Heer
Feldnachrichtenkräfte

„Keine Spione oder Agenten, sondern Soldaten"

„Keine Spione oder Agenten, sondern Soldaten"

Datum:
Ort:
Lüneburg
Lesedauer:
3 MIN

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Die Feldnachrichtenkräfte des Aufklärungslehrbataillons 3 „Lüneburg“ haben sich im November mit der Übung Goldene Eule 2020 auf ihren Einsatz vorbereitet. Mit dabei ist Oberstleutnant der Reserve Klaus Reschke – im Zivilleben Zeitungsredakteur. Er wirft einen Blick hinter die Kulissen und kann jetzt mit einigen Mythen und Gerüchten in Bezug auf die Feldnachrichtenkräfte der Bundeswehr aufräumen.

Eine aufgebrachte Menschenmenge demonstriert vor einer Kaserneneinfahrt, durch die Bundeswehrfahrzeuge fahren.

Lageeinspielung: Vor dem „Bundeswehrcamp“ hat sich ein gewaltbereiter Mob versammelt, um gegen die deutschen Kräfte im Einsatzland zu demonstrieren

Bundeswehr/Sharon Scholz

Das Telefon klingelt. Am anderen Ende der Leitung erklingt die Stimme einer jungen Frau, die nach kurzem freundlichen Smalltalk ein persönliches Treffen vorschlägt: Ort und Zeitpunkt könne der Angerufene selbst bestimmen. Klingt wie ein unmoralisches, mindestens aber wie ein zweifelhaftes Angebot. Ist es aber nicht. Die Dame am anderen Ende der Leitung ist Hauptfeldwebel beim Lüneburger Aufklärungslehrbataillon 3 – und hier bei einer ganz besonderen Truppengattung, nämlich bei den Feldnachrichtenkräften. Der Anruf war auch nicht spontan, sondern ist Teil der Übung Goldene Eule. Aufgabe der Feldnachrichtensoldatin und ihres Teams ist es, Vertrauen zur „Kontaktperson“ aufzubauen und herauszufinden, welche Beweggründe die Person dazu bringt, mit der Bundeswehr zusammenzuarbeiten.

„Solche Übungen dienen dazu, unsere Soldaten auf ihre realen Einsätze vorzubereiten“, sagt Hauptmann Fred Binder (*Name geändert). Seinen echten Namen möchte der 31-jährige Offizier nicht öffentlich lesen – aus Sicherheitsgründen, denn die Feldnachrichtenkräfte aus Lüneburg sind zurzeit wieder im Auslandseinsatz.

Vertrauen ist das Wichtigste

Ein Soldat in grüner Uniform zeigt drei weiteren Soldaten einen Punkt auf einer Lagekarte an der Wand des Besprechungsraums.

Jede Feldnachrichtenoperation setzt eine detaillierte Planung und Befehlsgebung voraus

Bundeswehr/Sharon Scholz

Binder räumt auch gleich mit einem weit verbreiteten Mythos auf: „Wir sind keine Spione oder Agenten, die im Geheimen operieren.“ Im Gegenteil: Feldnachrichtenkräfte sind im Einsatz grundsätzlich nur in Uniform unterwegs. Und noch etwas unterscheidet Binder und seine Kameraden ganz entscheidend von Geheimdiensten und Agenten á la James Bond 007: „Unsere Informanten arbeiten auf freiwilliger Basis mit uns“, sagt der Feldnachrichtenmann. Für Informationen fließe kein Geld. Nachrichtengewinnung und nicht Nachrichtenbeschaffung laute der Auftrag – ein kleiner aber ganz entscheidender Unterschied: „Vertrauen ist für uns die wichtigste Ressource “, erklärt Binder. „Wir hinterfragen zunächst immer die Motivation unserer Gesprächspartner.“ Wohlwissend, dass Geld oftmals die schlechteste aller Motivationen ist.

Man muss zuhören können“

Zwei Soldaten in grüner Uniform und zwei Zivilisten sitzen draußen an einem Tisch und führen ein Gespräch.

Im Gespräch mit zwei Dorfbewohnern gewinnen die Soldaten wichtige Informationen für die eigene Truppe

Bundeswehr/Andy Meier

Die Fragen, die sich Feldnachrichtenkräfte als Erstes stellen (müssen): Warum bekommen wir diese Informationen? Welche Absichten hat unsere Kontaktperson? Ist er Idealist? Will er bewusst Falschinformationen streuen? Oder ist womöglich Rache sein Impulsgeber? Gestik, Mimik, aber auch die Stimmlage verraten vieles über die wahren Absichten von Menschen. Man muss diese Hinweise aber zu deuten wissen. Dazu braucht es Übung und Erfahrung. „Wer bei uns anfangen will, braucht eine hohe Selbstmotivation, Sprachaffinität und interkulturelle Kompetenz„, so Binder – und, ganz wichtig: “Man muss zuhören können.„

Die Feldnachrichtenkräfte sind Teil des Aufklärungslehrbataillons 3 – ein Verband, dessen Aufgabe es ist, im Ernstfall Informationen beispielsweise über die Struktur und die Zahl feindlicher Einheiten und Kämpfer, die gegnerischen Waffen sowie das Gelände zu erlangen. Dafür nutzt die Truppe technische Hilfsmittel, wie Drohnen und Fahrzeuge, etwa den Spähwagen Fennek und Radar.

Hilfsmittel, die Binder und seinen Kameraden nicht zur Verfügung stehen: „Unsere Informationsquelle ist der Mensch.“ So sprechen die Soldaten zum Beispiel mit Zivilisten, mit der Bevölkerung im Einsatzland. Was plant der Gegner? Wie und wo setzt er seine Kräfte ein? All diese Aufklärungsergebnisse können überlebenswichtig sein“, sagt Binder. Wer das Gespräch suchen muss, um seinen Auftrag zu erfüllen, darf nicht schüchtern sein. „Er muss auf Menschen zugehen können und offen sein.“

Menschenleben retten

Ein Soldat hat aus der Deckung hinter einem grünen Auto Nebel geworfen und schießt mit Manövermunition.

Üben für den Ernstfall: Der Feldnachrichtentrupp ist in einen Hinterhalt geraten und muss kämpfend ausweichen

Bundeswehr/Andy Meier

Die Aufklärer reden daher mit offiziellen Vertretern des Regierungsapparates im Einsatzland genauso, wie mit Bürgern auf der Straße, mit einem Dorfältesten oder auch einem seiner Verwandten. Sie alle könnten Dinge erfahren haben, die für die deutschen Soldaten wichtig sind.

Doch vorab müssen viele Dinge geklärt sein: Ist der Treffpunkt sicher? Können sich die Gesprächspartner dort ungestört und diskret unterhalten? Wird keiner gefährdet? Dazu dient eben auch ein erster Anruf zur Kontaktaufnahme und dem gegenseitigen Kennenlernen. So, wie es die Frau Hauptfeldwebel während ihrer Übung praktiziert hat. 

Binder und seine Kameraden sind stolz, auf das was sie tun, denn sie wissen: „Durch unsere Arbeit konnten wir bereits etliche Anschläge in den Einsatzländern verhindern – und damit Menschenleben retten.“


von Timo Radke und  Klaus Reschke

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