Nachgefragt

„Werden wahrscheinlich nie alles an Infrastruktur schützen können“

„Werden wahrscheinlich nie alles an Infrastruktur schützen können“

Datum:
Ort:
Berlin
Lesedauer:
4 MIN

Datenkabel und Energieleitungen sind zentral für das Funktionieren moderner Gesellschaften. Häufig sind diese kritischen Infrastrukturen am Meeresboden verlegt und nur schwer zu schützen. Fregattenkapitän Göran Swistek ist Experte für maritime Sicherheit. Er erklärt, welche Folgen Sabotage-Aktionen haben können und wie ihnen vorgebeugt werden kann.

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Fregattenkapitän Göran Swistek ist Experte für maritime Sicherheit bei der Stiftung Wissenschaft und Politik. Mit „Nachgefragt“-Moderatorin, Frau Major Caroline Grosse, spricht er über den Schutz kritischer Infrastrukturen am Meeresboden.

In den letzten Jahren nimmt das, was wir an Infrastruktur im maritimen Raum haben, immer mehr zu. Wir haben Pipelines, wir haben Datenkabel, wir haben Offshore-Windparks, wir haben Plattformen, die Erdöl und Erdgas fördern“, sagt Fregattenkapitän Göran Swistek zur neuen „Nachgefragt“-Moderatorin, Frau Major Caroline Grosse. Bald werde es auch noch CO2Kohlendioxid-Speicher auf dem Meeresboden geben, so der Marineoffizier. „Nicht alles davon ist vielleicht kritisch. Aber da, wo ich Staaten schaden kann, wird es vielleicht kritisch.“

Der Anschlag auf die Nord-Stream-2-Pipelines in der Ostsee im September hat gezeigt, wie gefährdet Infrastrukturen insbesondere am Meeresboden sind. Noch immer gebe es keine klare Beweislage, wer hinter der Sabotage der Gasleitungen stecke, so Swistek. Als Experte für maritime Sicherheit der Stiftung Wissenschaft und Politik berät der Fregattenkapitän Wissenschaft, Politik und Medien. „Die Berichte, die wir in den letzten Wochen immer wieder gesehen haben, deuten natürlich darauf hin, dass es eine wirklich komplexe Aktion gewesen ist, dieser Sabotageakt. Und der wahrscheinlich auch nur von einem staatlichen Akteur so durchgeführt werden konnte.“

Es brauche mehr als nur ein U-Boot und einige Taucher, um eine solche Operation durchzuführen, so Swistek. Mehrere Staaten hätten sich in den letzten Jahren auf den Ausbau ihrer unterseeischen Fähigkeiten fokussiert: Die USA und China, Deutschland und Israel – aber auch Russland, das in der Ukraine Krieg führt. „Wir haben in den letzten zehn Jahren in Russland gesehen, dass man einen sehr starken Forschungsschwerpunkt gesetzt hat auf den Unterwasserbereich.“

Norwegische Datenkabel wurden sabotiert

Auch an unterseeischen Internet-Datenkabeln würden mittlerweile „pro Jahr mehrere Zwischenfälle“ registriert, so Swistek. „Die meisten waren in der Vergangenheit darauf zurückzuführen, dass Anker oder Schleppnetzfischer über diese Kabel gefahren sind und die dann versehentlich zerstört haben.“ Nun werde aber ein wachsender Anteil an Zerstörungen festgestellt, der nicht mehr auf Unachtsamkeit zurückgeführt werden könnten. „Norwegen zum Beispiel ist bereits in den letzten Jahren wiederholt Ziel von gesteuerten Sabotageakten an solchen Unterwasserkabeln und Sensoren geworden.“

Der Schutz von kritischen Infrastrukturen am Meeresboden sei nicht nur wegen des Aufwands zu ihrer Überwachung schwierig, so Swistek. So sei in staatlichen Hoheitsgewässern und in der ausschließlichen Wirtschaftszone eines Landes – diese reicht von der Küste bis zu 200 Seemeilen in das Meer hinaus – eigentlich die Polizei für die Sicherheit zuständig. Die Marine könne nur zeitweise im Rahmen der Amtshilfe tätig werden, um Infrastrukturen zu schützen. „Die Streitkräfte, die Marine, hat eigentlich gar keinen Auftrag zum Schutz der kritischen Infrastruktur.“

Ostsee ist kaum komplett zu überwachen

Die Ostsee zum Beispiel, in der sich der Nord-Stream-2-Anschlag ereignete, sei ein relativ kleines Binnenmeer – aber dennoch zu groß für eine ständige Überwachung. „Wir haben in den dänischen, aber auch deutschen Gewässern immer mehr Windparks, die dort entstehen. Diese alle zu überwachen, ist gar nicht möglich von einer staatlichen Seite“, so Swistek. Zwar hätten die Betreiber der kritischen Infrastrukturen eine gewisse Schutzverantwortung, seien aber gerade gegen gezielte Sabotage weitgehend hilflos. „Das heißt in der Summe: Nein, wir werden wahrscheinlich nie einen Zustand erreichen können, in dem wir alles das, was an Infrastruktur existiert, schützen können.“

Man müsse sich stattdessen auf den Schutz jener Bereiche konzentrieren, deren Ausfall einem Staat und seinen Menschen Schaden zufügen könnte. „Ein Datenkabel, eine Pipeline, ein Windpark wird dem Staat nicht nachhaltig schaden. Da aber, wo ich mehr Infrastruktur habe – wo ich mehr Infrastruktur auch gleichzeitig kaputt machen könnte – da können Kaskadeneffekte entstehen, sodass ich einem Land, einem Staat, einer Gesellschaft Schaden zufügen kann.“

Deshalb erforsche die Bundeswehr Mittel und Wege, um insbesondere Zusammenballungen an kritischen Infrastrukturen am Meeresboden zu überwachen. „Anstoß für diese Entwicklung ist natürlich, dass wir die zunehmende maritime Infrastruktur mit den Ressourcen, die wir derzeit haben, gar nicht umfassend abdecken und schützen können. Uns fehlt ja auch allein schon das Lagebild.“ Um dieses Lagebild zumindest zeitweise zu haben, werde zum Beispiel über den Einsatz von Sensoren, von Drohnen und von unbemannten U-Booten nachgedacht, so der Experte für maritime Sicherheit. 

von Timo Kather

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