Kommandant in zwei Marinen
Kommandant in zwei Marinen
- Datum:
- Ort:
- Bremerhaven
- Lesedauer:
- 5 MIN
Hans Joachim Kuhfahl hat in der Volksmarine und in der Deutschen Marine gedient. Ein Karrierebild zum Tag der Einheit
Hans Joachim Kuhfahl ist Marineoffizier durch und durch. Er hat das getan, was jede Soldatin und jeder Soldat gelobt. Er hat seinem Land treu gedient, in seinem Fall sogar in herausragender Weise.
Das Besondere an seiner Biografie: Kuhfahl war sowohl in der Volksmarine also auch in der Deutschen Marine Kommandant eines Schiffes. Den Wechsel der Uniform hat sich der gebürtige Vogtländer nicht leicht gemacht. Die Liebe zum Wasser war ihm fast schon in die Wiege gelegt, seine Mutter stammt von der Ostseeküste.
Aufgewachsen ist er jedoch in Thossfell auf dem Gebiet der ehemaligen DDR. „Ich war schon als Jugendlicher ein begeisterter Segler und Rettungsschwimmer und durfte früh Segel- und Motorbootscheine abnehmen“, erinnert sich Kuhfahl. Er lernte Maschinenbauer, machte gleichzeitig sein Abitur – ein in der DDR üblicher und bewährter Bildungsgang. Am 28. August 1980 meldete er sich zu Volksmarine. „Und damit war meine Jugend vorbei“, sagt er heute.
Nur ein Landgang im ersten Jahr
Im ersten Jahr wurde dem jungen Soldaten nur ein einziger Landgang gewährt, auch später war das Leben fast rund um die Uhr durch das Militär geprägt. „Wir hatten ein hohes Bereitschaftssystem von 80 Prozent, mussten daher eigentlich permanent präsent sein“, so Kuhfahl.
Sein Nautikstudium war umrahmt von sportlicher und militärischer Ertüchtigung. „Nicht vergleichbar mit dem Studium, das die Bundeswehr heute in Hamburg oder München anbietet.“ 1984 wurde Kuhfahl in die Flotte übernommen, nach nur einem Jahr zum Ersten Offizier ernannt und schon als 27-Jähriger hielt er sein Kommandantenzeugnis in den Händen. „In Abwesenheit des Kommandanten durfte ich damals schon die 231 ‚Prenzlau‘ führen – als Jüngster in der Volksmarine“. Der junge Offizier konnte nicht ahnen, wie wichtig diese Erfahrungen in den kommenden Jahren für ihn werden würden. Denn schon wenig später wurde er nach Peenemünde versetzt und übernahm dort das Kommando über das Küstenschutzschiff „Grevesmühlen“, ähnlich einer Korvette.
65 Mann Besatzung in die Wende führen
Schon in normalen Zeiten wiegt die Verantwortung über ein voll aufmunitioniertes Schiff und seine Besatzung schwer. Doch normal waren diese Zeiten gewiss nicht. Selbst im streng abgeschotteten Peenemünde spürten die Soldaten, dass ihr Land vor großen Umwälzungen stehnt.
Hans-Joachim Kuhfahl versuchte, seiner Crew Sicherheit zu vermitteln und Ruhe zu bewahren. „Aber ich musste mit mir selbst ins Reine kommen. Und legte für mich selbst fest, dass ich niemals eine Waffe gegen das eigene Volk richten würde.“ Eine schwere und mutige Entscheidung für den damals 28 Jahre jungen Kommandanten. „Ich hatte große Angst, dass es zu einem zweiten 17. Juni oder einem zweiten 1968 wie in der Tschechoslowakei kommen könnte.“
Am 7. Oktober 1989, dem Geburtstag der DDR, nahm er mit seinem Schiff an der letzten Flottenparade der Volksmarine teil. Die Ungewissheit nagte an ihm, erst einige Wochen später nahmen die Worte des damaligen Admirals Hoffmann ihm eine Last von den Schultern. „Er sagte, die Marine würde auf keinen Fall an einem Einsatz teilnehmen, der nach Innen wirkt“, sagt Kuhfahl. Ihm ist dieser Satz wichtig. „Es sollte nicht vergessen werden, dass die Marine schon immer progressive Akzente gesetzt hat.“
Start in eine ungewisse Zukunft
Kommandant Kuhfahl schaffte es, sein Schiff samt Besatzung sicher durch unruhige Zeiten zu bringen. Zwischen Wende und Auflösung der Volksarmee kam es zu keinerlei Zwischenfällen in seinem Verantwortungsbereich, darauf ist er bis heute stolz. Trotzdem wollte er die Uniform ausziehen und sich zivil neu orientieren. „Die Phase, in der wir keine Antworten auf unsere Fragen erhielten, war einfach zu lang und zermürbend“, sagt er.
Doch ein Gespräch seiner Mutter machte ihm bewusst, wie sehr ihm die Marine fehlen würde. Also stellte er einen Antrag auf Übernahme – und wurde angenommen. „Das war ein unglaubliches Glück“, sagt er heute. Denn von insgesamt 3.000 Marineoffizieren wurden nur 67 in die Bundeswehr übernommen.
Was dann folgte, nennt Kuhfahl selbst eine „super Karriere“. Er erhielt erneut sein Kommandantenzeugnis für Fregatten und Zerstörer, übernahm dann interimsweise die Verantwortung für die „Brandenburg“ und wurde später Kommandant der „Karlsruhe“.
Zwei Einsätze – einen in der UNIFILUnited Nations Interim Force in Lebanon-Mission, einen weiteren in der Piratenbekämpfung am Horn von Afrika – lassen ihn bis heute stolz auf diese Zeiten zurückblicken. „Die Lage zwischen Israel und Libanon ist relativ stabil, auch am Horn von Afrika waren wir sehr erfolgreich“, resümiert der erfahrene Soldat.
Und wer ein wenig in den Archiven blättert, der erfährt, wie gefährlich gerade sein Einsatz bei der Operation Atalanta war. Mehrere Dutzend Menschen konnten Kuhfahl und seine Besetzung aus lebensbedrohlichen Situationen retten. Für ihn eine Selbstverständlichkeit, trotz der damit verbundenen Risiken. „Mir ist es immer um den Menschen gegangen“, sagt er.
Hohe Berufszufriedenheit bis heute
Nach seiner Zeit auf See wurde der Fregattenkapitän ans Taktikzentrum an der Marineoperationsschule in Bremerhaven versetzt, ging später als Chef des Stabes in einen Einsatzverband. Durch einen unverschuldeten Verkehrsunfall verlor er seine Seetauglichkeit, ist nun wieder ans Taktikzentrum zurückgekehrt, bis zu seinem Dienstzeitende im kommenden Jahr als stellvertretender Leiter.
Er liebt seine Arbeit bis heute, spricht von „98 Prozent Berufszufriedenheit“. Doch noch immer ist ihm anzumerken, dass er sich den Wechsel der Uniform nicht leichtgemacht hat. „Den 3. Oktober 1990 habe ich nicht mit Feiern verbracht. Ich habe nachgedacht, wie meine Zukunft aussehen könnte und wo meine Verantwortung liegt.“
Als geschichtsbegeisterter Mensch nutzte er die Wende, um Literatur über die DDR zu lesen, die ihm vor 1989 nicht zugänglich war. „Erst da wurde mir klar, dass ich in einer Diktatur gelebt hatte“, sagt er.
Heute ist Hans-Joachim Kuhfahl weder „Ossi“ noch „Wessi“. „Ich bin Deutscher und kann sagen, dass meine Integration in die Deutsche Marine wunderbar funktioniert hat“, hält er fest. Mit seiner Frau, einer Niedersächsin, will er das Leben im Ruhestand in Celle verbringen, „in der grauen Jahreszeit wechseln wir allerdings gern auf die Kanaren“, schmunzelt er. Der 3. Oktober ist für Kuhfahl bis heute der wichtigste Tag in seinem Leben. „Ohne diesen Tag hätte ich meine Frau nicht kennengelernt. Und ich hätte nie die Freiheit gehabt, mein Leben so zu gestalten, wie ich es durch die Wiedervereinigung konnte.“