Autorität gestalten in unsicheren Zeiten
Militärbischof- Datum:
- Ort:
- Berlin
- Lesedauer:
- 3 MIN
Bereits zum siebten Mal lud die Evangelische Militärseelsorge ein zur Wittenberg-Tagung für militärische Führungspersönlichkeiten. Militärbischof Dr. Bernhard Felmberg begrüßte Offizierinnen, Offiziere und Studierende mit einem eindringlichen Appell: Autorität müsse auf Gewissen, Vertrauen und Verantwortungsbereitschaft fußen – gerade jetzt, in dieser sicherheitspolitisch herausfordernden Zeit.
Mit einem deutlichen Verweis auf globale Spannungen und gesellschaftliche Verunsicherung skizzierte Felmberg zum Auftakt der Tagung die Lage: Viele Menschen suchten in diesen Zeiten einfache Antworten – und stießen dabei oft auf autoritäre Verlockungen. Genau hier setze die Tagung an, denn es sei Zeit, wieder offensiv über Autorität zu sprechen: Was bedeutet Autorität im guten, legitimen Sinne – und wie unterscheidet sie sich von Autoritarismus? Welche Form von Autorität braucht eine zeitgemäße, auch unter Extrembedingungen erfolgreiche Führung?
Militärbischof Dr. Bernhard Felmberg machte in seinem Vortrag klar: Autorität beginnt nicht mit einem Dienstgrad, „sondern da, wo Menschen freiwillig folgen, weil sie überzeugt sind von der Person – nicht nur vom Amt“. Er kritisierte die „überregulierte Bundeswehr, die oft mehr Behörde als Armee ist“, und warb für mehr Mut zur Auftragstaktik. Wer führen wolle, müsse nicht nur Verantwortung tragen, sondern sich zeigen: „Macht kann befehlen, Autorität überzeugt.“ Echte Gefolgschaft entstehe durch Glaubwürdigkeit, Nähe und Haltung – nicht durch Floskeln oder Distanz. Felmberg erinnerte daran, dass Autorität „harte Arbeit an der eigenen Persönlichkeit“ sei und Rückbindung brauche: an Werte, Gewissen, einen übergeordneten Auftrag – und letztlich an Gott. Seine Botschaft an die Offiziere: „Im Kern ist Autorität Beziehungsarbeit. Wenn Sie das beherzigen, folgen Ihnen Ihre Leute nicht, weil sie müssen – sondern weil sie wollen.“
Die Teilnehmenden der Tagung wurden gezielt ausgewählt, teils auf Vorschlag ihrer Standortseelsorge, teils durch Vorgesetzte. Unter ihnen befanden sich erneut auch einige Studierende der Bundeswehr-Universitäten, die mit Stipendium teilnehmen. Dieser Mix habe sich bewährt: unterschiedliche Perspektiven, gemeinsame Reflexion.
Im Zentrum der drei Tage stand die Frage, wie Autorität in einer modernen, kriegstüchtigen Armee gestaltet werden kann. Das Programm bot Fachvorträge, Dialog mit Expertinnen und Experten, persönliche Reflexionsphasen und Workshops zur eigenen Führungshaltung, und Gottesdienste und Andachten zur Stärkung des eigenen Glaubens.
Als Experten geladen waren Prof. Dr. Andreas Suchanek, Halle, und zugleich Vertreter des Wittenbergzentrums für globale Ethik, der den Begriff der Antifragilität in die Diskussion um Führungsautorität einbrachte, und Frank Baumann-Habersack, der als Coach und Berater sowie als Wissenschaftler an der Universität Bremen zu transformativer Autorität arbeitet. Prof. Dr. Reiner Anselm von der LMU München befasste sich in seinem Vortrag mit Autorität aus evangelisch-theologischer Perspektive und in einer Tischrede im Rahmen des festlichen Abendessens brachte Oberst i.G.im Generalstabsdienst Dr. Thorsten Weber, Referatsleiter SK I 8 im Bundesministerium der Verteidigung (BMVgBundesministerium der Verteidigung), biographische Erkenntnisse zu Führung und Autorität aus seiner beruflichen Laufbahn ins Gespräch ein.
Auch der historische Ort Wittenberg diente als Resonanzraum: Reflexionsgänge und eine Fackelführung eröffneten Perspektiven auf Autorität in geschichtsträchtigem Umfeld. So nahm PDPrivatdozent Dr. Robert Riemer vom Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften (ZMSBwZentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr) die Teilnehmenden mit auf einen Reflexionsgang durch die Lutherstadt auf den Spuren der Bauernkriege. In der Workshopphase gab es Gelegenheit, mit Kristina Tonn, wissenschaftliche Referentin am Zentrum für ethische Bildung in den Streitkräften (zebisZentrum für ethische Bildung in den Streitkräften) zu diskutieren, was das humanitäres Recht gilt, wenn der Gegner es ignoriert. Und Oberstarzt Prof. Dr. med. Peter Zimmermann, PTBSPosttraumatische Belastungsstörung-Beauftragter, arbeitete mit einer Gruppe zur Resilienzstärkung als Führungsaufgabe in Zeiten von Landes- und Bündnisverteidigung.
In einem abschließenden Rundgespräch mit Militärbischof Felmberg unter dem Titel „Selbstautorisierung aus Gewissensfreiheit“ erläuterte dieser, wie die Militärseelsorge sich auf den Ernstfall vorbereitet und Soldatinnen und Soldaten begleiten will und hob nochmals hervor: Eine „kriegstüchtige Bundeswehr“ brauche Führungskräfte mit Rückgrat, Empathie und Entscheidungsfreude – Menschen, die sich Anerkennung verdienen, Rückhalt bieten und Vorbild sind. Berufsethische Angebote der Militärseelsorge böten einen Raum, in dem Führung nicht nur gelehrt, sondern persönliche Erfahrungen ausgetauscht, hinterfragt und die eigene Haltung weiterentwickelt werden könne.