Der Verfassung verpflichtet: Kein Platz für Extremismus
Alle Angehörigen der Bundeswehr verpflichten sich mit ihrem Gelöbnis oder ihrem Eid dem Grundgesetz und den Grundwerten der Bundesrepublik Deutschland. Dieser Wertekanon bestimmt auch das Verhalten im Dienst, denn die Bundeswehr duldet keine Extremistinnen und Extremisten in ihren Reihen.

Bestandsaufnahme
Die Bundeswehr versucht zu verhindern, dass Extremistinnen und Extremisten überhaupt ihren Weg in die Truppe finden können. Glückt ihr das im Einzelfall nicht, geht sie entschieden gegen die Betreffenden vor. Aber auch präventiv ist die Bundeswehr tätig: Mit politischer Bildung beispielsweise tritt sie extremistischem Gedankengut entgegen. Denn jeder Soldat und jede Soldatin der Bundeswehr soll nicht „nur“ Uniformträger oder -trägerin sein, sondern ein mündiger, gut informierter Staatsbürger in Uniform.
Freiheit, Gleichheit, Demokratie, Menschenwürde und Rechtsstaatlichkeit: Die Grundprinzipien des Zusammenlebens in der Bundesrepublik Deutschland sind im Grundgesetz festgelegt. Sie sind der gemeinsame Nenner, der für alle Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik gilt. Dieses System aus Normen und Regeln wird als freiheitliche demokratische Grundordnung (FDGOfreiheitliche demokratische Grundordnung) bezeichnet – wer sie ablehnt, stellt sich selbst ins Abseits. Wer sogar aktiv auf eine Beseitigung der FDGOfreiheitliche demokratische Grundordnung hinarbeitet, muss mit einer Beobachtung durch den Verfassungsschutz und Ermittlungen durch Polizei und Justiz rechnen.
Das Verteidigungsministerium hat Extremistinnen und Extremisten in den Streitkräften den Kampf angesagt. Doch was ist mit Extremismus gemeint? Wie groß ist die Herausforderung? Und wie will die Bundeswehr sie bewältigen?
Die Verfassungsschutzbehörden unterscheiden zwischen Extremismus und Radikalismus. Während Extremistinnen und Extremisten auf eine Beseitigung der FDGOfreiheitliche demokratische Grundordnung hinarbeiten, streben Radikale drastische Änderungen innerhalb des bestehenden Systems an. Radikale verzichten für gewöhnlich auf Gewalt, bei Extremistinnen und Extremisten ist dies nicht immer so. „Wer Gewalt zur Durchsetzung politischer Ziele einsetzt, ist ein Extremist; aber nicht jeder, der keine Gewalt anwendet, muss ein Anhänger des demokratischen Verfassungsstaates sein“, schreibt die Bundeszentrale für politische Bildung (BPB). Während Radikale sich am äußeren Rand, aber noch innerhalb des demokratischen Spektrums bewegen, stehen extremistische Personen außerhalb davon.
Extremismen gibt es viele: Rechtsextremismus, Linksextremismus und der religiöse Extremismus, der sich in den letzten Jahren vor allem als Islamismus zeigte. „Alle drei Extremismen lehnen die westliche Demokratie ab“, so die BPB. Ebenfalls im Fokus des Verfassungsschutzes steht der Ausländerextremismus: Davon spricht man, wenn in Deutschland ansässige Menschen extremistische Organisationen aus dem Ausland unterstützen. Ein besonderer Fall sind die Reichsbürger, die der Bundesrepublik Deutschland und ihren Institutionen jede staatliche Legitimation absprechen. In dieser Szene sind die Übergänge zwischen Radikalismus und Extremismus fließend. Etwas mehr als fünf Prozent der rund 26.000 Reichsbürger in Deutschland gelten als rechtsextrem (Stand: 2024). Menschen, die sich logistisch auf Katastrophen vorbereiten, die sogenannten Prepper, verfolgen dagegen meist keine extremistischen Ziele. Aber auch hier gibt es Ausnahmen.
Seit 2021 beobachtet das Bundesamt für Verfassungsschutz zudem den Phänomenbereich „Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“. Die dort geführten Personen lassen sich nicht ohne Weiteres unter die bereits genannten Extremismen subsumieren, obwohl partiell Überschneidungen vorkommen – etwa mit Rechtsextremen oder Reichsbürgern. Dieser Personenkreis wurde erstmals mit den staatlichen Einschränkungen während der Coronapandemie auffällig und verlagerte sein Protestgeschehen nach der Aufhebung der Maßnahmen auf andere Bereiche. Beispiele dafür sind unter anderem verfassungsrechtlich relevante Sympathiebekundungen für Russland in einem antiwestlichen, besonders häufig antiamerikanischen Zusammenhang.
Der Verfassungsschutz registrierte im Jahr 2024 57.701 Straftaten mit extremistischem Hintergrund. Diese Zahl markiert einen neuen Höchststand, im Vorjahr waren es noch rund 18.268 Delikte weniger. Die Bandbreite reicht von Propagandadelikten über die Mitgliedschaft in verbotenen Organisationen bis hin zu Terroranschlägen und versuchten oder vollendeten Tötungsdelikten.
Rechtsextremisten und -extremistinnen zeichneten sich für den größten Anteil an den extremistischen Taten verantwortlich, wobei hier vor allem Propagandadelikte dominieren. Der rechten Szene wurden 37.835 Delikte zugeschrieben. 5.857 Taten gingen auf das Konto von Linksextremisten und -extremistinnen. Reichsbürger verübten 774 Taten, religiöse Extremisten und Extremistinnen waren für 1.694 Straftaten verantwortlich – der größte Teil hatte dabei einen islamistischen Hintergrund. 4.534 Straftaten entfielen auf den Ausländerextremismus, 7.781 Taten konnten keiner bestimmten Tätergruppe zugeordnet werden.
Rechtsextremistische Personen sind auch in puncto Gewalt am auffälligsten: 2024 schlugen oder stachen sie rund 1.281 Mal zu, die Ermittlungsbehörden registrierten dabei sechs versuchte Tötungsdelikte. 532 Gewalttaten wurden dem linksextremistischen Spektrum zugeordnet und richteten sich zumeist gegen Rechtsextremisten und -extremistinnen. Aus religiös geprägtem Extremismus erwuchsen 2024 in Deutschland 71 Gewalttaten, darunter zwei vollendete und drei versuchte Tötungsdelikte. Ausländerextremisten verübten 607 Gewalttaten. Auffällig ist nach Angaben des Verfassungsschutzes nach wie vor der Anstieg religiös und antisemitisch motivierter Straftaten seit dem Überfall der Hamas auf Israel im Oktober 2023 und der militärischen Reaktion Israels.
Die Bundeswehr verteidigt die territoriale Integrität Deutschlands und die FDGOfreiheitliche demokratische Grundordnung. Jede Soldatin und jeder Soldat gelobt, die Bundesrepublik Deutschland und ihre Werte tapfer zu verteidigen. Die Uniformierten unterliegen zudem der Treuepflicht nach Paragraf 8 des Soldatengesetzes. Dort heißt es: „Der Soldat muss die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes anerkennen und durch sein gesamtes Verhalten für ihre Erhaltung eintreten.“ Melden Soldatinnen und Soldaten mutmaßlich extremistische Umtriebe ihrer Kameraden und Kameradinnen nicht, kann dies eine Pflichtverletzung sein und disziplinare Konsequenzen haben.
Die Staatsbürger in Uniform stehen also in einer besonderen Verantwortung. Sie unterliegen schärferen Regeln als Durchschnittsbürgerinnen und -bürger. Das ist auch deshalb so, weil die Bundeswehr aufgrund der Vergangenheit der deutschen Streitkräfte von Teilen der Gesellschaft und der Politik besonders kritisch beobachtet wird. Umso schwerer wiegt jeder Fall, bei dem mutmaßlich extremistische Umtriebe von Bundeswehrangehörigen bekannt werden. Einer dieser Fälle war der eines Angehörigen des Kommandos Spezialkräfte, auf dessen Privatgrundstück im Jahr 2020 Waffen und Sprengstoff gefunden wurden. Ein anderer Soldat gab sich unter anderem als Kriegsflüchtling aus und hortete Munition. Der ehemalige Offizier wurde 2022 unter anderem wegen Planung einer schweren staatsgefährdenden Straftat zu fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt.
Das Verteidigungsministerium und die Bundeswehr verfolgen gegenüber Extremistinnen und Extremisten jeder Art eine Null-Toleranz-Politik. Gerät eine Soldatin oder ein Soldat auch nur in den Verdacht einer extremistischen Betätigung, werden Ermittlungen aufgenommen. Die Uniformierten werden im Rahmen ihrer politischen Bildung auf die möglichen Konsequenzen hingewiesen.
Die Bekämpfung des Rechtsextremismus steht im Zentrum der Anstrengungen von Ministerium und Truppe. Er stellt schon rein zahlenmäßig die größte Herausforderung in der Bundeswehr dar. Das Bundesamt für den Militärischen Abschirmdienst (BAMADBundesamt für den Militärischen Abschirmdienst) ist deshalb in den vergangenen Jahren personell verstärkt worden, um etwaige rechtsextreme Netzwerke aufzudecken und zu zerschlagen. Auch gegen sonstige extremistische Personen wird rigoros vorgegangen. Wichtig ist in jedem Fall die gründliche Prüfung von Bewerberinnen und Bewerbern vor dem Diensteintritt. Diese präventiven Maßnahmen zeigen Wirkung: Im Berichtsjahr 2024 sind 132 Personen bereits im Zuge des Bewerbe- und Auswahlverfahrens wegen Zweifeln an ihrer Verfassungstreue abgelehnt worden. Durch die konsequente Anwendung der Soldateneinstellungsüberprüfung wurden im Berichtszeitraum außerdem 56 Personen die Teilnahme an der umfassenden Waffenausbildung verweigert.
Erkannte Extremistinnen und Extremisten werden gemäß den gesetzlichen Möglichkeiten aus dem Dienst entfernt. Im Berichtsjahr wurde elf Tarifbeschäftigten das Arbeitsverhältnis aufgrund extremistischer Verfehlungen gekündigt. Zudem wurde ein Beamter entlassen. Im Berichtsjahr wurden ferner insgesamt 68 Soldatinnen und Soldaten aufgrund extremistischer Verfehlungen entlassen. Dies betraf 54 Mannschaftsdienstgrade, 13 Unteroffiziere und Unteroffizierinnen sowie eine Person aus der Laufbahn der Offiziere beziehungsweise Offizierinnen.
Seit Ende Dezember 2023 steht mit dem „Gesetz zur Beschleunigung der Entfernung von verfassungsfeindlichen Soldatinnen und Soldaten aus der Bundeswehr sowie zur Änderung weiterer soldatenrechtlicher Vorschriften“ ein neues Werkzeug zur Bekämpfung des Extremismus in den eigenen Reihen zur Verfügung. Demnach können Soldatinnen und Soldaten auf Zeit bei besonders schweren Dienstvergehen nicht mehr wie bisher nur bis zum Ende ihres vierten Dienstjahres, sondern künftig bis zum Ende ihres achten Dienstjahres fristlos entlassen werden. Zudem sollen die Disziplinarvorgesetzten mehr Sanktionsmöglichkeiten an die Hand bekommen, um Fehlverhalten ihrer Untergebenen schneller und effektiver ahnden zu können. 2021 richtete das Ministerium eine Arbeitsgruppe auf Leitungsebene ein, um den gehäuften Verdachtsfällen auf Extremismus im Kommando Spezialkräfte (KSKKommando Spezialkräfte) auf den Grund zu gehen. Im Ergebnis wurde die zweite Kompanie des KSKKommando Spezialkräfte aufgelöst und ein Paket mit 60 Maßnahmen zur Reorganisation des Verbands umgesetzt.
Ein weiteres Augenmerk liegt darauf, des Extremismus verdächtige Reservistendienstleistende von der Truppe fernzuhalten. Die bereits 2017 eingerichtete AGArbeitsgruppe Reservisten behandelte im Berichtszeitraum 621 Sachverhalte mit Extremismusbezug. Der mit mehr als 500 Fällen weitaus größte Anteil betraf rechtsextreme Verdachtsmomente oder solche mit Bezug zur Reichsbürgerszene. In 40 Fällen ging es um Islamismus, in fünf Fällen um Linksextremismus. Die Zusammenarbeit zwischen Ministerium, Verfassungsschutz und BAMADBundesamt für den Militärischen Abschirmdienst wird weiter vertieft.
Prävention und Abwehr
Die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr dienen mit der Waffe dem Schutz der Bundesrepublik und des Grundgesetzes. Als Staatsbürger in Uniform haben sie besondere Pflichten, die im Soldatengesetz festgeschrieben sind. Dessen Paragraf 8 verpflichtet sie zur Verfassungstreue.
Extremismus hat in der Bundeswehr keinen Platz. Anspruch und Ziel der Bundeswehr ist es, sowohl erkannte Extremisten als auch Personen mit fehlender Verfassungstreue aus der Bundeswehr zu entfernen und von ihr fernzuhalten.
Maẞnahmen
„Null-Toleranz-Linie“: Die Bundeswehr und ihre Beschäftigten stehen für Demokratie, Frieden und Freiheit. Extremistinnen und Extremisten – ob mit oder ohne Uniform – haben hier keinen Platz. Aus dem Fehlverhalten Einzelner zieht die Truppe Konsequenzen und greift durch.