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Interview

„Der Zusammenhalt im Eurocorps ist eine Kraftquelle“

„Der Zusammenhalt im Eurocorps ist eine Kraftquelle“

Datum:
Ort:
Frankreich
Lesedauer:
6 MIN

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Seit vier Monaten ist Generalmajor Josef Blotz stellvertretender Kommandeur des Eurocorps. Nach vier Monaten in seiner neuen Funktion hat er nicht nur einen guten Überblick, sondern auch viel Freude an seiner Tätigkeit in dem multinationalen Verband in Straßburg gefunden. Wir sprechen mit ihm über die Aufgaben für 2020, mögliche Hürden und einen Wunsch.

Ein Soldat sitzt an einem Schreibtisch, hinter ihm ein Bildschirm.

Generalmajor Josef Blotz hat sein Dienstzimmer in der Kaserne Aubert des Vincelles in Straßburg

Bundeswehr/Bastian Koob

Herr Generalmajor, beschreiben Sie bitte Ihre ersten Eindrücke?

Generalmajor Blotz: Es ist nicht übertrieben zu sagen, dass ich in einer langen und recht abwechslungsreichen Dienstzeit, persönlich und dienstlich sehr froh darüber bin, diese Herausforderung erleben zu dürfen. Das Eurocorps ist in mehrfacher Hinsicht eine Besonderheit. Der Stationierungsort Straßburg im Elsass ist für Soldaten und zivile Mitarbeiter aller zehn hier vertretenen Nationen, die mit der Verteidigung von Europa beauftragt sind, so attraktiv, dass man wirklich nur zufrieden und dankbar sein kann. Und hier spreche ich für uns alle. Das gilt besonders vor dem Hintergrund der Tatsache, dass das Eurocorps mit seinen vielen Besonderheiten, wie vor allem 2020 in seiner Rolle als Land Component Command der Eingreiftruppe der NATONorth Atlantic Treaty Organization, der NATONorth Atlantic Treaty Organization Response Force, im Mittelpunkt unser aller Überlegungen steht. Auch findet es großes Interesse in der Bundeswehr, in der NATONorth Atlantic Treaty Organization und der EUEuropäische Union.

Inwieweit unterscheidet sich Ihre jetzige Tätigkeit von vorherigen Funktionen?

Meine letzte Aufgabe war die des Senior Military Advisor, also Leitender Militärberater der Unterstützungsmission, für die UNUnited Nations in Libyen. Obwohl ich in den vielen Dienstjahren so oft neue und höchst unterschiedliche „Berufe“ habe lernen dürfen, ist der Dienst im Eurocorps doch wieder mal eine Besonderheit. Der Vergleich mit der UNUnited Nations ist schwer zu ziehen, da das naturgemäß eine völlig andere Aufgabe war. Dort war ich in einer diplomatischen Mission eingesetzt. Ich denke, die Schlussfolgerungen sind, dass man in einem so weiten Berufsfeld wie diesem immer wieder die Flexibilität und die Mobilität aufbringen muss, neue Herausforderungen anzugehen, sich in einem neuen Umfeld einzufinden, neue Aufgaben zu akzeptieren und alles das als ein in der Tat stimmiges, abgerundetes Bild zu betrachten. Die Frage stellt sich immer gleich: Wie leistet man seinen Beitrag im Grundbetrieb, in Einsätzen im internationalen Krisenmanagement genauso wie in der Landes- und Bündnisverteidigung? Mit dem Eurocorps zu arbeiten, steht beispielhaft für diese Sicht.

Das Eurocorps ist in vielerlei Hinsicht anders als andere Verbände, es ist einzigartig. Wie haben Sie dies bis dato wahrgenommen?

Drei Soldaten aus drei Ländern sprechen miteinander.

Soldatinnen und Soldaten aus zehn Nationen dienen im Eurocorps

Bundeswehr/EUTM RCA

Ich habe in einer Reihe von Verwendungen Multinationalität kennengelernt, sowohl bei der NATONorth Atlantic Treaty Organization in Brüssel, in Madrid, beim SHAPESupreme Headquarters Allied Powers Europe, also dem Obersten Hauptquartier der Alliierten Streitkräfte in Europa, als auch in Einsätzen in Afghanistan, Libyen und auf dem Balkan. Multinationalität im Eurocorps ist aber etwas Besonderes, weil wir es hier mit fünf starken Rahmennationen zu tun haben: Frankreich, Deutschland, Belgien, Luxemburg und Spanien. Und dann sind da noch die Associated Nations, die verbündeten Nationen, allen voran Polen. Diese Multinationalität scheint mir in besonderer Weise geeignet zu sein, hohe Einsatzbereitschaft und Vielseitigkeit zu entwickeln. In unserem Hauptquartier, das mitten in Europa stationiert ist, das in besonderer Weise die Kennzeichen europäischer Verteidigungsidentität trägt, für Europa da ist, erlebe ich Multinationalität als besonders befruchtend und beispielgebend für eine tiefergehende Integration von Streitkräften in Europa.

Allerdings dient das Eurocorps nicht nur den Rahmennationen gemäß den militärischen Aufträgen. Die Rahmennationen haben sich vor allem zusammengeschlossen, um Europa und der europäischen Sicherheit politisch zu dienen. Das ist mein Verständnis. Die enge Abstimmung zwischen den Rahmennationen bringt großen Rückhalt auf allen Handlungsfeldern. Und wenn sich diese Rahmennationen auf bestimmte Lösungen und Grundsatzentscheidungen für die kommenden Jahre geeinigt haben, dann ist das eine große Kraftquelle.

Das Eurocorps hat für 2020 die Rolle als Land Component Command der NRFNATO Response Force, der Eingreiftruppe der NATONorth Atlantic Treaty Organization, übernommen und wird anschließend wieder Aufträge für die EUEuropäische Union in Afrika übernehmen. Wie nehmen Sie diese Dualität wahr?

Fünf Soldaten stehen in einer Gesprächsrunde.

Generalmajor Josef Blotz (M.) hat als verantwortlicher Übungsleiter die Zertifizierung des Eurocorps im Joint Warefare Center in Stavanger unterstützt

Bundeswehr/Bastian Koob

Diese Dualität von Aufträgen für NATONorth Atlantic Treaty Organization und EUEuropäische Union ist auf den ersten Blick ein verkomplizierender Faktor, aber auch nur auf den ersten Blick, weil wir uns im Abstand von wenigen Jahren immer wieder auf neue Standards einstellen müssen, auf neue Herausforderungen, neue Aufträge und Mandate. Aber gerade dadurch wird das besondere Eignungs- und Leistungsprofil des Eurocorps deutlich: Wir können beides!

In einem Zelt sitzen Soldaten bei einem Briefing zusammen, vorn ein Referent an einem Smartboard.

Das Eurocorps hat sich rund ein Jahr intensiv auf seine Aufgabe als Land Component Command, also als Führungskommando für Landstreitkräfte der NATONorth Atlantic Treaty Organization-Eingreiftruppe, vorbereitet

Bundeswehr/Bastian Koob

Wir können erfolgreich europäischen Standards und europäischen Mandaten, beispielsweise dem Einsatz in Mali in den nächsten Jahren, und dem europäischen Verteidigungsgedanken dienen. Wir können aber auch, davor und danach, für die NATONorth Atlantic Treaty Organization Aufträge übernehmen, wie beispielsweise den Auftrag für 2020 als Land Component Command für die Eingreiftruppe der NATONorth Atlantic Treaty Organization, die NATONorth Atlantic Treaty Organization Response Force. Daraus ergibt sich ein außergewöhnlich abgerundetes, reichhaltiges Leistungsprofil. Und dass wir dieses Spektrum bewältigen, haben wir gerade bei einer Zertifizierungsübung im Joint Warfare Center in Norwegen erfolgreich nachgewiesen. In den nächsten Jahren gilt es, Kontinuität zu erhalten, sowohl personell als auch mit Ausbildung und Übungen, um sicherzustellen, dass wir nicht auf einer dieser beiden Säulen Geschwindigkeit und Substanz verlieren.

Könnte diese Dualität des Eurocorps ein Beispiel für die Zukunft sein?

Ja. Das Eurocorps ist sicher in besonderer Weise Ausdruck des Willens, ursprünglich Frankreichs und Deutschlands, zur Sicherheit Europas beizutragen. Darüber hinaus war es auch ein Mittel zur Völkerverständigung. So hat das Eurocorps vor fast 30 Jahren zwischen Frankreich und Deutschland begonnen. Schon das hat Vorbildcharakter. Insgesamt ist die Erfüllung von Aufträgen der Europäischen Union komplementär zu sehen, zu dem was wir für die NATONorth Atlantic Treaty Organization leisten. Das Eurocorps dient beiden Organisationen. Damit gilt, dass die Erfahrungen und die daraus gezogenen Lehren uns in besonderer Art und Weise befähigen, diese auch anderen zur Verfügung zu stellen – national wie multinational.

Welches sind Ihre Schwerpunktthemen für das Jahr 2020?

Ein Soldat sitzt an einem Schreibtisch, vor ihm ein Laptop.

Generalmajor Josef Blotz will die Einsatzbereitschaft des Eurocorps sichern

Bundeswehr/Bastian Koob

Es sind vor allem drei Bereiche: Der zurzeit wichtigste ist ohne Frage der Auftrag, als Land Component Command für die Eingreiftruppe der NATONorth Atlantic Treaty Organization bereitzustehen. Die Bereitschaftsphase hat am 1. Januar 2020 begonnen und geht über volle zwölf Monate, in denen wir unsere Einsatzbereitschaft personell und materiell und mit Blick auf unseren Ausbildungs- und Übungskalender aufrechterhalten müssen.

Das Zweite ist, dass wir uns gegen Ende dieser Bereitschaftsphase, also etwa ab November 2020, wieder auf Folgeaufträge einstellen werden: Nämlich für die Europäische Union Einsätze in Mali und der Zentralafrikanischen Republik sicherzustellen. Das geht Hand in Hand.

Und das Dritte ist ein Dauerthema, unabhängig von spezifischen Einzelaufträgen. Es heißt Konsolidierung, heißt Kontinuität, Aufrechterhaltung einer Mindesteinsatzbereitschaft für alle denkbaren Aufträge, die kommen könnten. Dies müssen wir in einem multinationalen Setting zusammen mit unseren Rahmennationen und Vertretern weiterer Nationen leisten. Dass das gut funktioniert, ist eine noble Aufgabe, der ich wirklich gerne meine ganze Kraft widme.

Wenn Sie sich etwas wünschen könnten für das Eurocorps, für das Jahr 2020, was wäre das?

Ich wünsche mir, dass wir auf unseren beiden großen Aufgabenfeldern für die EUEuropäische Union und die NATONorth Atlantic Treaty Organization erfolgreich sind, und dass wir es vor dem Hintergrund der guten Erfahrungen, die wir machen, auch hinbekommen, attraktiv zu werden für weitere Nationen, die sich in Zukunft ebenfalls im Eurocorps engagieren könnten.

von Torsten Stephan

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