfachte Militärtransporte

Datum:
Lesedauer:
7 MIN

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Radio Andernach Audioelement: Radio Andernach im Interview

Radio Andernach (RA): Deutschland als Dreh- und Angelpunkt für die NATONorth Atlantic Treaty Organization. Aufgrund der zentralen Lage ist Deutschland ein ganz, ganz wichtiger und besonderer Knotenpunkt, was die Verlegung von Fahrzeugen oder auch Personal angeht. Ein ganz aktuelles Thema dabei ist gerade die Vereinfachung der Genehmigungsverfahren für Militärkonvois in Deutschland. Um da mal ein bisschen Klarheit reinzubringen, haben wir mit Oberst Almen, dem Kommandeur des Landeskommandos Sachsen-Anhalt gesprochen. Um da auch mal das Thema von vorne aufzurollen, haben wir ihn gefragt: Warum mussten da überhaupt irgendwelche Papiere unterschrieben werden?

Oberst Alme, Kommandeur Landeskommando Sachsen-Anhalt (AK): Ich denke, da hilft ein Blick auf die aktuelle sicherheitspolitische Lage, insbesondere auf den völkerrechtswidrigen Angriff Russlands auf die Ukraine. Und ein Ergebnis dieses Angriffs war, dass die NATONorth Atlantic Treaty Organization sich ein neues strategisches Konzept gegeben hat mit dem Titel Abschreckung und Verteidigung. Das war vor drei Jahren in Madrid und dies erfordert eben die Fähigkeit, eigene Kräfte schnell über hunderte, vielleicht sogar tausend Kilometer in Stellung zu bringen. Und die Verwaltungsvereinbarungen haben nun das Ziel, und zwar in den Ländern und aber auch mit der Autobahn GmbHGesellschaft mit beschränkter Haftung, um es in wenigen Worten zu sagen, einfachere und schnellere Prozesse zu ermöglichen.

RA: Das heißt also, einfacher und schneller viel Masse in Bewegung setzen zu können, sozusagen. Aber wie sieht das denn eigentlich aus ziviler Sicht aus? Ich sage mal ganz salopp: Nur weil da jetzt irgendwelche Militärkonvois durch müssen, verschwinden ja nicht die ganzen anderen Fahrzeuge einfach. Wie bringt man das Ganze in Einklang?

AK: Ja, das ist ein ganz wichtiger Aspekt dieses Abkommens. Und alleine schon dadurch, dass eben nicht alle Straßen eines Bundeslandes diesem Straßennetz zugeordnet sind, sondern in Einklang gebracht werden, eben auch mit dem Zivilstraßengrundnetz. Also gerade die conflicted werden mit den zivilen Transporterfordernissen, übrigens auch in der Krise und im Krieg, mit den Erfordernissen des Militärstraßengrundnetzes und das beides eben zusammen mit den Länderbehörden abgestimmt, dass man sich da quasi eben nicht ins Gehege kommt. Das ist der Hauptpunkt, wie wir es geschafft haben, die zivilen Bedürfnisse mit den Anforderungen der Bundeswehr in Einklang zu bringen. Wenn ich das vielleicht auch noch sagen kann, es gab hier zumindest im Bundesland Sachsen-Anhalt eine exzellente Zusammenarbeit mit dem Land, mit der Straßenbaubehörde. Und das zeigt auch eine der wesentlichen Kernfunktionen unserer Landeskommandos, eben in der Fläche, im Föderalismus am Operationsplan mitzuwirken, eben auf regionaler Stelle.

RA: Gibt es da dann auch bestimmte Straßenabschnitte, die da eine ganz zentrale Rolle spielen oder viel mehr belastet werden könnten als andere?

AK: Also wenn wir mal auf die konkreteste Bedrohung gucken, dann ist das natürlich derzeit Russland. Und deswegen denke ich, dass im Moment Vorrang stehen: West-Ost-Hauptverkehrsverbindungen. Daneben ist natürlich auch wichtig, dass wir die Liegenschaften der Bundeswehr anbinden an dieses Netz, also eben an die West-Ost-Verbindungen. Und damit hat man dann im Prinzip auch schon die wesentlichen Inputs für die Veränderungen in dem Militärstraßengrundnetz. Und wichtig ist natürlich auch aus unserer Sicht, dass eben nicht nur diese West-Ost-Verbindungen bestehen, sondern um es widerstandsfähig zu machen, auch Wege von Nord nach Süd, um da eben zwischen den einzelnen Wegen wählen zu können.

RA: Wenn wir jetzt mal auf die praktische Umsetzung und das Verfahren an sich eingehen würden, könnten Sie da anhand eines kleinen Beispiels erklären, wie das dann heute mit dieser Vereinfachung aussehen würde und wie das dann organisiert wird?

AK: Zum Beispiel: Nichts Großes ist die Verlegung einer Brigade von Deutschland nach Litauen, so weit das dann auf der Straße passiert. Es gibt ja auch noch andere Verkehrsträger. Greift die Verwaltungsvereinbarung im Falle dieser Eigenverlegung und da ist es eben jetzt möglich, diese Märsche auf dem Militärstraßengrundnetz zu planen, bis zu 50 Kraftfahrzeugen pro marschierenden Verband ohne zivile Genehmigung. Das wird einfach angekündigt durch das Logistikkommando auf Antrag des marschierenden Verbandes, also im Vergleich zu früher, wo es dann Genehmigungen gab durch die Länder und die Kommunen. Ist das bis zu der Größe von 50 KfzKraftfahrzeug nun durch das Lok-Kommando möglich. Und das Gute ist, es gilt eben auch für alliierte Bewegungen. Auch da kann das gemacht werden. Die können auch von diesen neuen Vereinbarungen Nutzen ziehen und auch für, und da sage ich mal diesen fachlichen Terminus, maß- und gewichtsüberschreitende Fahrzeuge. Das würde man mal so zivil als Schwerlasttransport bezeichnen. Auch hier gibt es gewisse Entpflichtungen, nicht vollständig, aber eben in gewissem Maße, dass auch diese über das Logistikkommando jetzt einfach genehmigt werden können und damit die Genehmigungswege deutlich schneller werden. Und man redet hier von Wochen zu Tagen, vielleicht sogar, wenn es schnell gehen muss, und da bin ich beim Logistikkommando sicher, von Wochen zu Stunden.

RA: Stichwort „schnell gehen“: Was macht es denn so entscheidend, dass Militärtransporte schneller und einfacher durch Deutschland rollen können?

AK: Ja, das ist für mich relativ einfach mit einer Formel zu zeigen, nämlich Abschreckung ist gleich auf der einen Seite Kräfte und Fähigkeiten zu haben, aber eben auch den Willen, diese einzusetzen. Und gerade eine schnelle Verlegung von Kräften beweist dann diesen Willen. Nämlich dann, wenn wir nicht nur reden, sondern es auch tun. Das Ganze fördert damit die Abschreckung. Und ich denke, diese Sprache versteht jeder Aggressor.

RA: Also Sie haben uns jetzt erklärt, wie das mit dem Genehmigungsverfahren zustande kam. Wie das in der Praxis aussehen kann und warum Deutschland eine wichtige Rolle bei dem Militärtransport spielt. Was auch ein ganz, ganz großes Thema ist, ist ja nicht nur die Masse an Fahrzeugen, sondern auch das Personal. Im Raum stehen ja die Zahlen von bis zu 800.000 Soldatinnen und Soldaten und 200.000 Fahrzeugen. Und das in einer bestimmten Zeit. Aber wie realistisch ist das wirklich? Das sind ja enorm hohe Zahlen.

AK: 800.000 ist natürlich schon eine Hausnummer, das ist nämlich all in also alles, was der NATONorth Atlantic Treaty Organization angezeigt wurde. Wichtig ist dennoch, dass wir auch auf diese Zahl vorbereitet sind. Und ich denke, wir sind das. Der Operationsplan Deutschland regelt alles, was notwendig ist, um das möglich zu machen. Er ist etabliert schon seit zwei Jahren. Derzeit finden am Operationsplan allerdings auch Anpassungen statt, an Orte der Unterstützungsleistungen, an bestimmten zugehörigen Kräften, die dazugehörig sind, und auch an Abläufen. Und das ist ganz normales Verfahren. Einmal im Jahr wird dieser Operationsplan dann angepasst. Im Übrigen wird das auch alles geübt. Zurzeit zum Beispiel in der Übung Quadriga 25 mit der kleinen darunterliegenden Übung National Guardian mit 8.000 Soldaten aus 14 Nationen. Das Verlegen von Kräften durch Deutschland. Unser Auftrag insgesamt. Und wenn Sie realistisch fragen, ist es als territoriale Organisation eben diese alliierten Truppen schnell koordiniert und sicher durch Deutschland zu bringen. Ich denke, als Landeskommandeur kann ich sagen, wir können das und wir werden diesen Auftrag auch erfolgreich erfüllen, wenn es erforderlich ist.

RA: Herr Oberst, an dieser Stelle erst mal vielen, vielen Dank. Auch ich selber habe jetzt ein bisschen mehr Klarheit, was das Ganze angeht und auch ein bisschen mehr Verständnis für das eine oder andere. Gibt es denn noch etwas von Ihrer Seite, was Ihnen wichtig wäre, noch zu erwähnen? Worauf kommt es Ihnen an?

AK: Mir kommt es darauf an, dass es auch wichtig ist, da wir eine föderale Struktur haben in Deutschland und die besteht nicht nur im Frieden, sondern auch im Krieg weiter –, dass es eben wichtig ist, diese föderalen Strukturen zu kennen, vertrauenswerte Beziehungen aufzubauen, schon im Frieden. Und da kommt eben auf unsere Struktur bei den Landeskommandos eine große Bedeutung zu. Das hat sich auch bei diesen Vereinbarungen gezeigt, weil alles doch sehr, wie sagt man neudeutsch smooth ging. Wenn man die Beziehungen hat und die Leute kennt, dann kriegt man die Dinge auch gemeinsam geregelt. Und ich glaube, das ist schon ein Wert an sich. Das würde ich vielleicht noch mal ganz generell ergänzen. Ansonsten hoffe ich, dass diese tollen Pläne, die wir hier schmieden, nicht zur Anwendung kommen.

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von Radio Andernach
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