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Drehscheibe Deutschland: Zusammen stark im Bündnis

Drehscheibe Deutschland: Zusammen stark im Bündnis

Datum:
Ort:
Deutschland
Lesedauer:
6 MIN

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Deutschland gilt als „Drehscheibe“ Europas und ist seit 70 Jahren NATONorth Atlantic Treaty Organization-Mitglied. Seit dem Kalten Krieg, aber vor allem mit der Zeitwende ist klar, dass demokratische Werte verteidigt werden müssen: zum einen durch gesamtgesellschaftliche Resilienz, zum anderen durch Militär als Kernelement glaubwürdiger Abschreckung für Frieden.

Gefechtsfahrzeuge des US-Militärs rollen durch Tore einer deutschen Kaserne.

Streitkräfte anderer Nationen mit Gefechts- und Versorgungsfahrzeugen auf deutschem Boden – ein sichtbares Zeichen für multinationale Einsatzbereitschaft und strategische Verlegefähigkeit der Allianz

Bundeswehr/Sven Riedel
Länderflaggen beim NATO-Gipfel

Gemeinsam stark: Die kollektive Verteidigung des Bündnisgebietes ist Hauptauftrag der 32 NATONorth Atlantic Treaty Organization-Mitgliedstaaten

Bundesregierung/Marvin Ibo Güngör

In unserer bestehenden Sicherheitsordnung ist die Verteidigung der demokratischen Werte nur im Verbund mit den europäischen Partnern und der NATONorth Atlantic Treaty Organization möglich. Spätestens mit dem russischen Angriff auf die Ukraine ist der Krieg nach Europa zurückgekehrt. Niemand kann ausschließen, dass Russland auch die NATONorth Atlantic Treaty Organization militärisch angreifen wird. Das Land hat seine Wirtschaft auf Kriegsführung ausgerichtet und wird schon in sehr wenigen Jahren über die nötigen Ressourcen für eine solche Option verfügen. Russland bedroht Frieden und Freiheit in Europa und wird die sicherheitspolitische Lage über viele Jahre, möglicherweise Jahrzehnte, maßgeblich beeinflussen. Die NATONorth Atlantic Treaty Organization setzt Abschreckung und kollektive Verteidigung (Deterrence and Defence) dagegen.

NATONorth Atlantic Treaty Organization: Einer für alle, alle für einen

Mit den Beitritten Finnlands und Schwedens hat sich das Bündnisgebiet deutlich vergrößert. Das NATONorth Atlantic Treaty Organization-Bündnisgebiet reicht von der Ostküste Nordamerikas über den Atlantik bis tief nach Südosteuropa sowie vom Nordkap über Rumänien bis in die Türkei. Rund 3,5 Millionen Soldatinnen und Soldaten aus 30 europäischen Nationen sowie aus Kanada und den USA stehen bereit, das Bündnisgebiet zu verteidigen. Das Kräftemodell der NATONorth Atlantic Treaty Organization sieht vor, dass 300.000 Kräfte innerhalb von 30 Tagen dort einsatzbereit sind, wo sie für glaubwürdige Abschreckung benötigt werden (Einsatzbereitschaftsstufen Tier 1 und 2). Die neuen Verteidigungspläne der Allianz werden durch regelmäßige Übungen immer weiter verfeinert. 

Aufgrund der Größe des Gebietes besteht die Notwendigkeit, im Fall eines Angriffs Land-, Luft- und Seestreitkräfte in kurzer Zeit, meist über weite Strecken an ihren Einsatzort zu verlegen. Diese Fähigkeit ist ein wesentlicher Bestandteil der Abschreckung. Um die Allianz erfolgreich zu verteidigen, brauchen die NATONorth Atlantic Treaty Organization-Kräfte außerdem große Mengen an Munition, Treibstoff, Verpflegung sowie Material für Instandsetzung und Ersatzteile.

Erfolgreich durch Enablement

Diese Aufgaben werden im NATONorth Atlantic Treaty Organization-Jargon mit dem Begriff „Enablement“ zusammengefasst und haben für Abschreckung und Verteidigung eine grundlegende Bedeutung. Kommen die Einsatzkräfte zu spät oder können einen hochintensiven Krieg nicht über längere Zeit durchhalten, ist die Verteidigung des Bündnisgebietes unmöglich. Die Ernsthaftigkeit, mit der sich die NATONorth Atlantic Treaty Organization-Nationen dem Thema Enablement widmen, ist daher zentral für eine glaubwürdige Darstellung der eigenen Verteidigungsbereitschaft und Verteidigungsfähigkeit und damit Grundlage erfolgreicher Abschreckung. 

Abschreckung und Verteidigung

Deutscher Soldat läuft in voller Ausrüstung mit Gewehr und Helm Patrouille.

Wachsamkeit in Zeiten neuer Bedrohungen an der Ostflanke von Europa. Deutschlands zentrale Rolle im NATONorth Atlantic Treaty Organization-Bündnis mit dem gemeinsamen Ziel: Abschreckung durch Stärke.

Bundeswehr/Christian Habeck

Deutschland hat für die Abschreckung und Verteidigung der NATONorth Atlantic Treaty Organization eine große Bedeutung. Einerseits stellt es Fähigkeiten und Kräfte bereit, zum Beispiel in Litauen. Andererseits ist Deutschland die „operative Drehscheibe“ im Herzen Europas und wahrscheinliches Aufmarschgebiet für internationale NATONorth Atlantic Treaty Organization-Kräfte. Im Konfliktfall werden hier tausende Soldaten aufgenommen, untergebracht und versorgt. Durch Deutschland verlaufen auch wichtige Versorgungslinien der NATONorth Atlantic Treaty Organization-Partner. Deswegen kommt dem Aufbau eines funktionierenden Enablements in Deutschland eine besondere Bedeutung für den Gesamterfolg der NATONorth Atlantic Treaty Organization zu. Um diese Herkulesaufgabe zu meistern, ist ein ressortübergreifender, sogenannter Whole-of-Government Approach erforderlich.  

Netzwerk verbindet Häfen und Versorgungszentren

Luftbild eines Hafens mit Militärfahrzeugen und Lkw vor einer großen Fähre

Militärfahrzeuge warten am Hafen auf die Verladung: Der Hafen von Rostock ist ein logistisches Drehkreuz für militärische Verlegungen und internationale Truppenbewegungen

Bundeswehr/Anne Weinrich

Zunächst kommt es darauf an, ein funktionierendes sogenanntes Reinforcement and Sustainment Network (RSNReinforcement and Sustainment Network) auszubauen. Dieses Netzwerk besteht aus einem dichten System aus Straßen, Eisenbahn-, Wasser- und Luftwegen und verbindet Häfen, Flughäfen sowie Versorgungszentren miteinander. Die meisten NATONorth Atlantic Treaty Organization-Staaten müssen für dieses funktionierende Netzwerk auf zivile Leistungen zurückgreifen. Zum einen gehören die logistischen Einrichtungen des RSNReinforcement and Sustainment Network, wie Häfen oder Flughäfen, zivilen Betreibern. Zum anderen werden die militärischen Logistikkräfte weitgehend zur Versorgung der Truppe an der Front benötigt. Dieses zivil-militärische Zusammenwirken muss rechtzeitig mit Verträgen hinterlegt und geübt werden, damit sich im Alarmfall alle darauf verlassen können.

Bereits heute agiert Russland gegen westliche Staaten mit hybriden Mitteln. Beinahe täglich erreichen uns Nachrichten von mutmaßlichen russischen Cyberangriffen, Störungen des zivilen Flugverkehrs durch elektronische Kampfmittel und von geplanten oder durchgeführten Sabotageangriffen bis hin zu Mordanschlägen. In einem Krieg werden sich diese Angriffe verstärken, um Entscheidungsprozesse zu beeinflussen und die Regierungsfähigkeit von Staaten zu unterlaufen – das zeigt sich in der Ukraine. Darüber hinaus werden Angriffe mit Raketen, Kampfflugzeugen oder Drohnen vor allem auch gegen die logistische Infrastruktur im europäischen Hinterland geführt.

Mit Resilienz in schwierige Lagen

Aus diesem Grund hat Resilienz eine zentrale Bedeutung. Verlegungen und Versorgung von NATONorth Atlantic Treaty Organization-Truppen müssen auch unter erschwerten Bedingungen möglich sein. Das heißt, Straßen und Brücken müssen auch Kolonnen an Panzern tragen können. Im Alarmfall muss das Militär auf Schienentransportmittel zugreifen können. Verkehrsknoten der Bahn müssen vor Cyberattacken geschützt werden, Seehäfen vor Angriffen mit Drohnen und Raketen. Neben einem engmaschigen Straßen- und Wegenetz, das über vielfältige Alternativen verfügen sollte, muss ein ebenso dichtes Netz an logistischen Einrichtungen vorhanden sein, über das die Truppe versorgt wird. Große logistische Basen wären ungeeignet, weil sie leicht erkannt und sofort zerstört werden können. Und entscheidend ist: Die Bevölkerung muss hinter eventuellen Einschränkungen stehen und den Verteidigungswillen mittragen.

Ein Feldjäger sichert mit seinem Diensthund die Staumauer.

Suche nach potenziellen Bedrohungen wie Sprengstoff oder Waffen: Ein Feldjäger der Bundeswehr sichert mit seinem Diensthund das Innere der Staumauer

Bundeswehr/Jana Neumann

Schnell reagieren mit „militärischem Schengenraum“

Für den Fall der Verteidigung sind Truppenverlegungen eine wichtige Grundlage für eine geeignete Startaufstellung, um einem Angriff erfolgreich begegnen zu können. So kann es erforderlich werden, dass das RSNReinforcement and Sustainment Network oder Teile davon aktiviert werden, um Truppen sehr zügig zu verlegen. Diese Truppenverlegungen können übrigens auch im Frieden erforderlich werden und signalisieren einem möglichen Aggressor, dass seine Angriffsabsichten erkannt sind und man vorbereitet ist. Unter Friedensbedingungen kann dies also durchaus eine letzte Möglichkeit sein, eine militärische Auseinandersetzung abzuwenden. Um schnell reagieren zu können, kommt es darauf an, den bürokratischen Aufwand beim grenzüberschreitenden militärischen Verkehr zu reduzieren. Die europäischen NATONorth Atlantic Treaty Organization-Staaten arbeiten mit Hochdruck an einheitlichen Verfahren, die Idee vom „militärischen Schengenraum“ nimmt mit großer Dynamik Gestalt an. Im nächsten Schritt werden die vereinbarten Verfahren in der täglichen Praxis angewendet.  

Starke Infrastruktur 

Neben der Standardisierung von logistischen Prozessen und den zahlreichen Aufgaben im Rahmen des Host Nation Support greift derzeit ein weiterer wichtiger Arbeitsschwerpunkt des Joint Support and Enabling Command (JSECJoint Support and Enabling Command): Im Rahmen des neuen Fünf-Prozent-Zieles der NATONorth Atlantic Treaty Organization sollen 1,5 Prozent unter anderem in Infrastrukturen investiert werden, um diese für militärische Lasten zu ertüchtigen. Das JSECJoint Support and Enabling Command spricht dabei von „Dual Use“ und arbeitet eng mit NATONorth Atlantic Treaty Organization-Partnern und der EUEuropäische Union zusammen. 

Enablement ist eine Kernherausforderung, vor der die NATONorth Atlantic Treaty Organization gegenwärtig steht – eine wichtige, nicht zu vernachlässigende Grundlage von Abschreckung und Verteidigung und damit für den Frieden und die Freiheit in Europa. Dieser Frieden und diese Freiheit sind in Gefahr. Deswegen dürfen wir keine Zeit verlieren.

von Mario Karnstedt

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