Heer
Kommando über 60.000 Soldaten

Eurocorps erfolgreich für die NATO zertifiziert

Eurocorps erfolgreich für die NATO zertifiziert

Datum:
Ort:
Norwegen
Lesedauer:
5 MIN

Das Eurocorps mit seinem Anteil von Heeressoldaten stellt 2020 das Land Component Command für die NATO und führt die NATO-Eingreiftruppe, die NATO Response Force (NRFNATO Response Force). Dazu musste es im Joint Warfare Center (JWCJoint Warfare Centre) in Stavanger zertifiziert werden. Das JWCJoint Warfare Centre ist ein Schulungs- und Trainingszentrum der NATO in Jåtten bei Stavanger in Norwegen.

Soldaten verschiedener Nationen in einem großen Raum mit vielen Laptops, Monitoren und Lagekarten.

Während der Übung Trident Jupiter 19 stellt das Eurocorps als Land Component Command das Führungselement für alle Landstreitkräfte. Trainiert wird das Zusammenspiel zwischen Land-, Marine- und Luftstreitkräften.

Bundeswehr/Bastian Koob

Es ist 7 Uhr im norwegischen Stavanger. Hunderte von Soldatinnen und Soldaten des Eurocorps strömen in ein Gebäude in direkter Fjordnähe. Dabei handelt es sich um das JWCJoint Warfare Centre der NATO in Jåtten. Der Auftrag lautet: Das Eurocorps soll als Hauptquartier der Eingreifreserve der NATO zertifiziert werden. Das beschriebene Gebäude ist jedoch mitnichten der Trainingsbereich. Der liegt viele Meter unter massiven Felsgestein. Dort werden die Soldaten des Eurocorps während der folgenden drei Wochen arbeiten. Bevor es jedoch richtig losgeht, müssen Sicherheitspapiere geprüft und ein Bunkerrundgang aus Brandschutzgründen ist Pflicht. Eingestimmt mit einem Video von „Bunker Björn”, der vorab die wichtigsten Grundlagen erklärt, geht es dann mit der Bunkerfeuerwehr zu den verschiedenen Notausgängen. Erst nach dieser Runde dürfen die Angehörigen des Eurocorps an ihre Arbeitsplätze.

Ein nicht alltägliches Arbeitsumfeld

Drei Soldaten passieren eine grüne Stahltür, ähnlich dem eines Tresorraumes.

Erst nach einem Rundgang durch die unterirdischen Trainingsräume nehmen die Eurocorps-Soldaten ihre eigentliche Arbeit auf

Bundeswehr/Bastian Koob

Die Übung selbst ist in mehrere Abschnitte eingeteilt. Bei einem einwöchigen Battle-Staff-Training wird die Zusammenarbeit der Bereiche Logistik, Planung, Luftwaffe, Presse und die Verbindung zu zivilen Organisationen durchgespielt. Hintergrund ist, dass der Stab Eurocorps in der Lage sein soll, bis zu 60.000 Soldaten bei einem Einsatz der NATO zu führen. Um dies zu prüfen, schließt sich an das Battle-Staff-Training direkt die Großübung der NATO Trident Jupiter 19 an. Dort sind neben den Soldaten des Eurocorps auch die der Schwesterkommandos, Marine, Luftwaffe, Spezialkräfte sowie die der höheren Ebene des sogenannten Joint Force Command in Brunssum und des NATO-Hauptquartiers SHAPESupreme Headquarters Allied Powers Europe beteiligt. SHAPESupreme Headquarters Allied Powers Europe steht für Supreme Headquarters Allied Powers Europe.

Das Prüfteam kommt aus der Türkei

In diesem Rahmen findet dann die Überprüfung durch ein weiteres NATO-Kommando, aus Izmir in der Türkei kommend, statt. Damit nicht genug, müssen natürlich auch die unterstellten Kampf- und Kampfunterstützungseinheiten, die Luftwaffe, Marineeinheiten wie auch die Gegner sowie der Pressebereich und vieles mehr dargestellt und gespielt werden. Allein in der Darstellung sind wiederum mehrere Hundert Soldaten und spezielle Beratungsfirmen beteiligt, um ein entsprechendes, hochkomplexes Bild zu generieren, an dem die Stäbe üben und planen können. Am Ende steht dann die offizielle Zertifizierung. Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg.

Bevor es richtig losgeht, muss erst einmal das Hauptwaffensystem der Soldaten des Eurocorps von jedem Einzelnen in Betrieb genommen werden: der Computer. Auf dem modernen Gefechtsfeld von heute geht ohne Computer und die entsprechende Vernetzung der Führungssysteme gar nichts. Um diese Verbindungen zu gewährleisten, hatten die ersten Soldaten der Unterstützungsbrigade des Eurocorps bereits seit Anfang Oktober über drei Wochen lang im JWCJoint Warfare Centre Kabel verlegt, Computer angeschlossen und die notwendige Satellitenverbindung aufgebaut.

Der Computer ist die „Waffe“

Drei Soldaten verschiedener Nationen sitzen vor ihren Laptops.

Im Gefechtsstand arbeiten Soldaten aus zehn Nationen zusammen, um ein einheitliches Lagebild zu erstellen

Bundeswehr/Bastian Koob

Dann beginnt zunächst ein fünftägiges Battle-Staff-Training, in dem die Informationswege und Verfahren geprüft werden. Das Ganze ist gut vorbereitet, aber kein Selbstläufer, wie der stellvertretende Kommandeur des Eurocorps, Generalmajor Josef Dieter Blotz, den Übungsteilnehmern erklärt: „Das Eurocorps hat in den letzten anderthalb Jahren eine ganze Reihe von Übungen absolviert. Es ist daher essenziell, die gemachten Erfahrungen jetzt auch tatsächlich in einem fordernden Szenario praktisch umzusetzen und anzuwenden.“ Und dieses Szenario hat es in sich: Trainiert wird das hochintensive Gefecht. Ein potenzieller Gegner der NATO, technisch gleichwertig und zahlenmäßig zum Teil deutlich überlegen, greift einen NATO-Partner an. Die Eingreifreserve, in diesem Fall das Eurocorps, wird alarmiert und muss das Gefecht führen.

Sämtliche Facetten werden simuliert

Blick über typische skandinavische Einfamilienhäuser auf einen Fjord, im Hintergrund Berge.

Vom Joint Warfare Center Stavanger bietet sich den Soldaten des Eurocorps ein wunderschönes Panorama auf die umliegenden Berge und den Fjord

Bundeswehr/Bastian Koob

Facetten wie das politische Umfeld, wichtige Akteure, verschiedene Ethnien und natürlich der Gegner werden simuliert. Es ist ein Szenario, das dem Stab des Eurocorps alles abverlangt. Entsprechend intensiv verlaufen die Tage der Übung. Das ausdrucksvolle Bergpanorama rund um Stavanger bekommen die Soldaten des Eurocorps nur früh morgens und spät abends zu sehen, da in 12-Stunden-Schichten gearbeitet wird. Tageslicht wird zu einer Erinnerung. Trotzdem ist die Motivation hoch, denn die Übung Trident Jupiter steht am Ende einer ganzen Reihe von Übungen, die bereits Anfang 2018 begonnen haben. In allen Bereichen wird die Lage ständig aktualisiert, werden Pläne geschmiedet und Entscheidungen vorbereitet, denn die wichtigsten Befehle erteilt der Kommandeur persönlich. Dies betrifft insbesondere kritische Situationen, die mit einem entsprechenden zeitlichen Vorlauf getroffen werden müssen. Bis zu 60.000 Soldaten lassen sich nicht in ein paar Stunden umdirigieren. Es ist, als wenn man einen Supertanker steuert: Einmal in Fahrt, dauert jedes Manöver eine gefühlte Ewigkeit.

Arbeiten unter kritischer Beobachtung

Ein deutscher General, umgeben von ausländischen Soldaten, schaut in Richtung Kamera.

Hoher Besuch während der Übung: General Erhard Bühler (l.), Kommandeur des Joint Forces Command in Brunssum, lässt sich über den aktuellen Stand der Gefechtsübung informieren

Bundeswehr/Bastian Koob

Diese hochintensive Phase verläuft über volle zwei Wochen. Alle Soldaten des Eurocorps leben nun in der Lage. Kerngeschäft ist die Planung des Gefechtes. Dabei müssen die Planer nicht nur die eigenen Kräfte im Verhältnis zu den Gegnern bewerten, sondern auch das Zusammenwirken mit Luftwaffe und Marine und den Verteidigungsstreitkräften der gastgebenden Nation. Selbst die politischen und medialen Auswirkungen müssen bedacht werden, da in Zeiten von Internet und sozialen Medien Informationen deutlich schneller und breiter gestreut werden, als es noch vor einigen Jahren der Fall war. Um das Szenario noch ein bisschen anspruchsvoller zu gestalten, kommen in der letzten Woche dann die Prüfer hinzu. Sie bewerten über mehrere Tage anhand der Informationsbeziehungen, der schriftlichen Befehle und des allgemeinen Outputs, ob die Soldaten des Eurocorps ihre Aufgabe erfüllt haben.

Lob von höchster Stelle

Dann der Schlusspfiff. Der höchste Prüfer, USUnited States-General John Thomson von der NATO-Behörde Land Command in Izmir, kommt zu einem klaren Ergebnis: Prüfung bestanden. All die Arbeit der letzten beiden Jahre hat sich gelohnt. Darüber hinaus sammelten die Soldaten wertvolle Erfahrungen, die in das Gefechtsstandkonzept des Eurocorps einfließen. Schließlich kann man sich immer noch verbessern. Abschließend hat Thomson als einsatzerfahrener Kommandeur noch ein besonderes Lob für das Eurocorps parat: „Ich würde mit Ihnen in den Einsatz gehen.”

Für die Soldaten des Eurocorps geht es zurück nach Straßburg. Der nächste Schritt ist die formelle Übernahme der NRFNATO Response Force-Verantwortung Anfang Januar 2020. Gut vorbereitet für einen Fall, der hoffentlich im Sinne aller Bürger der NATO niemals eintreten möge.


von Torsten Stephan

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