Nachgefragt

„Im Roten Meer erwarten wir einen schweren Waffengang“

„Im Roten Meer erwarten wir einen schweren Waffengang“

Datum:
Ort:
Berlin
Lesedauer:
4 MIN

Die Huthi-Miliz aus Jemen greift seit Ausbruch des Gaza-Krieges Schiffe im Roten Meer an, um den internationalen Seehandel zu stören. Die USA und Großbritannien haben Kriegsschiffe entsandt. Nun will die Europäische Union nachziehen – unter anderem mit der Fregatte „Hessen“ aus Deutschland. Worauf muss sich die Besatzung einstellen?

Passen Sie jetzt Ihre Datenschutzeinstellungen an, um dieses Video zu sehen

Vizeadmiral Jan Christian Kaack ist Inspekteur der Marine der Bundeswehr. Er spricht mit Frau Hauptmann Maria Schönemann von „Nachgefragt“ über einen möglichen EUEuropäische Union-Militäreinsatz im Roten Meer, um Handelsschiffe vor Huthi-Angriffen zu schützen.

Deutschland und die Bundeswehr stehen möglicherweise vor einem Militäreinsatz im Roten Meer. Die Europäische Union plant die Entsendung eines Schiffsverbandes in die Wasserstraße, über welche große Anteile des Welthandels abgewickelt werden. „Die deutsche Marine steht bereit, sich an der EUEuropäische Union-Operation Aspides zum Schutz der Handelsschifffahrt im Roten Meer zu beteiligen“, sagt Vizeadmiral Jan Christian Kaack, der Inspekteur der Marine.

Zunächst aber müsse der geplante Einsatz durch den Bundestag mandatiert werden, so Kaack im „Nachgefragt“-Gespräch mit Frau Hauptmann Maria Schönemann. „Dies erwarten wir nach jetziger Sicht nach dem Abschluss der Verhandlungen zur EUEuropäische Union-Operation etwa Ende Februar. Unser Beitrag wird dann bereits im Seegebiet stehen.“

Man müsse davon ausgehen, dass der Einsatz im Roten Meer ein „scharfer Waffengang“ werde, sagt Kaack. „Nach allem, was man dort sieht, kommt hier nur ein Schiff in Frage, das sich durchsetzen kann von seiner Bewaffnung her. Und dessen Besatzung zu 100 Prozent ausgebildet ist, um mit dieser Bedrohung umgehen zu können.“

Goldstandard „Hessen“

Aller Voraussicht nach wird dieser Beitrag Deutschlands in der Entsendung der Fregatte „Hessen“ bestehen. Sie ist wie ihre Schwesterschiffe „Sachsen“ und „Hamburg“ für den Schutz von Schiffskonvois und die Kontrolle großer Seegebiete ausgelegt. „Sie ist unser Goldstandard, wenn ich das so sagen darf“, so der Vizeadmiral. Sowohl ihre Radaranlagen als auch ihre Bewaffnung seien für einen derartigen Einsatz optimiert.

„Sie hat Radaranlagen an Bord, die etwa 400 Kilometer Reichweite haben und damit auch kleinste Kontakte aufnehmen können“, sagt der Marine-Inspekteur über die Fregatte. Zudem verfüge sie über eine Reihe verschiedener Waffen, um zivile Handelsschiffe zu schützen. „Sie kann sich neben ein Handelsschiff stellen, sodass alles, was anfliegt, quasi von der Fregatte ausmanövert wird und mit Rohrwaffen oder dem Flugkörper Rolling Airframe Missile auf bis zu zehn Kilometer bekämpft werden kann.“ Müssten mehrere Schiffe auf einmal geschützt werden, könne die „Hessen“ ESSMEvolved Sea Sparrow Missile-Geschosse mit einer Reichweite von bis zu 50 Kilometern einsetzen – oder auf die Standard Missile 2 mit einer Reichweite von etwa 160 Kilometern zurückgreifen.  

Schutz der Handelsschifffahrt als Ziel

Ziel des EUEuropäische Union-Militäreinsatzes sei es, die internationale Handelsschifffahrt im Roten Meer und im Golf von Aden zu schützen. Seit Ausbruch des Gaza-Krieges attackiert die islamistische Huthi-Miliz aus dem Jemen sowohl Handels- als auch Kriegsschiffe, die auf dem Weg zum Suezkanal oder ins Arabische Meer sind. „Deutschland und Europa sind absolut abhängig von sicheren Seewegen“, stellt Vizeadmiral Kaack fest. „90 Prozent des Handels gehen über die Seewege. Das Rote Meer und der Suezkanal ist die zweitwichtigste Wasserstraße der Welt.“

Welche Folgen eine Sperrung des Suezkanals für die Weltwirtschaft haben könne, habe man vor drei Jahren bei der Havarie des Containerschiffes „Ever Given“ gesehen, so Kaack – Teile der Industrie seien damals völlig lahmgelegt worden. Und auch jetzt hätten die Huthi-Angriffe schon Auswirkungen auf Europa: „Tesla hat seine Produktion hier im deutschen Werk einstellen müssen, weil die Lieferketten eben nicht mehr funktionieren“, sagt der Vizeadmiral. Viele Schiffe nehmen inzwischen einen mehrere tausend Kilometer langen Umweg um das Kap der guten Hoffnung in Kauf, um dem Risiko eines Huthi-Angriffs zu entgehen.

Geplant sei, dass sich die Marine für einige Monate an dem Militäreinsatz im Roten Meer beteilige, so der Vizeadmiral.  „Und wir stehen bereit, auch im zweiten Halbjahr für einen gewissen Zeitraum auch einen Beitrag zu leisten. Aber ich betone noch einmal: Im Roten Meer erwarten wir einen schweren Waffengang. Dort können wir nur die besten Einheiten schicken, davon haben wir nur drei. Insofern müssen wir auch ein bisschen haushalten mit unseren Kräften.“

von Timo Kather

Weitere Folgen