Heer
Aufklären und mit Abstand kämpfen

Die Probe aufs Exempel: Die Mittleren Kräfte im GÜZ

Die Probe aufs Exempel: Die Mittleren Kräfte im GÜZ

Datum:
Ort:
Letzlingen
Lesedauer:
4 MIN

Mit der Lehr- und Versuchsübung überprüft die Panzerbrigade 21, ob das Konzept der neuen Mittleren Kräfte funktioniert. Im Gefechtsübungszentrum Heer (GÜZ) in Gardelegen in Sachsen-Anhalt, eines der modernsten Übungszentren Europas, werden die neuen Verfahren auf Herz und Nieren getestet.

Vier getarnte Gefechtsfahrzeuge stehen an einem verschneiten Weg aufgereiht.

Mehrere Varianten des GTKGepanzertes Transport-Kraftfahrzeug Boxer kommen im GÜZ während der Lehrübung zum Einsatz. Das „Mutterschiff“ der Mittleren Kräfte bewährt sich im Gegensatz zu anderen Fahrzeugen für die zukünftige Aufgabe.

Bundeswehr/Julia Dahlmann

Erstmalig üben die Jägerbataillone der Panzerbrigade 21 „Lipperland“ zusammen das Konzept der Mittleren Kräfte. Im Gefechtsübungszentrum Heer stellen rund 900 Soldatinnen und Soldaten die neue Kräftekategorie des Heeres auf die Probe. Bereits vor Monaten gab es die ersten Planübungen zur neuen Kräftekategorie. Dann vor einigen Wochen folgten die ersten Computersimulationen. Im Gefechtssimulationszentrum Heer in Wildflecken in Bayern. Dort können konkrete Szenarien geübt werden. Mit dieser ressourcenschonenden Möglichkeit werden alle möglichen Szenarien durchgespielt. Ein weiterer Vorteil dabei ist die unmittelbare und detaillierte Auswertung. Wie in einem Film kann die Übungsleitung das Szenario zurückspulen, Funksprüche erneut anhören und das Verhalten jedes Akteurs genau analysieren.

Diese ganzen Simulationen münden dann schließlich in den ersten Feldübungen. Und jetzt wird es endlich Zeit, das Ganze auf die Probe zu stellen. In bewährter Zusammenarbeit mit dem Gefechtsübungszentrum und deren erfahrenen Feindkräften werden so einige Simulationen praktisch durchgespielt. Auf einem realistischen Gelände des Truppenübungsplatzes Altmark in der Letzlinger Heide wird es jetzt ernst. Angefangen vom einfachen bis hin zum starken Feind wird jedes Szenar umgesetzt. Denn nur wenn einem aufgezeigt wird, wo die eigenen Grenzen sind, weiß man, wo diese liegen und kann weiter an sich arbeiten. 

Der entscheidende Vorteil – die Verlegung 

Ein großes Gefechtsfahrzeug im Vordergrund und ein Lkw im Hintergrund stehen auf einer Straße.

Jede Übung beginnt mit der Verlegung zum Übungsplatz. Anders als die Kettenfahrzeuge können Gefechtsfahrzeuge auf Rädern schnell über Hunderte Kilometer selbst fahren.

Bundeswehr/Till Hey

Jetzt kommt der riesige Vorteil der neuen Kräftekategorie zum Tragen. Wenn gepanzerte Verbände auf eine Übung gehen, dann müssen Transportfahrzeuge oder spezielle Eisenbahnwaggons angemietet werden, um die Fahrzeuge per Schiene zum Ort des Geschehens zu bringen. All das ist nicht notwendig mit den neuen Mittleren Kräften. Sie können ad hoc auf Befehl mehrere Hundert Kilometer über Autobahnen, Landstraßen oder Feldwege zum Einsatzort fahren – kein Problem für die radbasierten und hochmobilen Verbände. Schnell und ohne lange Vorbereitungszeit können sie im gesamten europäischen Operationsraum der NATO verlegt werden. Das ist jetzt erst mit den zukünftig aufgestellten Brigaden möglich.

Neue Drohnen werden getestet

Drei Soldaten stehen um ein neues Bedienfeld für Drohnen herum, ein Soldat schaut in den Himmel.

Die Begeisterung ist in den Augen der Soldaten zu sehen. Neue Drohnen werden ausprobiert und sind zwingend erforderlich für die neue Kräftekategorie

Bundeswehr/Julia Dahlmann

Nebel liegt über der Letzinger Heide, Dauerregen verwandelt den riesigen Übungsplatz in ein Schlammloch. Noch bevor es so richtig losgeht, steigen neue zu testende Drohnen in den düsteren Himmel auf. Die neuen Drohnen, auch wenn es nur Testobjekte sind, kommen sehr gut an. Denn die noch aktuellen Systeme ALADINAbbildende Luftgestützte Aufklärungsdrohne im Nächstbereich (abbildende luftgestützte Aufklärungsdrohne im Nächstbereich) und MIKADOMikro-Aufklärungsdrohne im Ortsbereich (Mikro-Aufklärungsdrohne im Ortsbereich) sind in die Jahre gekommen. Aktuell ist die Entwicklung solcher innovativen Drohnen weit vorangeschritten, sodass es unausweichlich ist neue Systeme zu beschaffen, um am Puls der Zeit zu bleiben. 

Zunächst wird das Gefecht des Aufklärungszuges erprobt. Dieser kämpft hauptsächlich drohnenbasiert und mit Loitering Munition System. Das bedeutet, Lenkwaffen werden ohne ein bestimmtes Ziel gestartet und kreisen dann für längere Zeit im Zielgebiet. Später wird dann ein Ziel zugewiesen, um es zu bekämpfen. Alles stets mit ausreichend Abstand zum Feind wegen der eigenen Sicherheit. Im Anschluss steht die schwere Jägerkompanie im Fokus. Diese wird zukünftig das System Schwerer Waffenträger Infanterie als Gefechtsfahrzeug nutzen. Mit seiner 30-Millimeter-Maschinenkanone, Loitering Munition System und dem Panzerabwehrsystem MELLSMehrrollenfähiges Leichtes Lenkflugkörpersystem (Mehrrollenfähiges Leichtes Lenkflugkörper-System) kann er auf weite Entfernung kämpfen.

Ein kleines olivgrünes Testfahrzeug, so groß wie ein halber Schreibtisch, steht im Gelände.

Kaum zu sehen auf dem riesigen Übungsplatz: Ein Unmanned Ground Vehicle, kurz UGV, fährt als Testobjekt nahezu lautlos an den Soldaten vorbei. Seine Einsatzmöglichkeiten sind sehr vielfältig.

Bundeswehr/Julia Dahlmann

Im späteren Verlauf bei einer Pause, die gleich zur Auswertung genutzt wird, taucht plötzlich völlig unscheinbar die nächste Innovation auf. Ein UGV (Unmanned Ground Vehicle) vom Innovationslabor System Soldat des WIWeBWehrwissenschaftliches Institut für Werk- und Betriebsstoffe , halb so groß wie ein handelsüblicher Schreibtisch, fährt kaum sichtbar an den Soldaten vorbei. Die Bundeswehr hat ein Exemplar gekauft und testet nun die Möglichkeiten eines solchen Gefährts. Nahezu grenzenlos sind die möglichen Einsatzoptionen. Als Munitionstransporter, Relais für Funkkreise, als Drohnenträger, Krankentransporter und noch mehr kann dieses Exemplar fast lautlos 40 Kilometer weit fahren.

Fazit der Erprobung

Schnell fahren, weit gucken und mit Abstand kämpfen: Das sind die wichtigsten Eigenschaften der neuen Kräftekategorie. Die intensive Erprobung der Mittleren Kräfte im GÜZ wurde unter der Annahme eines teilweise überlegenen Feindes durchgeführt. Um gegen einen überlegenen Feind bestehen zu können, wurde zudem innovative Drohnentechnologie erprobt. Diese führt in Verbindung mit der geplanten Mobilität, Agilität und Abstandsfähigkeit durch die Nutzung des Lenkflugkörpersystem MELLSMehrrollenfähiges Leichtes Lenkflugkörpersystem zum Erfolg. Es konnten wertvolle Eindrücke gesammelt und Schlussfolgerungen gezogen werden, um Vorgaben für die neu hinzukommenden Gefechtsfahrzeuge und neuartigen Taktiken zu formulieren. Natürlich gibt es noch ein paar Ausbildungsmängel, das ist aber bei einem neuen Konzept nicht verwunderlich. Allerdings können diese sehr rasch mit den kommenden und angepassten Ausbildungen beseitigt werden. Das „Mutterschiff“ der neuen Kräftekategorie, der GTKGepanzertes Transport-Kraftfahrzeug Boxer, hat sich in diesen Wochen sehr bewährt und darauf kann aufgebaut werden. Dort, wo das sechsrädrige Transportfahrzeug Fuchs nicht mehr weiterkam, da war noch lange nicht Schluss für den Boxer. Jetzt kommt es darauf an, die notwendigen Systeme der Artillerie, der Pioniertruppe und weiterer Systeme andere Truppengattungen radbasiert zu beschaffen.

Im nächsten Beitrag erklären wir euch, wie eine zukünftige Brigade der Mittleren Kräfte aussehen soll.

Motor der Modernisierung 

  • Auf der Ladefläche eines Fahrzeuges liegt ein Drohnensystem.

    Die Drohne ALADINAbbildende Luftgestützte Aufklärungsdrohne im Nächstbereich dient der Ziel-, Wirkungs- und Lageaufklärung bei Tag und Nacht. Ihr Name steht für abbildende luftgestützte Aufklärungsdrohne im Nächstbereich.

    Bundeswehr/Julia Dahlmann
  • Im Vordergrund ein kleines Kettenfahrzeug, im Hintergrund ein Bediener und ein Gefechtsfahrzeug.

    Das Aufklärungssystem RABE ist ein Roboter zur Aufklärung, Beobachtung und Erkundung, vor allem im Orts- und Häuserkampf. Dieses Mini-Kettenfahrzeug ist mit Kameras zur Rundumsicht, einer Funkverbindung sowie einer Schwachlichtkamera ausgestattet.

    Bundeswehr/Julia Dahlmann
  • Ein achträdriges Gefechtsfahrzeug fährt durch schlammiges Gelände.

    Selbst durch schwieriges Gelände pflügt der GTKGepanzertes Transport-Kraftfahrzeug Boxer durch, nur ein Schützenpanzer oder Kampfpanzer schafft noch mehr

    Bundeswehr/Julia Dahlmann
  • Ein Brückenlegepanzer Biber steht neben einer Betonmauer.

    Mithilfe des Brückenlegepanzers Biber der Pioniere kann die Kampftruppe Gräben, Schluchten oder Gewässer überwinden. Die Mittleren Kräfte brauchen nur noch ein neues Modell auf Rädern, um mithalten zu können.

    Bundeswehr/Julia Dahlmann

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Der Kommandeur der Panzerbrigade 21, Oberst Marco Eggert (im Foto), und der Kommandeur der 1. Panzerdivision, Generalmajor Heico Hübner, geben ihre Statements zur ersten Übung der Mittleren Kräfte im Gefechtsübungszentrum Heer ab
von PIZ Heer

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