Nachgefragt

Bundeswehr-General: „Die Zeit darf nicht Putins Verbündeter sein“

Bundeswehr-General: „Die Zeit darf nicht Putins Verbündeter sein“

Datum:
Ort:
Berlin
Lesedauer:
4 MIN

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Russland versucht seit dem 24. Februar 2022, die Ukraine zu erobern. Der Krieg entwickelte sich schnell zu einem der blutigsten Konflikte in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg. Brigadegeneral Dr. Christian Freuding leitet den Sonderstab Ukraine im Verteidigungsministerium – und zieht für „Nachgefragt“ eine Zwischenbilanz.

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Vor einem Jahr überfiel Russland die Ukraine. Zehntausende Menschen starben bei den Kämpfen, Millionen mussten flüchten. Der Leiter des Sonderstabes Ukraine im Verteidigungsministerium zieht Bilanz und gibt einen Ausblick auf das nächste Kriegsjahr.

„Ich glaube, weder die russische Seite noch die ukrainische Seite – und wir auch nicht – haben damit gerechnet, dass dieser Krieg über ein Jahr dauern wird“, sagt Freuding am Jahrestag des russischen Überfalls auf die Ukraine. Und doch ist es geschehen: Seit der Nacht vom 23. auf den 24. Februar letzten Jahres wird gekämpft. Mehrere Zehntausend, wenn nicht sogar Hunderttausende Menschen sollen in diesem Kriegsjahr in der Ukraine umgekommen sein. Millionen Menschen sind auf der Flucht. Ein Ende ist nicht in Sicht.

Kurz nach dem russischen Angriff ging „Nachgefragt“ auf Sendung, um die deutschen Bürgerinnen und Bürger über die Entwicklungen in der Ukraine auf dem Laufenden zu halten. Wiederholt zu Gast war Brigadegeneral Freuding, der das Geschehen als Leiter des Sonderstabes Ukraine im Verteidigungsministerium beobachtet. Seine Einschätzung: „Wir sehen derzeit eine Lage, die davon gekennzeichnet ist, dass die russischen Streitkräfte die Initiative wiedergewinnen wollen“, so Freuding zu „Nachgefragt“-Moderatorin, Frau Hauptmann Janet Watson.  Dies gelte besonders im Raum Bachmut, wo in den letzten Wochen und Monaten Tausende Soldaten und Soldatinnen fielen. „Wir sehen aber auch an anderen Stellen, dass sie versuchen, Material und Personal zusammenzuziehen. Dass sie versuchen, auch die ukrainische Front zu testen an verschiedenen Stellen.“

Derzeit sei aber noch nicht zu sehen, dass Russland seine Offensivbemühungen zusammenhängend führe. Eine Großoffensive über die gesamte Länge der Front sei unwahrscheinlich: Die russischen Streitkräfte seien weder personell, materiell noch strukturell dazu in der Lage. Die Frontlinie ist rund 1.200 Kilometer lang. 

Ukrainische Streitkräfte stehen besser da als zu Kriegsbeginn

Beide Seiten seien bestrebt, ihre Ressourcen an Menschen, Waffen und Munition für dieses Kriegsjahr aufzufrischen. „Im Moment ist es ein Ringen um die bessere Ausgangsposition für das Frühjahr und den Sommer 2023.“ Verglichen mit der Situation zu Kriegsbeginn stünden die ukrainischen Verteidiger heute aber wesentlich besser da als vor Jahresfrist, so der Brigadegeneral. Der erste Vorstoß der Russen auf Kiew sei noch mit mehr oder weniger improvisierten Mitteln gestoppt worden. „Davon kann heute keine Rede mehr sein. Die ukrainischen Streitkräfte sind organisiert, sie sind gut strukturiert, sie sind in der Lage, die westlichen Waffensysteme, die ihnen zur Verfügung gestellt werden, in ihre Streitkräfte aufzunehmen.“ 

In den nächsten Monaten müsse die Ukraine das Heft des Handelns wieder in ihre Hand bekommen. „Es wird darauf ankommen, örtliche Überlegenheiten zu schaffen, erfolgreich Gebiete zurückzugewinnen, zu befreien. Es wird darauf ankommen, gewissermaßen mit einem ‚Charkiw Zwo‘ die russischen Streitkräfte davon zu überzeugen, dass sie diesen Krieg nicht gewinnen können.“ Die zweitgrößte Stadt der Ukraine zu erobern, war ein erstes Ziel der russischen Streitkräfte. Im Mai 2022 gelang es aber den Ukrainern, die Schlacht um Charkiw für sich zu entscheiden.

Ein langer Atem wird gebraucht

Erklärtes Kriegsziel der Ukraine ist es, die von Russland annektierten Gebiete im Süden und Osten des Landes zu befreien und die russischen Invasoren aus der Ukraine zu vertreiben. Das werde „extrem schwierig“, so Brigadegeneral Freuding. Die ukrainischen Streitkräfte hätten aber sowohl in Charkiw als auch in Cherson bewiesen, dass sie dazu in der Lage seien. „Und dann müssen wir auch die Zeit zu unserem Verbündeten machen. Die Zeit darf nicht Putins Verbündeter sein, sondern mit langem Atem muss sie unser Verbündeter, muss sie der Verbündete der Ukraine werden. Und dann ist vieles möglich.“

Die westlichen Verbündeten der Ukraine sollten sich auf eine lange Unterstützung des Landes einrichten. „Für uns im Westen wird es darauf ankommen, den langen Atem zu bewahren“, so Freuding. Er sei davon überzeugt, dass auch der Ukrainekrieg am Verhandlungstisch enden werde, sagt der Leiter des Sonderstabes Ukraine im Verteidigungsministerium. „Und das Ziel unserer Unterstützungsleistungen muss sein, den Ukrainern zu einer möglichst guten Position an diesem Verhandlungstisch zu verhelfen.“ 

von Timo Kather

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