
Mondlandung mit der Bundeswehr
Das Internationale Hubschrauberausbildungszentrum der Bundeswehr unterstützt die Astronautenausbildung der Europäischen Weltraumagentur ESAEuropean Space Agency.
Alexander Gerst und Matthias Maurer sind seit vielen Jahren Mitglieder im Astronautenkorps der Europäischen Weltraumagentur ESAEuropean Space Agency. Beide flogen bereits zur Internationalen Raumstation und verbrachten viele Monate im All. Nun bereiten sie sich auch mit Unterstützung der Bundeswehr auf das ultimative Abenteuer vor: eine mögliche Landung auf dem Mond.
Herr Gerst, Herr Maurer, sie trainieren am Internationalen Hubschrauberausbildungszentrum der Bundeswehr, wie man eine Mondfähre landet. Wie läuft es?
Gerst: Obwohl wir beide Erfahrung im Fliegen von Flugzeugen haben, starteten wir beim Helikopterfliegen vor drei Wochen fast von null. Seitdem sind wir jeden Tag geflogen – erst im Simulator, dann mit einem echten Hubschrauber. Es ist ein bisschen wie in der Fahrschule: Erst prasselt alles auf dich ein, dann geht dir das Ganze in Fleisch und Blut über. Am Ende denkt man kaum noch darüber nach, was man da eigentlich genau macht. Heute bin ich zum Beispiel auf wenige Zentimeter genau im Gebirge gelandet. Das hätte ich in so kurzer Zeit nicht für möglich gehalten.
Maurer: Am Anfang war ich froh, die Maschine überhaupt in die Luft und wieder auf den Boden gekriegt zu haben. Die Helikopterflüge sind intensiv, aber es wird mit jedem Mal besser. Dank unserer Fluglehrer machen wir große Fortschritte.
Kann man einen EC-135-Schulungshubschrauber der Bundeswehr mit einer Mondlandefähre vergleichen?
Gerst: Ein Hubschrauber ist genau wie eine Mondlandefähre ein potenziell gefährliches Gerät mit einer komplexen technischen Umgebung. Es geht um Kommunikation, um Navigation und um Teamarbeit – und darum, unsere Erfahrungen aus dem Training auf die technische Umgebung der Fähre zu übertragen.
Maurer: Natürlich können wir die Situation im All schon wegen der Schwerelosigkeit nicht eins zu eins abbilden. Es geht darum, möglichst viele Erfahrungen über vertikale Landeverfahren zu sammeln, um im entscheidenden Moment instinktiv richtig zu agieren.
Wie kam die Zusammenarbeit zwischen der ESAEuropean Space Agency und dem Hubschrauberausbildungszentrum zustande?
Gerst: Die NASANational Aeronautics and Space Administration setzt schon länger auf Hubschrauber, um ihre Astronauten auf vertikale Landungen vorzubereiten. Da haben wir uns gefragt: Warum machen wir das in Europa nicht auch? Wir wussten, dass die Bundeswehr an ihrem Hubschrauberzentrum international ausbildet. Also haben wir über den ehemaligen Astronauten und Brigadegeneral a. D.außer Dienst Thomas Reiter angefragt, ob eine Zusammenarbeit möglich wäre. Das positive Echo hat uns selbst überrascht. Dass die Bundeswehr und die ESAEuropean Space Agency nun kooperieren, ist großartig. Schließlich geht es um das Selbstverständnis Europas, Astronautinnen und Astronauten selbst auszubilden und ins All zu schicken.
Maurer: Wir machen uns in Europa oft noch kleiner, als wir eigentlich sind. Wir von der ESAEuropean Space Agency wollen in Zukunft auf Augenhöhe mit den anderen Weltraumagenturen agieren. Dafür brauchen wir einen engen Kreis intensiver Partnerschaften. So kooperiert die ESAEuropean Space Agency mit dem Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrum, mit der Bundeswehr standen wir bisher vor allem im Bereich der Flugmedizin in Kontakt. Die zivile und die militärische Raumfahrt wachsen zusammen, und beide Seiten profitieren von der Zusammenarbeit.
Was hat sich die Bundeswehr für Sie einfallen lassen?
Gerst: Unser Ziel war es, ein zur NASANational Aeronautics and Space Administration-Ausbildung vergleichbares Training mit den gleichen Standards zu etablieren. Wir hatten aber nicht mit dem Einfallsreichtum der Bundeswehr gerechnet. So wurde für das Training am Simulator eine virtuelle Mondumgebung nachgebaut: alles in Grau, Krater, Gesteinsbrocken, Staub. Das gibt es woanders nicht, soweit ich weiß. Dafür weiß ich aus sicherer Quelle, dass der eine oder andere Kollege von der anderen Seite des Atlantiks neidisch auf das blickt, was wir hier aufgestellt haben.
Was erwartet den Piloten einer Mondfähre bei der Landung?
Maurer: Auf dem Mond gibt es keine Atmosphäre, durch die Wechselwirkung mit dem Licht ist die Sicht eine andere. Es gibt keine harten Konturen, das macht das Einschätzen von Entfernungen und Höhen schwierig. Auch der Untergrund ist eine Herausforderung: Es gibt auf dem Mond keine Stelle, die für eine Landung vorbereitet wurde. Hinzu kommt der Mondstaub, der beim Landen aufwirbelt. Zudem reicht der Treibstoff nur für einen Anflug. Wir haben genau einen Versuch – und müssen abschätzen können, ob er erfolgreich sein kann oder nicht.
Warum ist es für die Menschheit so wichtig, den Mond zu erobern?
Gerst: Der Weltraum ist die nächste Grenze. Er ist nur 100 Kilometer von uns entfernt – das ist weniger als die Strecke von Dresden nach Leipzig. Und der Mond liegt nur drei Reisetage von der Erde entfernt. Um zu verstehen, wie das Universum funktioniert, müssen wir dahin. Dieses Verständnis brauchen wir auch, um die Erde vor Gefahren aus dem All zu schützen – zum Beispiel vor Meteoriteneinschlägen. Vor 100 Jahren hatten wir auf der Erde eine ganz ähnliche Situation mit der Antarktis. Und so, wie es heute viele Forschungsstationen in der Antarktis gibt, wird es in ein paar Jahrzehnten auch Forschungsstationen auf dem Mond geben.
Sie begeben sich als Astronauten ganz bewusst in Lebensgefahr. Wie gehen Sie damit um?
Maurer: Man weiß um die Gefahren und kennt das Risiko. Es geht darum, schwierige Situationen richtig einzuschätzen und auf die Kollegen und die Systeme zu vertrauen. Das Bauchgefühl steht einem dabei manchmal im Weg. Also müssen die Instinkte konditioniert werden. Man muss sich bewusst sein, dass in der Raumfahrt vieles nur Kopfkino ist. Wenn man dieses Bewusstsein schärft, fühlt man sich auch sicher.
Welche Botschaft haben Sie für Ihre Mitmenschen, die wohl nie ins All fliegen werden?
Gerst: Ich möchte den Menschen vermitteln, dass wir am Anfang einer neuen Ära stehen: Dem Weltraumzeitalter. Von jetzt an werden immer mehr Menschen in den Weltraum reisen, und das aus vielen unterschiedlichen Gründen. Die jetzige Zeit wird für die Menschheit in einigen Jahrhunderten genauso bedeutsam erscheinen wie jene, als der erste Fisch den Ozean verließ und die Entstehung unserer Spezies ermöglicht hat. Aus der Weltraumperspektive betrachtet ist die Erde lediglich eine Steinkugel mit einer zerbrechlichen Lufthülle und unendlich viel schwarzer Leere drumherum. Das unterstreicht die Verantwortung, die wir Menschen für unser einzigartiges Raumschiff Erde und alle Generationen haben, die nach uns kommen. Es ist die Entscheidung eines jeden von uns, ob wir nur zu den Passagieren des Raumschiffs Erde gehören wollen oder zur Crew.
Maurer: Wir möchten zeigen, was die Menschheit erreichen kann, wenn sie zusammenhält. Als ich auf der ISS war, habe ich den Ausbruch des Ukrainekrieges vom All mitverfolgt. Europa war hell erleuchtet, und mittendrin lag ein großes Land komplett im Dunkeln: die Ukraine. Das war ein sehr trauriger Moment. Wenn man von oben herabschaut, wird einem klar: Wir sitzen alle zusammen in einem Boot. Also lasst uns unsere Herausforderungen auch gemeinsam angehen.
Das Internationale Hubschrauberausbildungszentrum der Bundeswehr unterstützt die Astronautenausbildung der Europäischen Weltraumagentur ESAEuropean Space Agency.