Tag des deutschen Widerstands

Feierliches Gelöbnis am 20. Juli: Appell an das Gewissen

Feierliches Gelöbnis am 20. Juli: Appell an das Gewissen

Datum:
Ort:
Berlin
Lesedauer:
3 MIN

Ihre Stimme ist nicht laut, ihre Botschaft aber klar und deutlich: Konstanze von Schulthess-Rechberg hat die Rekrutinnen und Rekruten der Bundeswehr am 79. Jahrestag des Attentats auf Adolf Hitler aufgerufen, für ihre Überzeugungen einzustehen. Ihr Vater hatte dies am 20. Juli 1944 getan – und dafür mit dem Leben bezahlt.

Soldatinnen und Soldaten sind vor Publikum zum Gelöbnis auf dem Paradeplatz angetreten

Ihrer Verantwortung bewusst: Beim feierlichen Gelöbnis im Bendlerblock bekennen sich Rekrutinnen und Rekruten zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Das Gelöbnis am Jahrestag des Stauffenberg-Attentats ist eine Bundeswehrtradition.

Bundeswehr/Jörg Carstensen

„Heute ist ein bedeutender Tag“, sagt Schulthess-Rechberg, die mit ihrem Bruder angereist ist. „Denn heute beginnen sie eine berufliche Laufbahn, die sie in den Dienst ihres Landes stellen.“ Sie steht am Abend des 20. Juli auf dem Paradeplatz des Verteidigungsministeriums. Vor ihrem Rednerpult stehen rund 400 Rekrutinnen und Rekruten der Bundeswehr. Vor wenigen Wochen haben sie ihren Dienst angetreten. Heute geloben sie, Deutschland und die freiheitliche demokratische Grundordnung zu verteidigen – wenn nötig, mit der Waffe in der Hand.

Ein Soldat im Porträt
Matrose Nils J.*, 20 Jahre, Wachbataillon beim Verteidigungsministerium in Berlin Bundeswehr/Jörg Carstensen
Es ist eine große Ehre, heute hier stehen zu dürfen. Ich bin Soldat geworden, weil ich nach dem russischen Überfall auf die Ukraine lernen wollte, mein Land und mich zu verteidigen.

Konstanze von Schulthess-Rechberg hat ihren Vater nie kennengelernt. Die 78-Jährige wurde im Januar 1945 als Konstanze Schenk Gräfin von Stauffenberg geboren. Ihr Vater ist Oberst Claus Schenk Graf von Stauffenberg. Als Kopf einer militärischen Widerstandsgruppe hatte er am 20. Juli 1944 das damals kaum Vorstellbare versucht: Den Diktator Adolf Hitler zu töten und damit der Herrschaft der Nationalsozialisten in Deutschland ein Ende zu bereiten.

Schulthess-Rechberg ist nach Berlin gekommen, um an den Feierlichkeiten anlässlich des Jahrestages des Stauffenberg-Attentats teilzunehmen. Es ist auch der 79. Todestag ihres Vaters. Er war nach dem Scheitern des Umsturzversuchs noch in der Nacht auf den 21. Juli im Hof des Bendlerblocks erschossen worden.

Eine Soldatin im Porträt
Frau Panzerschütze Celine S.*, 21 Jahre, Panzerbataillon 104 aus Pfreimd Bundeswehr/Jörg Carstensen
Ich leiste freiwilligen Wehrdienst, weil ich mich persönlich weiterentwickeln möchte. Ich möchte meine Stärken und Schwächen kennenlernen und Deutschland etwas zurückgeben.

Ihr Vater und seine Mitstreiter hätten gehandelt, um ihre befleckte Soldatenehre wiederherzustellen, sagt Schulthess-Rechberg. Diese Ehre, ihr Gewissen und die Scham über die Verbrechen der Nationalsozialisten hätten sie angetrieben. „Die Beteiligten des Deutschen Widerstandes haben nicht weggesehen“, sagt die Gräfin zu den Uniformierten. „Seien Sie wachsam und schauen auch Sie nicht weg!“

Gedenken an die Toten des Widerstandes

Das feierliche Gelöbnis ist der Abschluss der Gedenkfeierlichkeiten zum Tag des Deutschen Widerstandes. An der Stelle, an der Stauffenberg getötet wurde, hatten Verteidigungsminister Boris Pistorius und Generalinspekteur Carsten Breuer gegen Mittag einen Gedenkkranz niedergelegt. Zusammen mit anderen Vertretern des Staates und seiner Regierung wurden sowohl der militärische als auch der zivile Widerstand gegen den Nationalsozialismus gewürdigt. Der Tatort ist heute Teil der Gedenkstätte Deutscher Widerstand, die sich direkt neben dem Verteidigungsministerium befindet.

Ein Soldat im Porträt
Matrose (Bootsmannanwärter) Leopold A.*, 18 Jahre, Marinetechnikschule Kramerhof Bundeswehr/Jörg Carstensen
„Ich freue mich, jetzt ein richtiger Soldat zu sein. Ich möchte meinem Vaterland dienen und es verteidigen. Denn ich bin glücklich, in Deutschland geboren zu sein.“

Frieden ist keine Selbstverständlichkeit

Später auf dem Paradeplatz richtet der Verteidigungsminister das Wort an die Rekrutinnen und Rekrutinnen. Er weist darauf hin, dass ein Leben in Frieden nicht selbstverständlich ist. „Wir leben in einer Zeit, in der unsere Ordnung und unsere Werte unter Druck stehen – und in unserer nächsten Nachbarschaft Krieg geführt wird.“

Die Uniformierten stehen für eine wehrhafte Demokratie und ein sicheres Deutschland ein, so Pistorius.  „Als Staatsbürger leben sie täglich die Werte unserer Gesellschaft, und als Staatsbürger in Uniform stehen sie an maximal zentraler Stelle für unsere Demokratie“, sagt der Verteidigungsminister. Er ist zum ersten Mal Gastgeber des Gelöbnisses am 20. Juli. „Es kommt auf sie an. Sie werden die Bundeswehr prägen.“

  • Minister Pistorius kniet vor einem Blumenkranz an der Gedenktafel im Ehrenhof des Bendlerblocks

    Gedenken an mutige Menschen: Mit einem Gedenkkranz würdigt Verteidigungsminister Pistorius den Widerstand gegen das NSNationalsozialismus-Regime an der Stelle, an der Oberst Stauffenberg in der Nacht auf den 21. Juli 1944 hingerichtet wurde

    Bundeswehr/Jörg Carstensen
  • Berthold Schenk Graf von Stauffenberg und Konstanze von Schulthess Rechberg im Porträt

    Ehrengäste: Berthold Schenk Graf von Stauffenberg und Konstanze von Schulthess-Rechberg sind die Kinder von Oberst Stauffenberg. Die Gräfin sprach später beim feierlichen Gelöbnis zu den Rekrutinnen und Rekruten der Bundeswehr.

    Bundeswehr/Jörg Carstensen
  • Soldaten marschieren in Formation auf dem Paradeplatz

    Einmarsch von Rekrutinnen und Rekruten: Die Abordnung des Heeres zieht im Gleichschritt auf den Paradeplatz des Bendlerblocks, um ihr feierliches Gelöbnis zu sprechen. Die Soldatinnen und Soldaten dienen beim Panzerbataillon 104 aus Pfreimd.

    Bundeswehr/Jessica Schlag
  • Pistorius, Breuer und Schulthess-Rechberg schreiten die Front der angetretenen Soldaten ab

    Militärisches Zeremoniell: Generalinspekteur Breuer, Verteidigungsminister Pistorius und Ehrengast Schulthess-Rechberg schreiten die Front der Rekrutinnen und Rekruten der Bundeswehr ab, die am 20. Juli ihr feierliches Gelöbnis leisten

    Bundeswehr/Jörg Carstensen
  • Soldaten stehen auf dem Paradeplatz und legen mit der Hand an der Truppenfahne ihren Eid ab

    Große Ehre: Eine Abordnung von Rekrutinnen und Rekruten leisten stellvertretend für ihre Kameradinnen und Kameraden den Eid auf die Truppenfahne. Sie bekennen sie sich so zu ihrer Verantwortung, Deutschland und seine Werte tapfer zu verteidigen.

    Bundeswehr/Jörg Carstensen

Für Recht und für Freiheit

Generalinspekteur Carsten Breuer spricht zum Abschluss des Gelöbnisses über die große Aufgabe, die die Rekrutinnen und Rekruten übernehmen. „Sie stellen sich bewusst in den Dienst des deutschen Volkes. Sie übernehmen Verantwortung für die Sicherheit unseres Landes“, sagt Breuer. Nicht nur er, sondern alle Menschen in Deutschland seien darauf stolz, so der ranghöchste Soldat Deutschlands. „Mit ihrer Haltung geben sie Halt und werden damit zu einem Vorbild für uns alle.“ 

Die Rekrutinnen und Rekruten sprechen ihr Gelöbnis: Kraftvoll schallt es über den Paradeplatz. „Ich stelle fest, dass sie gelobt haben, dem deutschen Volk treu zu dienen und das Recht und die Freiheit tapfer zu verteidigen“, sagt der Generalinspekteur zufrieden. Die Nationalhymne wird gespielt, die Uniformierten bringen die Schlachtrufe ihrer Verbände aus. Dann dürfen ihre Familien auf den Paradeplatz, um den frisch vereidigten Soldatinnen und Soldaten zu gratulieren. Sie sind nun ein Teil der Bundeswehr.

*Namen zum Schutz der Personen abgekürzt.

von Timo Kather

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