Cleared for takeoff: Wie Bundeswehr-Fluglotsen den Abzug aus Afghanistan erleben

Cleared for takeoff: Wie Bundeswehr-Fluglotsen den Abzug aus Afghanistan erleben

Datum:
Ort:
Afghanistan
Lesedauer:
3 MIN

Es ist viel los auf dem Flughafen von Masar-i Scharif: Ein Airbus A400M aus Wunstorf landet. Im zivilen Terminal versammeln sich Familien und Geschäftsleute vor der Gepäckkontrolle, um nach Kabul zu fliegen. Parallel starten gerade zwei Helikopter Mi-17 der afghanischen Streitkräfte. Vom Tower aus alles im Blick haben die Fluglotsen der Bundeswehr.

Zwei Soldaen und ein Zivilist sitzen im Tower am Flughafen

Teamwork: Rund 18.000 Flugbewegungen koordiniert das Team der Flugsicherung pro Jahr

Bundeswehr/Torsten Kraatz

Ob zivil oder militärisch genutzt: Der Flughafen Masar-i Scharif mit der Kennung OAMS ist ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt für Nachschub, Materiallogistik, Handel, Tourismus und nicht zuletzt auch für militärische Operationen in Nordafghanistan.

Damit auch bei der Rückverlegung alles nach Plan läuft, versehen seit einigen Wochen – erstmals seit Ende 2014 – wieder Fluglotsen der Bundeswehr Dienst auf dem Kontrollturm des Flugplatzes. Sie lösten die Flugverkehrsleiter des zivilen Dienstleisters IAP ab, deren Vertrag aufgrund der Rückverlegung ausgelaufen war und garantieren nun – bis die letzten deutschen Soldatinnen und Soldaten das Camp Marmal verlassen haben – rund um die Uhr gemeinsam mit afghanischen Kollegen den sicheren Flugbetrieb. In der Zwischenzeit war lediglich der Dienstposten des sogenannten SATCO, des Senior Air Traffic Control Officer der Flugsicherung, durch deutsche Soldaten und Soldatinnen besetzt worden.

Positives Fazit zum Ende der Mission

Kurz vor dem Abschied aus Masar-i Scharif zieht Flugverkehrskontrolloffizier Hauptmann Stefan D.* ein positives Fazit seiner Zeit in Nordafghanistan. Seit 2007 absolvierte er zwölf Einsätze in Afghanistan. Oft leistete er Dienst auf dem Tower des Masar-i Scharif International Airport.

Wie sich der Flughafen entwickelt hat, konnte D. so hautnah miterleben. „Wir haben neun nach internationalem Standard ausgebildete afghanische Flugkontrollleiter, die sich vor ihren Pendants in Europa nicht zu verstecken brauchen und ich bin sehr zuversichtlich, dass die Übergabe der Verantwortung reibungslos funktioniert.“

Auch der Afghane Walid S.*, der seit 2015 als Fluglotse gemeinsam mit deutschen Soldaten arbeitete und weitergebildet wurde, blickt positiv in die Zukunft: „Wir haben genug Erfahrung sammeln können und sind von den Soldaten ausgebildet worden, um allen Herausforderungen nach Abzug der internationalen Truppen begegnen zu können. Es wird zwar Veränderungen geben, weil wir zahlenmäßig schrumpfen, aber wir werden den sicheren Betrieb fortführen können. Ich bin trotzdem traurig, mich von meinen Kollegen verabschieden zu müssen, weil wir eine so lange Zeit zusammengearbeitet haben.“

Hier stimmt auch Hauptmann D. zu, denn „wenn man über acht Stunden auf dem Tower verbringt, dann entsteht eine persönliche Bindung. Man redet automatisch auch über Gott und die Welt“. Auch wenn der erfahrene Offizier bei der Übergabe sein Bestes gibt, hofft er trotzdem, dass Afghanistan auch weiter im Bereich der Luftfahrt Unterstützung bekommt, damit die gemachten Fortschritte nicht verloren gehen.

Tower am Flughafen

Noch bis zum Abzug der Bundeswehr koordinieren die Fluglotsen vom Tower aus alle Flugbewegungen des des „Masar-i Scharif International Airport”

Bundeswehr/Torsten Kraatz
Ein Airbus A400M im Landeanflug

Ohne Flugsicherung keine Flugbewegung: Diesem A400M hat Hauptmann Stefan D. die Landeerlaubnis erteilt

Bundeswehr/Torsten Kraatz

Diplomat in Uniform

Auch SATCO-Major J.*, genannt TJ, arbeitet auf dem Tower. Zusätzlich ist er aber als Vermittler zwischen allen Nutzern des Flughafens auch „Diplomat in Uniform“. Gerade in der Phase des Abzuges ist er „ganz nah am Geschehen, was das Gefühlsleben der Afghanen angeht: Was sie von der Rückverlegung halten, mit welchen Gefühlen sie zurückbleiben und welche Erwartungen sie an uns haben“.

Politische Entscheidung hier vor Ort umzusetzen, sei oft eine Herausforderung, so der der 53-jährige Stabsoffizier. „Man muss überlegen, was man sagt und auch auf Englisch versuchen, den richtigen Ton zu treffen.“ Den Zeitpunkt seines nunmehr vierzehnten Afghanistan-Einsatzes hat er sich trotzdem ganz bewusst ausgesucht. „Ich möchte einen guten Abschluss schaffen und das Bestmögliche für alle Beteiligten herausholen. Mir hilft, dass ich alle Ansprechpartner schon aus meinen vorherigen Einsätzen kenne und dort bereits eine gewisse Vertrauensbasis ist.“ Wenn ihm dies glückt, ist die Bundeswehr sehr bald schon ready for takeoff.

*Namen zum Schutz abgekürzt.


von Vanessa Kaufmann

Mehr zum Thema