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Multinational und europaweit

Übung Dynamic Front: Die dänische Heide wackelt

Übung Dynamic Front: Die dänische Heide wackelt

Datum:
Ort:
Oksbøl
Lesedauer:
6 MIN

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An der Übung Dynamic Front 2023, einer komplexen Artillerieübung der NATONorth Atlantic Treaty Organization, sind mehr als 1.700 Soldatinnen und Soldaten aus 18 Nationen beteiligt. Das Hauptquartier des Allied Rapid Reaction Corps (HQHeadquarters ARRCAllied Rapid Reaction Corps) führt diese Schießübung mit scharfem Schuss auf dem Übungsplatz Oksbøl in Dänemark. Zeitgleich trainieren Artilleriekräfte auf Übungsplätzen in Deutschland und in Rumänien. Ziel ist es, die NATONorth Atlantic Treaty Organization-Streitkräfte zu befähigen, in weiträumigen Landoperationen präzise Feuerunterstützung zu leisten.

Auf einer Heidefläche steht ein großes Kettenfahrzeug. Aus dem Rohr kommt grau-weißer Rauch.

Auch das direkte Feuer steht auf dem Trainingsplan der internationalen Teilnehmer auf dem Übungsplatz Oksbøl. Polnische Artilleriekräfte sind mit vier Panzerhaubitzen Krab nach Dänemark gekommen.

PAO ARRC

„Firemisson received!“ Mit diesem Kommando kündigt Leutnant Tim C. die nächste Zielkoordinate an. Es ist halb sechs am Morgen, zehn Kilometer westlich von Oksbøl an der dänischen Nordseeküste. In der Joint Air Grounds Coordination Cell (JAGIC) des HQHeadquarters ARRCAllied Rapid Reaction Corps brennt schon Licht. Die JAGIC ist die Feuerleitstelle des ARRCAllied Rapid Reaction Corps, dieses multinationalen NATONorth Atlantic Treaty Organization-Corps. Sie koordiniert alle boden-, see- und luftgebundenen Kräfte in einer Mission. Eigentlich brennt hier immer Licht, denn hier müssen ständig Informationen ausgewertet und Entscheidungen getroffen werden. Hier greifen die Zahnräder ineinander, die für eine synchronisierte Kommando- und Feuerplanung notwendig sind. Das HQHeadquarters ARRCAllied Rapid Reaction Corps hat seinen Gefechtsstand beim 1. Dänischen Artillerieregiment eingerichtet und führt das Gefecht bei der Übung Dynamic Front. Leutnant C. ist der Verbindungsoffizier der multinationalen Field Artillerie Brigade (MNMultinational FAB, Feldartilleriebrigade), die letztendlich die Mission ausführen wird.

Kooperation auf allen Ebenen

Zwischen Bäumen steht ein Artilleriegeschütz. Davor knien zwei Soldaten in französischer Uniform.

Französische Artilleristen beteiligen sich mit dem radgebundenen Artilleriesystem Caesar, das hochflexibel eingesetzt werden kann

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Verantwortlich für die Übung Dynamic Front 2023 ist das Hauptquartier aller amerikanischen Streitkräfte in Europa und Afrika, kurz USAREUR-AF. Gleichzeitig stellt das USAREUR-AF als Hauptquartier für alle Landstreitkräfte den Leitungsstab. Geübt wird das neue NATONorth Atlantic Treaty Organization-Konzept einer Artillerieabwehr in einem Operationsgebiet auf der Ebene der Landstreitkräfteführung. Zwei räumlich getrennte Operationsgebiete werden abgebildet. Das V. Corps USUnited States in Süddeutschland verteidigt im Schwerpunkt mit Partnerkorps der NATONorth Atlantic Treaty Organization einen Angriff auf die deutsche Landesgrenze und das HQHeadquarters ARRCAllied Rapid Reaction Corps verhindert mit zwei Divisionen unter Einbeziehung der Schnellen Eingreiftruppe der NATONorth Atlantic Treaty Organization (VJTFVery High Readiness Joint Task Force ) und schnellen Folgekräften, eine erfolgreiche Invasion in Dänemark gegen luftgelandeten Feind und Marineinfanterie an den Stränden.

Angenommene Feindkräfte haben einen Brückenkopf am Strand zwischen Oksby und Vejers gebildet und sind mit luftbeweglichen Kräften in Billund gelandet. Legoland ist in Gefahr. „GRID 32 U MG …“, diese eingegangene Zielkoordinate wird von Stabsfeldwebel Karsten S. bestätigt und in die Zielliste eingetragen. Sie enthält allgemein Angaben über Art, Lage und Ausdehnung der Ziele und ist ein Bezugsdokument für Feuerpläne.

Sorgfältige Zielauswahl

Stabsfeldwebel S. ist die rechte Hand des Kommandanten des Hauptgefechtsstandes, des jetzt verantwortlichen Schichtführers der Feuerleitstelle, Major Garrett L. Alle Funktionen sind international besetzt, die Sprache ist Englisch. Das zu bekämpfende Ziel wird von Major Joanna S. und Hauptmann Thomas E. gemeinsam bewertet. Major S. ist Rechtsberaterin und hat das Ziel bereits als legitimes militärisches Ziel bestätigt, Hauptmann E. hat Bedenken – das Ziel ist zu nah an einer Trafostation, die die umliegenden Orte mit Strom versorgt. Als Ausführender für Informationsoperationen (Informations Operations Executer) muss er auf mögliche Auswirkungen im Informationsumfeld hinweisen. Negative Kommentare in den sozialen Medien und eine negative Wahrnehmung durch die Bevölkerung kann und will sich die NATONorth Atlantic Treaty Organization nicht erlauben. Diese folgen jedoch automatisch, wenn mehrere Tausend Menschen ohne Strom sind. Die Rückfrage beim dänischen Verbindungsoffizier ergibt, dass der Strom umgeleitet werden kann. Das Ziel wird priorisiert, die multinationale Artilleriebrigade übernimmt und bekämpft es mit Präzisionsmunition.  

Das Netzwerk funktioniert

Soldaten in französischer Uniform stehen zusammen, eine Soldatin telefoniert.

Vernetzte Kommunikation auf internationaler Ebene: Übungssprache ist Englisch, Feuerkommandos kommen per Funk, Zielkoordinaten direkt und elektronisch

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Unter einheitlicher Führung des 56th USUnited States-Artilleriekommandos wird zeitgleich an drei verschiedenen Orten in Europa geübt: in Grafenwöhr in Deutschland, in Oksbøl in Dänemark und in Bukarest in Rumänien. Insgesamt sind 18 Nationen mit ihren Artillerieeinheiten und/oder Personal für die Korpsstäbe beteiligt. Das HQHeadquarters ARRCAllied Rapid Reaction Corps entsendet insgesamt 75 Übungsteilnehmer, davon vier Angehörige des Deutschen Anteils. Das für die Übung dazu erforderliche Netzwerk wurde erstmalig vom USAREUR-AF aus Wiesbaden für alle einheitlich bereitgestellt und betrieben. Die Integration der verschiedenen nationalen Führungs- und Informationssysteme, insbesondere der Artillerieführungssysteme, ist ein wesentlicher Übungsschwerpunkt.

Die Übung dient auch der Verbesserung der technischen Verknüpfung und zukünftigen Austauschbarkeit der Systeme. „Dynamic Front 23 ist eine komplexe und anspruchsvolle Artillerieübung, die die Verzahnung der Artilleriesysteme der Armeen voranbringen soll“, so der Kommandeur des USUnited States 56th Artillery Command, Generalmajor Stephen Maranian. „Die diesjährige Übung wird unsere Logistikketten testen und unsere Kommunikationssysteme trainieren, um gemeinsam zu zeigen, dass unser Bündnis jederzeit, überall und für jede Herausforderung bereit ist.“

Zudem geht es darum, die Verfahrensweisen, Kompetenzen und Planungsvorgaben der verschiedenen Teilstreitkräfte zu integrieren und ganzheitlich im Operationsgebiet einzusetzen. Der britische kommandierende Brigadegeneral Matt Birch eröffnet die Übung in Dänemark mit den Worten: „Dynamic Front ist eine einzigartige Möglichkeit, genau das zu üben, was bei den meisten NATONorth Atlantic Treaty Organization-Übungen in diesem Detaillierungsgrad nicht möglich ist. Als Artillerieübung in Echtzeit bekommt sie zudem noch einen realen Hintergrund und ermöglicht allen Nationen, mit ihren Artilleriesystemen zu üben und die nötigen Erkenntnisse für die Weiterentwicklung zu sammeln.“

Maritime Schlagkraft unabdingbar

Der Einsatzraum des ARRCAllied Rapid Reaction Corps wurde bewusst so gewählt, dass erstmalig auch die Marine in die Übung integriert werden kann. Die Standing NATONorth Atlantic Treaty Organization Maritime Group unter Leitung von Flottillenadmiral Thorsten Marx unterstützt mit Marinegeschützfeuer, dafür werden die deutsche Fregatte „Mecklenburg-Vorpommern“ und die portugiesische Fregatte „Bartolomeu Dias“ eingesetzt. Multi-Domain-Strike ist das neue Schlagwort für komplexe Operationen, um gemeinsam ein militärisches Ziel zu erreichen. Was einmal der Kampf der verbundenen Kräfte war, deckt die Realität des 21. Jahrhunderts nicht mehr ab. Neben der zusammengefassten artilleristischen Schlagkraft spielen heute auch Aspekte wie die Beherrschung des Cyberspace und des Informationsraumes eine entscheidende Rolle.

HIMARS im Lufttransport 

Ein Radfahrzeug steht auf einer Grasfläche. Hinter einer Kabine ist ein Raketenwerfer montiert.

Da er auf einem Lastwagengestell montiert ist, kann der leichte USUnited States-Raketenwerfer HIMARS gleich nach seiner erfolgreichen Verlegung in den Einsatzraum in den Feuerkampf eingreifen

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Inzwischen ist es 8.30 Uhr – das erste Briefing. Alle, die irgendwie an der Mission beteiligt sind, erläutern, was in den vergangenen 24 Stunden passiert ist und was in den nächsten 24 Stunden passieren wird. Die Wetterabteilung hat keine guten Nachrichten. Der für den Nachmittag geplante Einsatz des amerikanischen Mehrfachraketenwerfersystems HIMARS ist bei den aktuellen Wetterbedingungen nicht möglich. Das USUnited States-Konzept sah vor, dass HIMARS im Lufttransport an die dänische Küste verlegt werden sollte. Hätte das Wetter mitgespielt, wären Transportflugzeuge direkt zwischen Dünen und Nordseebrandung am westlichsten Strand von Dänemark gelandet. Was wie ein Himmelfahrtskommando klingt, ist ein gut durchdachtes und erprobtes Verfahren, wenn eine Waffe schnell transportiert werden muss, um ein Ziel in der Tiefe zu bekämpfen. Letztendlich wurde HIMARS mit Tiefladern über Nacht herangeschafft, der scharfe Schuss erfolgreich simuliert.

Hochrangiges Finale im Dauerregen

Typisches Wetter am Besuchertag, dem letzten Übungstag. Es gießt in Strömen, als die hochrangigen Gäste auf dem Übungsgelände im dänischen Oksbøl eintreffen. Über 30 internationale Medienteams sind bereits vor Ort und berichten. Der Kommandeur des Hauptquartiers aller amerikanischen Streitkräfte in Europa und Afrika, General Darryl Williams, lässt sich entschuldigen. Sein Stellvertreter, Generalmajor Hartmut Renk, vom Deutschen Anteil ist vor Ort. Gemeinsam mit weiteren militärischen Vertretern der beteiligten Nationen überzeugen sie sich persönlich von der Leistungsfähigkeit des Stabes des ARRCAllied Rapid Reaction Corps, der multinationalen Artilleriebrigade, der Übungstruppe und der Übungsanlage. Sie ziehen ein überaus positives Resümee und sind an einer Beteiligung an der nächsten Dynamic Front ernsthaft interessiert. Durch die Förderung des Verständnisses, der Zusammenarbeit und der Interoperabilität zwischen den Partnernationen trägt diese Übung wesentlich zur regionalen Stabilität und Sicherheit bei, indem sie die Fähigkeit der verbündeten Streitkräfte verbessert, in Krisen- oder Konfliktsituationen effektiv zusammenzuarbeiten.

Gut vorbereitetes Feuer

  • Vor einem Bildschirm sitzt ein deutscher Soldat. Um ihn herum stehen britische und US-Soldaten.

    International besetzte Teams bewerten alle verfügbaren Informationen, bevor das Feuerkommando erteilt und ein Ziel bekämpft wird

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  • Aus einer weitläufigen Heidefläche erhebt sich von rechts der Feuerschein einer Rakete.

    Der USUnited States-Raketenwerfer HIMARS im scharfen Schuss auf ein Seeziel

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  • Neun Soldaten in unterschiedlichen Tarnuniformen stehen im Gras und blicken in eine Richtung.

    Generalmajor Hartmut Renk (l.), Führung des Deutschen Anteils der USUnited States-Armee in Europa, gehört zu der hochrangig besetzten Besuchergruppe, die das Übungsgelände im dänischen Oksbøl besichtigt

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von Thomas Eggers und Ole Klingebiel

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