Nachgefragt

„Wir müssen so schnell wie möglich kriegstüchtig sein“

„Wir müssen so schnell wie möglich kriegstüchtig sein“

Datum:
Ort:
Berlin
Lesedauer:
4 MIN

Die sicherheitspolitische Zeitenwende in Deutschland nimmt Konturen an. Die Bundeswehr soll kriegstüchtig gemacht werden, um Herausforderungen in der Landes- und Bündnisverteidigung, aber auch im internationalen Krisenmanagement zu bewältigen. Was dafür erforderlich ist, weiß der Generalinspekteur der Bundeswehr, General Carsten Breuer.

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General Breuer ist seit März ranghöchster Soldat Deutschlands. Wie die Bundeswehr in der sicherheitspolitischen Zeitenwende kriegstüchtig gemacht wird, erörtert er mit „Nachgefragt“-Moderatorin, Frau Hauptmann Janet Watson.

Krieg in der Ukraine, Krieg im Nahen Osten, politische Unruhen in den Staaten der Sahelzone – 2023 war eindeutig ein sicherheitspolitisches Krisenjahr. „Wir müssen im Moment auf viele, viele Schauplätze blicken, um überhaupt ein Gesamtbild zu bekommen“, sagt General Carsten Breuer zu „Nachgefragt“-Moderatorin, Frau Hauptmann Janet Watson.

Breuer ist seit März Generalinspekteur der Bundeswehr und als deren ranghöchster Soldat verantwortlich für den militärischen Schutz Deutschlands. Seine Aufgabe ist es, die Streitkräfte besser aufzustellen – seit dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine vor allem für die Landes- und Bündnisverteidigung. „Putin hat mit seinem Angriff gegen die Ukraine auch ein Zeichen Richtung Europa gesetzt“, sagt der Generalinspekteur. „Er rüstet massiv auf und er hat vor allen Dingen eine Rhetorik gewählt, die sich auch gegen das übrige Europa richtet – und nicht nur gegen die Ukraine. Dem müssen wir etwas entgegensetzen.“

Investitionen in Personal, Material und Mindset

Kanzler Olaf Scholz hat dafür den Begriff der „Zeitenwende“ geprägt. Bundeswehr und Gesellschaft sollen kriegstüchtig gemacht werden, um Russland im Fall der Fälle abzuwehren. „Es wird uns von außen vorgegeben, wann wir kriegstüchtig sein müssen. Und das heißt für mich: eigentlich so schnell wie möglich“, sagt Breuer. Es gehe um materielle und personelle Einsatzbereitschaft – und auch um einen Wandel der Mentalität. „An allen drei Fronten müssen wir arbeiten, in alle drei Bereichen müssen wir hineininvestieren. Und erst dann, wenn alle drei Bereiche zusammenkommen, dann können wir auch sagen: Wir sind kriegstüchtig“, so der General.

Dafür wird viel Geld in die Hand genommen. Mit einem Sondervermögen von 100 Milliarden Euro wird die Bundeswehr modernisiert. Kritikerinnen und Kritiker hatten der Regierung deshalb eine Militarisierung des Landes vorgeworfen. Davon könne keine Rede sein, meint Breuer. „Ein Angriffskrieg, der gegen ein souveränes Land in Europa geführt wird: Das ist eine Militarisierung“, sagt der General mit Blick auf Russland.

Eine Armee für alle Fälle

Die sicherheitspolitischen Entwicklungen der nächsten Jahre könnten noch nicht abgesehen werden. Deshalb seien nun vor allem Agilität und Flexibilität gefordert, so Breuer.  „Wir müssen uns darauf vorbereiten, dass wir uns eigentlich gar nicht richtig vorbereiten können. Sicherheitspolitisch wissen wir nicht, was um die nächste Ecke herumkommt. Aber: Auf genau das müssen wir vorbereitet sein.“

Die Streitkräfte würden strukturell so aufgestellt, dass sie ihre Aufgaben sowohl in der Landes- und Bündnisverteidigung als auch im internationalen Krisenmanagement erfüllen könnten. „Wir sagen immer dazu: one single set of forces. Das heißt, wir müssen Streitkräfte haben, die aus Einem heraus alle Anforderungen dann auch erfüllen können.“

Ohne die Bündnispartner in der NATO gehe dabei nichts, so der Generalinspekteur. Zudem brauche es gesellschaftlichen Rückhalt für die Bundeswehr. „Erst aus diesem Zusammenschluss – sowohl Bündnis als auch Gesellschaft zusammen mit den Streitkräften –, erst daraus wird ein tragfähiges Fundament, mit dem wir dann auch eine Verteidigung für Deutschland wirklich gut machen können“, so Breuer weiter.

Heeres-Großübung in Deutschland 2024

Ein konkretes Beispiel für die Zeitenwende ist die Stationierung einer Brigade der Bundeswehr in Litauen, um mehr Abschreckungspotenzial gegenüber Russland zu entfalten. Eine entsprechende Roadmap soll in Kürze gezeichnet werden. „Dann haben wir sowohl für die litauischen Streitkräfte als auch für uns in der Bundeswehr eine klare Wegmarke, eine klare rechte und linke Grenze, in denen wir dann die Brigade auch aufbauen können“, sagt Breuer. Nun gehe es darum, Bundeswehrangehörige durch attraktive Rahmenbedingungen für einen Umzug nach Litauen zu gewinnen.

Daneben wird die Bundeswehr im nächsten Jahr auch wieder Ausrichter einer Großübung mit den NATO-Verbündeten sein. „Quadriga 24 ist die größte Übung deutscher Landstreitkräfte, die wir seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine hier auch erleben. Sie wird eingebettet sein in eine NATO-Übung“, sagt Breuer. Rund 12.000 Soldatinnen und Soldaten werden in Deutschland die territoriale Verteidigung üben.

von Timo Kather

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