Herr Admiral, die Ostsee ist derzeit Schauplatz zahlreicher sicherheitspolitischer Spannungen. Wie bewerten Sie die aktuelle Lage im maritimen Umfeld?
Die aktuelle Lage ist angespannt. Seit der Sabotage an den Nord-Stream-Pipelines hat das Thema Schutz kritischer Unterwasserinfrastruktur eine neue Dringlichkeit bekommen. In der Vergangenheit haben wir Vorfälle mit beschädigten Pipelines und durchtrennten Kommunikations- und Stromkabeln wie C-Lion und Estlink gesehen. Jeder einzelne Fall mag dabei isoliert erscheinen, doch im Gesamtbild zeigt sich ein Muster. Russland testet unsere Wachsamkeit und beobachtet sehr genau, ob und wie entschlossen wir reagieren.
Die NATONorth Atlantic Treaty Organization hat im Januar 2025 die Überwachungsmission Baltic Sentry ins Leben gerufen. Wie genau sieht der Beitrag des CTFCommander Task Force Baltic aus und in welchem Umfang sind Sie am Schutz der Ostsee-Infrastruktur beteiligt?
Im Kern handelt es sich um eine Aufklärungs- und Überwachungsmission der NATONorth Atlantic Treaty Organization, die darauf abzielt, Sabotageakte gegen kritische Unterwasserinfrastruktur in der Ostsee zu verhindern. Ziel ist es, die Präsenz der NATONorth Atlantic Treaty Organization in ausgewählten Seegebieten zu stärken, den Informationsaustausch zwischen den Anrainerstaaten zu verbessern und ein umfassendes Lagebild über und unter Wasser zu erstellen.
Als CTFCommander Task Force Baltic führe ich die mir zugewiesenen Seestreitkräfte und steuere deren täglichen Einsatz. Das heißt: Wir stellen sicher, dass die für uns wichtigen Seegebiete in der Ostsee permanent überwacht werden. Dazu gehört auch, dass wir ein von der Norm abweichendes Verhalten von Handelsschiffen erkennen und diese Informationen mit unseren Partnern teilen. Wir arbeiten eng mit dem NATONorth Atlantic Treaty Organization Maritime Command (MARCOMAllied Maritime Command) und mit den Maritime Operation Centre aller NATONorth Atlantic Treaty Organization-Ostsee-Marinen zusammen. In der Summe entsteht ein umfassendes maritimes Lagebild in der Ostsee, und unsere Operationszentrale ist dabei die zentrale Schaltstelle für Kommunikation, Koordination und Datenaustausch.
Sie sprechen von Kooperation mit Ostseeanrainern. Wie gestaltet sich diese Zusammenarbeit im Alltag?
Die enge Kooperation und der tägliche Austausch mit unseren Verbündeten sind die größte Stärke des CTFCommander Task Force Baltic. In unserem Stab arbeiten Männer und Frauen aus 13 NATONorth Atlantic Treaty Organization-Mitgliedstaaten Seite an Seite. Diese multinationale Zusammensetzung bündelt enormes Fachwissen und schafft direkte Kommunikationswege in alle beteiligten Länder. Das ermöglicht uns, Informationen, Daten und Ressourcen schnell zu bündeln und gezielt einzusetzen. Ob es um Aufklärungsdaten russischer Einheiten, Satellitenbilder, zivile Schiffsbewegungen oder Beobachtungen aus der Luft geht – alles läuft bei uns zusammen, wird analysiert, fachlich bewertet und mit den Ostseemarinen und der NATONorth Atlantic Treaty Organization geteilt.
Wir verstehen uns dabei als verbindendes Element zwischen den nationalen Marinen, den Marineeinheiten auf See und der NATONorth Atlantic Treaty Organization. Diese enge Zusammenarbeit sorgt dafür, dass wir jederzeit ein sehr genaues und aktuelles Lagebild haben, um im Bedarfsfall, beispielsweise bei einem Verdacht auf Sabotage an Ostsee-Infrastruktur, schnell und abgestimmt handeln können.
Herr Admiral, vor knapp über einem Jahr wurde Ihr Stab Commander Task Force Baltic offiziell in Dienst gestellt. Wie blicken Sie auf dieses erste Jahr zurück?
Ich bin sehr zufrieden und auch stolz auf meine Frauen und Männer. Was wir in nur zwölf Monaten gemeinsam auf die Beine gestellt haben, ist wirklich beeindruckend. Unser Ziel war ehrgeizig: innerhalb eines Jahres einsatzfähig zu werden. Und genau das haben wir erreicht. Die NATONorth Atlantic Treaty Organization hat uns Ende September die volle, uneingeschränkte Einsatzfähigkeit bestätigt. Seit mehr als 280 Tagen koordinieren wir durchgängig die NATONorth Atlantic Treaty Organization-Aufklärungs- und Überwachungsmission Baltic Sentry. Während Baltic Sentry führen wir auch Einheiten, die uns seitens des MARCOMAllied Maritime Command oder durch die Nationen zugewiesen werden. In der Summe waren dies mehr als 80 verschiedene Kriegsschiffe aus 15 Nationen. Das sind beeindruckende Zahlen.
Seit unserer Indienststellung haben wir an mehr als zehn Übungen teilgenommen und werden noch an fünf weiteren bis Ende des Jahres teilnehmen. Ein besonderer Meilenstein war im Frühjahr dieses Jahres das USUnited States-geführte Großmanöver Baltic Operations (BALTOPSBaltic Operations), in dem mir eine multinationale Task Force mit rund 35 Schiffen unterstellt war. In ähnlichen Dimensionen haben wir uns im September während der Übung Northern Coasts bewegt. Beides sind anspruchsvolle Manöver, die zeigen, wozu unser Stab in der Lage ist. Heute ist die CTFCommander Task Force Baltic ein fester und verlässlicher Partner für die NATONorth Atlantic Treaty Organization und für unsere Verbündeten in der Ostsee.
Zum Schluss: Wenn Sie einen Blick in die Zukunft werfen – wo sehen Sie die CTFCommander Task Force Baltic in einem Jahr?
Ich habe den Anspruch, in allen Bereichen noch besser und noch schneller zu werden. Das Prinzip „Ready for the fight tonight“ ist auch für uns handlungsleitend. Das heißt konkret: Aufbau eines Standing Maritime Operational Framework für die Ostsee, um unsere Aktivitäten noch besser zu koordinieren und unsere Kräfte zu bündeln. Wir müssen das üben, was wir auch in der Krise oder im Krieg leisten müssen. Der Begriff „Train as you fight“ ist keine Floskel, es ist eine Grundvoraussetzung für erfolgreiches Handeln. Und ich möchte, dass wir noch mehr Quellen für unser Lagebild nutzen und unter Einbeziehung von künstlicher Intelligenz noch akkurater werden. Der CTFCommander Task Force Baltic hat sich weiter gefestigt und trägt im Auftrag der NATONorth Atlantic Treaty Organization die Verantwortung für alle maritimen Aktivitäten im Ostseeraum. Die Ostsee ist unsere Lebensader, und daher müssen wir auf jede mögliche Bedrohung angemessen und schnell reagieren können.