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Rüstzeit

Auf einem Klettersteig im Wettersteingebirge

Rüstzeit
Datum:
Ort:
Rotenburg (Wümme)
Lesedauer:
2 MIN

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Tief drücke ich mich in die Fußstapfen meines Vorsteigers, um nicht auszurutschen, denn neben dem engen Pfad im Schneefeld liegt der Abgrund ins Höllental.

Gemeinsam auf einer Rüstzeit im Wettersteingebirge

Gemeinsam auf einer Rüstzeit im Wettersteingebirge

Johannes Wirth / Militärseelsorge

Hintereinander stapfen wir ohne Steigeisen, denn wir marschieren ja nicht auf einen Gletscher, nur auf die Alpspitze, weil die große Schwester im Wettersteingebirge, Deutschlands höchste Erhebung, Mitte Juni noch zu verschneit ist, um auf dem Klettersteig bezwungen zu werden.

Zum Training für die Soldaten aus Norddeutschland diente am Vortag der Säuling mit seinen Kletterpassagen und Kreuzen, am Abgrund platziert. Darauf Bilder und Namen von Gestürzten. Nicht nur die lehrten uns auf dieser Klettersteigrüstzeit die alte Tugend der Demut vor Gottes Schöpfung. Denn das Hinaufschauen zu den Giganten, dem gelassenen Immerdar unter der ersten Junisonne nach langen bayerischen Regenwochen, lässt uns nicht unberührt. Die Alpspitze fest im Visier geht es mit Helm und Harness vertikal an der Granitwand entlang an Drahtseilen, auf Leitern und Trittstiften.

Unter vollem Krafteinsatz ziehen wir uns einer nach der anderen aufwärts, denn mühsam ernährt sich das Eichhörnchen. Ein stundenlanger Drahtseilakt aus Karabinerklappern und meditativem Schieben am Drahtseil und Blicken in die malerische Landschaft unter uns, die genauso klein wirkt wie die Kameraden, die an der riesigen Felswand verloren aussehen. Perspektivwechsel durch Augen, die noch nicht glauben können, wie beschenkt wir sind mit diesem Aufstieg zu den Höhen Deutschlands. Glückliche Gesichter am Gipfelkreuz und vor dem Tisch, auf dem sich die Tapferen in das Gästebuch eintragen.

Die höchste Kirche Deutschlands mit Altar und Bibel darauf bietet sich an für eine Andacht, in der mir kein besserer Text einfällt als Jack Kerouacs Spruch, der mir schon lange zum Motto wurde, weil er Leben vom Schluss her denkt: „Denn am Ende wirst du dich nicht an die Zeit erinnern, die du im Büro gearbeitet oder deinen Rasen gemäht hast. Klettere auf diesen gottverdammten Berg!“

Nicht erst Psalm 121 „Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen“ verrät, dass die Zeit in den Bergen ein besonderes Moment hat, das sich tief in unsere Erinnerung bohrt, unvergesslich wird und Menschen zusammenschweißt, die diesen Augenblick miteinander erleben. Gesegnet ist die Zeit dieser Klettersteigrüstzeit, die uns mit einem demütigem Blick nach oben und dem stolzen, dankbaren Blick ins Tal beschenkt, uns erschöpft und muskel-verkatert zu unseren Kraftquellen, zu Gott und zu uns selbst führt. Zum Abschluss führt uns der Weg am letzten Tag durch die Höllentalklamm und auf dem Höllentalklettersteig unter der Alpspitze geerdet zurück, im Kopf der heimliche Wunsch, die Stille und Ruhe der Berge mit in den Alltag zu nehmen, während wir schon gemeinsam mit den Motorradfahrern aus Schönewalde „Country Roads, Take Me Home“ aus unseren Soldatengesangbüchern zur Gitarre singen.

von Uta Buchroth

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