Der neue Inspekteur setzt auf den Weltraum
Der neue Inspekteur setzt auf den Weltraum
- Datum:
- Ort:
- Uedem
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- 4 MIN
Satelliten sind für moderne, vernetzte Gesellschaften und deren Streitkräfte essenziell. Der Weltraum ist aufgrund dieser Abhängigkeiten zu einem militärischen Operationsraum geworden. Beim Besuch im Weltraumkommando betont der Inspekteur der Luftwaffe: „Nur wer im Weltraum präsent und handlungsfähig ist und bleibt, kann Sicherheit am Boden, in der Luft, auf der See und im Cyberraum garantieren.“

Erster Besuch nach Amtsübernahme: Generalleutnant Holger Neumann (r.) wird von Generalmajor Michael Traut (l.) am Weltraumkommando in Uedem empfangen
Bundeswehr/Marvin Hofmann
In der Operationszentrale des Weltraumlagezentrum erhält der neue Inspekteur einen direkten Einblick in die operativen Prozesse der Weltraumüberwachung
Bundeswehr/Marvin HofmannAm 25. Juni 2025, knapp einen Monat nach seinem Dienstantritt als Inspekteur der Luftwaffe, besuchte Generalleutnant Holger Neumann das Weltraumkommando der Bundeswehr (WRKdoBwWeltraumkommando der Bundeswehr) in Uedem. Mit diesem ersten Truppenbesuch nach seiner Amtsübernahme setzt der neue Inspekteur ein deutliches Zeichen: Als verantwortlicher General für die militärische Dimension Weltraum rückt er die Rolle des Kommandos in den Fokus. Der Besuch ist mehr als ein Antrittstermin, er steht symbolisch für den Anspruch, den Aufbau kriegstüchtiger Fähigkeiten im Weltraum mit Tempo und Substanz voranzutreiben.
Weltraum als kritische Infrastruktur
Was früher als Zukunftsvision galt, ist heute Realität: Der Weltraum ist der größte physische Einsatzraum – für die Bundeswehr, für Bündnispartner und auch für potenzielle Gegner. Ohne Satelliten läuft fast nichts mehr: Navigation, Kommunikation, Aufklärung, Frühwarnung – ob zivil oder militärisch – nahezu alle modernen Systeme sind auf weltraumgestützte Dienste angewiesen. Diese Abhängigkeit ist strategisch und macht verwundbar.
Genau hier setzt das Weltraumkommando an. Seit seiner Aufstellung im Jahr 2021 fungiert es als zentrales Koordinierungs- und Steuerungselement für die militärische Nutzung des Weltraums. Ein wichtiges Element bildet der Bereich Weltraumlage, welcher rund um die Uhr ein Weltraumlagebild erstellt. Hier werden Satellitenbewegungen überwacht, potenzielle Gefahren wie Kollisionen, Angriffe oder Weltraumschrott frühzeitig erkannt und bewertet – zum Schutz eigener Systeme und zur Unterstützung nationaler wie internationaler Entscheidungsträger.
Neben der Lageerstellung verantwortet das Kommando auch die Planung und Führung militärischer Weltraumoperationen. Dazu zählen beispielsweise Schutzmaßnahmen für eigene Satelliten, das Erkennen und Abwehren gegnerischer Aktivitäten im All oder die taktische Nutzung weltraumgestützter Fähigkeiten zur Unterstützung von Einsätzen in den anderen Dimensionen. Es koordiniert zudem die operationellen Beiträge zur Einsatzunterstützung aus dem Weltraum, die in der Zuständigkeit der Teilstreitkraft Cyber- und Informationsraum liegen – etwa satellitengestützte Kommunikation und Aufklärung.
Zugleich geht es um den Schutz weltraumgestützter Dienste, die heute als kritische Infrastruktur gelten – vom Stromnetz über globale Lieferketten bis hin zu Bankwesen und Mobilfunk. Die sicherheitspolitische Konsequenz ist eindeutig: Eine robuste, krisen- und kriegsfeste Weltrauminfrastruktur ist heute unverzichtbar – und ein potenzielles militärisches Ziel.
Fähigkeiten schaffen, die Deutschland braucht
Die reine Beobachtung des Weltraums reicht nicht mehr aus. In einer zunehmend konfrontativen Weltlage – antisatellitäre Waffentests, Cyberangriffe auf Satellitenkommunikation oder Annäherungsmanöver fremder Satelliten – braucht Deutschland eigene operative Fähigkeiten im All. Ziel ist es, nicht nur zu reagieren, sondern aktiv zu führen und zu handeln.
Ein zentrales Zukunftsthema ist dabei die satellitengestützte Frühwarnung gegen Hyperschall- und ballistische Flugkörper. Denn moderne Waffensysteme verkürzen Entscheidungszeiten dramatisch – herkömmliche Radarsysteme stoßen hier schnell an physikalische und geografische Grenzen. Nur entsprechende weltraumgestützte Sensorik mit globalem Blickwinkel kann Starts frühzeitig detektieren, Flugbahnen präzise berechnen und Reaktionsprozesse rechtzeitig einleiten – ob zur Warnung der Bevölkerung, zur Alarmierung der politischen Führung oder zur Aktivierung militärischer Schutzmaßnahmen. Die Luftwaffe will ihre Frühwarnfähigkeiten weiter national ausbauen und sich gleichzeitig in multinationale Systeme einbringen – mit dem Ziel, Abhängigkeiten zu verringern und eigene Beiträge zu leisten.
Die Bundeswehr hat den Aufbau begonnen. Ab 2026 steht ein erstes optisches Weltraumteleskop zur Verfügung, 2028 folgt ein neues Weltraumradar. Beide Systeme sind redundant geplant – jeweils ergänzt durch baugleiche Komponenten im Ausland, um Ausfallsicherheit und Wirkbereich zu erhöhen. Perspektivisch soll daraus ein globales Sensornetzwerk entstehen, bestehend aus Teleskopen, Laser-Ranging-Systemen, Radar und weltraumgestützten Sensoren.
Klar ist: Ohne kriegstüchtige Fähigkeiten im Weltraum ist auch Kriegstüchtigkeit in anderen Dimensionen nicht möglich. Defensive Weltraumoperationen – etwa der Schutz eigener Satelliten oder das Abwehren gegnerischer Aktivitäten – sind dabei ebenso notwendig wie offensive Fähigkeiten, um im Ernstfall einem Gegner die Nutzung des Weltraums zu verwehren. Dazu gehören beispielsweise bodengebundene Systeme zur Störung gegnerischer Satellitenkommunikation oder zukünftige Fähigkeiten direkt im Orbit.
Ziel: Kriegstüchtigkeit im Weltraum
Der Inspekteur der Luftwaffe macht klar: Die Zeit drängt. Bis spätestens 2029 müssen Strukturen, Fähigkeiten und Ressourcen so aufgestellt sein, dass Deutschland im Ernstfall auch im Orbit handlungsfähig ist – als glaubwürdiger Partner in der NATONorth Atlantic Treaty Organization und zum Schutz eigener kritischer Infrastruktur.
Wer im Weltraum nicht präsent ist und bleibt, verliert Handlungsoptionen am Boden, in der Luft, auf See und auch im Cyberraum. Der konsequente Fähigkeitsaufbau – boden- und raumgestützt – ist für Deutschland somit entscheidend. Die Luftwaffe übernimmt hier Führungsverantwortung – entschlossen, zukunftsorientiert und abgestimmt mit unseren Partnern.
Gleichzeitig geht es um ein gesamtstaatliches Bewusstsein: Weltraumfähigkeiten sind nicht länger nur ein militärisches Thema. Sie sind Voraussetzung für moderne, vernetzte Gesellschaften – und müssen entsprechend geschützt und weiterentwickelt werden.
Die Luftwaffe übernimmt Verantwortung
Als dimensionsverantwortliche Teilstreitkraft für den Weltraum trägt die Luftwaffe nicht nur die strategische Federführung – sie gestaltet den Fähigkeitsaufbau aktiv: durch gezielte Strukturentwicklung, operative Tests und die Konzentration von Expertise im Weltraumkommando in Uedem.
Gleichzeitig vernetzt sich die Luftwaffe – gemeinsam mit dem Weltraumkommando – eng mit Bundesbehörden, Industrie und Bündnispartnern, um gemeinsame Lagebilder zu schaffen, Fähigkeiten besser abzustimmen und Redundanzen zu vermeiden. Ziel ist eine belastbare nationale Architektur im Weltraum – mit klaren militärischen und zivilen Zuständigkeiten sowie abgestimmten Entwicklungspfaden.
Der Besuch des Inspekteurs markiert dabei nicht das Ziel, sondern den Aufbruch: hin zu einer Bundeswehr, die im Weltraum nicht nur zuschaut – sondern schützt, plant und handelt.