Luftwaffe
Freiwilliger Wehrdienst

Grundausbildung im Wohnzimmer

Grundausbildung im Wohnzimmer

Datum:
Ort:
Köln
Lesedauer:
3 MIN

Ich heiße Juliane Sonntag und bin seit Februar 2022 freiwillig Wehrdienstleistende bei der Bundeswehr. Aufgrund der Corona-Pandemie beginnt mein Wehrdienst etwas anders, als es sonst üblich wäre. Es ist der 1. Februar 2022, ein Dienstagmorgen. Der Wecker klingelt um 6.15 Uhr. In einer halben Stunde muss ich mich zum ersten Mal in die Telefonkonferenz meiner Grundausbildung einwählen. Pünktlich um 7 Uhr begrüßt uns unser Zugführer. Es geht los. 

Porträt von Juliane Sonntag

Juliane Sonntag hat in London Multimedia-Journalismus studiert, jetzt leistet sie freiwilligen Wehrdienst bei der Bundeswehr

Bundeswehr/Elian Hadj-Hamadi

Wohnzimmer statt Kaserne

Seit Corona ist alles anders, auch die Grundausbildung bei der Bundeswehr. Statt auf einer Stube sitze ich am Schreibtisch in meiner Wohnung in Köln. Statt Uniform und Stiefeln trage ich Sportkleidung und Pantoffeln. Statt militärisch zu grüßen, setze ich meine Kopfhörer auf und wähle eine Telefonnummer, um mich mit meinen Kameradinnen und Kameraden zur Anwesenheitskontrolle am PC zu verbinden. 

Ich gebe zu: So richtig als Soldatin fühle ich mich noch nicht. Das wird vermutlich dadurch verstärkt, dass ich mich als eher untypische Rekrutin bereits im 30. Lebensjahr befinde und schon berufliche Erfahrungen außerhalb der Bundeswehr gesammelt habe. Zuletzt habe ich in London Multimedia-Journalismus studiert mit dem Schwerpunkt internationale Politik.

Durch meinen Partner habe ich etwas Einblick in die Bundeswehr bekommen, was mein Interesse geweckt hat. Kurzentschlossen habe ich mich dann bei der Bundeswehr beworben um mir zunächst einmal einen Einblick in den Soldatenberuf zu verschaffen, mit dem Ziel einer späteren Weiterverpflichtung im Bereich Presse. Nun bin ich dabei. Die Fernlernphase in meinem Masterstudiengang während des Lockdowns kommt dieser Fernlernphase erstaunlich nah – abgesehen von den Inhalten.

Juliane Sonntag sitzt an ihrem Schreibtisch und lernt den Umgang mit Karte und Kompass

Zurechtfinden im Gelände zu Hause am Schreibtisch: Hier lernt Juliane Sonntag den Umgang mit Karte und Kompass

Bundeswehr/Elian Hadj-Hamadi

Gesetze, Dienstgrade und NATO-Alphabet

Die Kombination aus Grundausbildung und Studium bereitet mich jedoch besonders gut vor.  Künftig möchte ich als freiwillig Wehrdienstleistende im Objektschutzregiment in Schortens in der Pressestelle arbeiten. Dort kann ich mein im Studium erworbenes Fachwissen einbringen, weitere Praxiserfahrung sammeln und „Soldatenluft“ schnuppern. Mein Lebensgefährte ist ebenfalls in Schortens eingesetzt und die Fähigkeiten des Objektschutzregiments finde ich sehr interessant und spannend.

Knapp zwei Jahre habe ich dann Zeit, um zu überlegen, ob ich mich weiterverpflichten möchte oder zurück ins zivile Leben gehe. Doch jetzt muss ich mich zunächst einmal auf das nicht-zivile Leben vorbereiten.

Innerhalb der kommenden sechs Wochen der Fernlernphase erarbeiten wir uns die nötigen theoretischen Inhalte, um gut vorbereitet in der anschließenden sechswöchigen Präsenzphase alle grundlegenden Fertigkeiten einer Soldatin beziehungsweise eines Soldaten zu erlernen. Dazu gehören Waffen- und Schießausbildung, Geländedienst, Sanitätsausbildung und Formaldienst. Im Theorieteil sprechen wir über die Gesetzesgrundlagen, den Umgang mit Karte und Kompass und die Sicherheitsregeln in der Schießlehre. Außerdem befassen wir uns mit aktuellen politischen Themen, derzeit hauptsächlich mit dem Russland-Ukraine-Konflikt. Wir lernen die Dienstgrade und das NATO-Alphabet auswendig. Zur Übung buchstabiere ich hierfür meinen Namen oder einfach nur Wörter, die ich zufällig lese. Mal arbeiten wir einzeln, mal in Gruppen.

Juliane Sonntag sitzt am Schreibtisch und nimmt am virtuellen Unterricht teil

Mit über 70 Kameraden im virtuellen Unterricht, der zuhause mit Telefon und PC stattfindet

Bundeswehr/Elian Hadj-Hamadi
Auf einem Schreibtisch liegen Lernunterlagen und ein Kompass, der PC läuft

Der Schreibtisch zu Hause mit PC und Ausbildungsunterlagen dient als Ausbildungsplatz während der Fernlernphase

Bundeswehr/Elian Hadj-Hamadi

Alltag zwischen Konferenzen, Sport und Lernen

Im Lauf der Zeit entwickelt sich eine Struktur im Alltag. Der Morgen startet mit der ersten Konferenz, danach bearbeite ich die gestellten Aufgaben für den Tag, mittags mache ich Sport. Ich gehe zum Laufen oder mache ein Workout zu Hause oder im Park, denn auch die körperliche Fitness gehört zum Auftrag in der Distance-Learning-Phase. Erfrischt vom Sport widme ich mich noch einmal den theoretischen Inhalten, bevor wir um 15 Uhr eine weitere Konferenz abhalten. Meistens wird dann unser Wissen überprüft und wir können Fragen stellen. Zum Abschluss des Tages gehe ich manchmal noch ins Fitnessstudio oder in eine Kletterhalle.

Juliane Sonntag läuft auf einem Sportplatz

Auf dem Sportplatz bereitet Juliane Sonntag sich auf die Grundausbildung vor und trainiert ihre Fitness

Bundeswehr/Juliane Sonntag

Gespannt auf die Präsenzphase

Besonders die Konferenzen halten mich bei der Stange. Sie motivieren zum Lernen und geben mir das Gefühl, nicht alleine zu arbeiten. Noch sind meine Kameradinnen und Kameraden lediglich anonyme Nummern auf meinem Telefon. Sie lassen sich nicht verbinden mit den Nachnamen und Stimmen, die ich in den Konferenzen höre, geschweige denn mit einem Gesicht.

Juliane Sonntag packt ihren Rucksack

Vor dem Start zum Präsenzunterricht in Germersheim packt Juliane Sonntag sorgfältig ihren Rucksack

Bundeswehr/Elian Hadj-Hamadi
Unterlagen und Bahnticket liegen vorbereitet auf dem Schreibtisch

Alle Unterlagen liegen bereit, auch das Bahnticket für die Reise

Bundeswehr/Elian Hadj-Hamadi

Trotzdem sehe ich der Präsenzphase gespannt entgegen: Wir wissen, welche Inhalte auf uns zukommen, unser Zugführer ist hilfsbereit und freundlich und wir sitzen alle im selben Boot. Jetzt heißt es nur noch coronafrei zu bleiben, dann geht es nach Germersheim in die Südpfalz-Kaserne.

Seit Mitte März ist Juliane Sonntag in Germersheim. Von dort wird sie weiter berichten.

von Juliane Sonntag und Frank Wiedemann

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