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Rüstzeit

Afrika 2.0

Rüstzeit
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„Oh, ihr fahrt wieder nach Afrika, wie schön, auf Safari?“ So hieß es im Vorfeld unserer Rüstzeit in Ghana immer wieder und dann galt es, zwei Dinge richtigzustellen: Erstens ist Afrika ein Kontinent und kein Land und zweitens soll es bei unserer Rüstzeit um Begegnungen mit den Menschen dort und nicht um Tiere gehen.

Fröhliche Menschen winken und schauen in die Kamera.

In den landschaftlich wunderbaren Mogo-Bergen

Rüdiger Scholz

Und so war das Programm der Rüstzeit auch gleichermaßen emotional anstrengend wie inhaltlich anspruchsvoll. Für die Teilnehmer, die bereits im vergangenen Jahr an der Rüstzeit in Ruanda teilgenommen hatten, aber nicht nur für sie, war es ein besonderes Erlebnis, den mittlerweile 85-jährigen Generalmajor Henry Anyidoho als Zeitzeugen zu hören. Er berichtete von seiner Zeit als Deputy Commander unter General Dallaire während des Genozides in Ruanda, als er sich der Weisung widersetzte, sein ghanaisches Bataillon aus Sicherheitsgründen abzuziehen „because we have a job to do here“. Nämlich nicht nur – dem Mandat gemäß – zu beobachten und zu berichten, sondern so viele Menschenleben wie möglich zu retten.

Das Gespräch fand in der Ridge Church statt, die gemeinsam von der anglikanischen, presbyterianischen, baptistischen und methodistischen Gemeinde genutzt wird. Dort begann die Rüstzeit auch mit einem besonderen Gottesdienst. Einerseits, weil unsere Gruppe beim Fürbittengebet vor den Altar gerufen wurde, wo für die Soldaten und die Militärseelsorge gebetet und ein Segen für die Gruppe gesprochen wurde. Das hatten wir zuvor so noch nie erlebt und wir fühlten uns willkommen und aufgenommen. Andererseits wurde Gottesdienst von Kindern aus verschiedenen Gemeindegruppen in allen Altersstufen gestaltet und durchgeführt. Dies zeugt von der Dynamik der Kirchen im Lande und dem Engagement der mehrheitlich jungen Bevölkerung.

Mit deren Chancen am Arbeitsmarkt sieht es allerdings, so Kwang Yung Jung, Regionalkoordinator der Deutschen Sparkassenstiftung in Ghana, leider nicht besonders gut aus. Gerade gut ausgebildete junge Menschen finden schwer Arbeit, was zusammen mit der hohen Arbeitslosigkeit der ländlichen Bevölkerung sozialen Sprengstoff darstellt. Aber immerhin hat man die Inflation und Preisentwicklung mittlerweile im Griff und versucht, im digitalen Zeitalter im ITInformationstechnik-Sektor Fuß zu fassen.

Die Folgen genau jener Digitalisierung wurden übrigens einigen Mitgliedern der Gruppe auf der Agbogbloshies Elektromüllhalde bewusst. Hier landen jährlich Millionen Tonnen Elektronikschrott, die von den Bewohnern auf verwertbare Rohstoffe hin durchsucht werden. Dazu werden Fernseher und Computer mit einfachsten Hilfsmitteln zertrümmert und so nicht nur Wert-, sondern auch Schadstoffe wie Phosphor, Cadmium, Quecksilber und Arsen freigesetzt, die in die Körper der meist jugendlichen Arbeiter, in den Boden und in das Wasser gelangen.

Wertvolles Kupfer etwa wird gewonnen, indem die Plastikummantelung von Kabeln in offenen Feuern verbrannt wird. Dioxine gelangen so in die Lungen der Arbeiter, die Luft und den Nahrungsmittelkreislauf. In unmittelbarer Nähe zur Müllhalde befindet sich zudem auch noch ein bedeutender Gemüsemarkt auf bleibelastetem Boden.

Aber Ghana hat auch landschaftlich wunderschöne Seiten, wie etwa den Voltasee, an welchem sich der größte Massendamm Afrikas mit 600 Meter Kronenlänge befindet. Dahinter staut sich auf einer Fläche von 8502 km² der größte Stausee der Erde, der vollständig von Menschen geschaffen wurde.  Auch ging es in die landschaftlich wunderbaren Mogo Berge und auf einen Baumkronenpfad über dem tropischen Regenwald.

Zurück im modernen Accra besuchte die Gruppe die Deutsche Beratergruppe German Armed Forces Technical Advisory Group (GAFTAGGerman Armed Forces Technical Advisory Group), die eng mit der ghanaischen Armee zusammenarbeitet. Wir sahen die Auto- und Drohnenwerkstätten, die Ausbildung an der Signal School und waren überrascht von der effektiven und engen Zusammenarbeit, bei der mit einfachen Mitteln und ziviler Unterstützung erstaunliche Ergebnisse erzielt werden.

Abgerundet wurde das ganze durch zwei Tage an der Gold Coast. Vor der Unabhängigkeit durch Kwame Nkrumah im Jahre 1957 hieß das ganze Land „Gold Coast“, was sich auf Gold als einen der Hauptexportartikel bezieht. Auch heute noch ist das so. Zu einem großen Teil wird das Gold allerdings im illegalen kriminell organisierten Kleinbergbau gewonnen. Einer Schätzungen zufolge sind eine Million der 34 Millionen Einwohner Ghanas damit beschäftigt, was eine Vielzahl von Umwelt-, Landwirtschafts- und Gesundheitsproblemen nach sich zieht.

Allerdings wurde durch verschiedene Kolonialherren auch „schwarzes Gold“ – sprich: Sklaven – gehandelt, wovon die Sklavenburgen heute noch beredtes Zeugnis ablegen. Es ist nicht leicht, in den Sklavenburgen im Verlies zu stehen, in welchem Menschen unter unvorstellbaren Bedingungen schlimmer als Tiere „gehalten“ wurden, und sich vorzustellen, dass in der Kapelle darüber fromme Gesänge der Sklavenhändler die Schreie der Gefangenen überlagerten. Wer durch das „Door of no return“ ging, hatte keine Chance mehr auf Wiederkehr in die Heimat, wenn er denn die strapaziöse Überfahrt überlebte.

Heute kommen viele Reisegruppen gerade aus Amerika, wohin ihre Ahnen verschleppt wurden, und gehen RÜCKWÄRTS durch dieses „Door of No return“. Ein starkes Symbol, um zu zeigen: Wir haben überlebt, wir sind wieder da, in unserer Heimat, die ihr uns geraubt habt.

Die Gruppe hat auf dieser Reise viel gelernt, auch über die eigene Identität, den Umgang mit Fremden und nicht zuletzt über den lebendigen Glauben in Ghana. Immer mehr Afrikaner leben und missionieren heute in Europa, so wie es Erzbischof Tutu einst formulierte:

„Als ihr kamt, hatten wir das Land und ihr die Bibel. Jetzt habt ihr das Land und wir die Bibel.“

von Rüdiger Scholz

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