U-Boot-Kommunikation: Der „Unterwasser“-Sender
U-Boot-Kommunikation: Der „Unterwasser“-Sender
- Datum:
- Ort:
- Wilhelmshaven
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- 5 MIN
Auch getaucht muss ein U-Boot Nachrichten empfangen können. Nur die Funksendestelle Ramsloh der Marine ermöglicht diese Art Kommunikation.
Jeder kennt das Problem, wenn er mit dem Auto in einen Tunnel fährt: Der UKW-Empfang ist gestört und das Radio rauscht, statt Musik zu spielen. Genau dasselbe passiert, wenn ein U-Boot abtaucht. Die Wasseroberfläche und die Wellen verhindern, dass kurzwellige Funksignale ihren Weg von einem Element ins andere finden und Informationen das Boot erreichen. Im Saterland, knapp südlich von Ostfriesland, liegt die Lösung für dieses Problem: die Marinefunksendestelle Ramsloh.
Die Anlage ist seit 36 Jahren im Dienst und gehört organisatorisch zum Marineunterstützungskommando, dem technisch-logistischen „Dienstleister“ der Flotte. Sie wird auch von den Verbündeten genutzt. „Wir stellen sicher, dass nicht nur unsere U-Boote, sondern auch die der NATONorth Atlantic Treaty Organization ihre nötigen Funksprüche erhalten“, erklärt Kapitänleutnant Jürgen Burkhardt, der Leiter der Dienststelle.
Auf der Fahrt vom 20 Kilometer entfernten Papenburg, der nächsten Stadt in der Umgebung, zur abgelegenen Anlage fällt eines besonders auf: Der Boden ist sehr feucht und überall sind riesige Wasserlachen zu sehen. Die Dienststelle liegt mitten im Moor.
Trotz ihrer Abgeschiedenheit kann man Burkhardts Arbeitsort schon aus einer Entfernung von 30 Kilometern sehen: Acht hohe Mastantennen sind das Kennzeichen der Dienststelle. Sie ragen 352,50 Meter hoch in den Himmel. Es gibt nur ein höheres Bauwerk in Deutschland: den Berliner Fernsehturm mit 368 Metern.
Acht Wolkenkratzer über Ostfriesland
Jeder einzelne Mast hat einen Durchmesser von 2,20 Metern und wiegt zusammen mit Dach- und Stützseilen beachtliche 475 Tonnen. Neben jeder Antenne steht noch ein Abstimmgebäude, in dem sich unter anderem meterhohe Kondensatoren und Spulen befinden. Je vier Masten auf der 540 Hektar großen, freien Fläche sind zusammen mit einem Kontrollbunker eine geschlossene Antennenanlage. Im Regelfall sind aber immer sieben Masten zusammengeschlossen und sendebereit.
Zu Masten und Stützseilen hinzu kommt das Erdnetz der Antennen. Das sind 200 Kupferkabel, die 30 Zentimeter unter der Erdoberfläche von jedem Antennenfuß aus strahlenförmig nach außen verlegt sind. Die 450 Meter langen Drähte im Boden ermöglichen ein leichtes Erden des Antennenstroms und sorgen so für optimale physikalische Eigenschaften der eigentlichen Antenne. „Die Kabel sind bleiummantelt, sonst würde der hohe Säuregehalt des Moors das Kupfer angreifen“, erläutert Hauptbootsmann Lars Dieterichs. Der gelernte Elektroniker ist einer der sogenannten Sendewachführer der Sendestelle. „Und die ganze Fläche muss relativ oft gemäht werden, weil wachsende Bäume sonst die Kabel beschädigen könnten.“
Diese Kombination also – hohe Masten, flaches Land und Lage im Moor mit hoher Bodenfeuchtigkeit – macht die Marinedienststelle so besonders. „Dadurch haben wir eine enorm große Reichweite. Das können andere nicht“, betont Dieterichs. Alle vergleichbaren Anlagen im Ausland, wie etwa in den USA oder in der Türkei, sind aufgrund des Baugrunds, beispielsweise auf Stein, nicht so leistungsstark.
Im Fachjargon ist die Marinefunksendestelle Ramsloh ein Rundfunk-Sender, im internationalen Englisch eine „Broadcast Radio Station“, auf Längstwelle, kurz VLF für „very low frequency“: Weltweit erreicht die VLF-Anlage mit ihrer Leistung von 800 Kilowatt auf Frequenzen zwischen 14 und 50 Kilohertz ihre Empfänger, prinzipiell egal in welcher Richtung – vorausgesetzt, sie sind nicht zu tief abgetaucht.
„Wir wissen nicht, was wir funken, sondern nur, dass wir funken“
Alle Nachrichten, die über ihren Sender rausgehen, sind bereits vom eigentlichen Absender verschlüsselt worden. Das kann etwa der Stab des 1. U-Bootgeschwaders in Eckernförde sein, das Maritime Operations Center in Glücksburg oder auch ein U-Bootkommandeur der USUnited States Navy an der amerikanischen Ostküste. Von ihnen kommen die Sendungen per Datenleitung nach Ramsloh. „Wir wissen nicht, was für Nachrichten wir funken, sondern nur, dass wir funken“, sagt der Marinetechniker Dieterichs.
Mit Betriebsbeginn der Anlage 1982 gab es aus der Bevölkerung in der Nachbarschaft zunächst viel Kritik wegen möglicher Strahlung. Das Risiko hat allerdings nie bestanden, weil es außerhalb des Geländes der Dienststelle keine erhöhte Strahlung besteht. Das bestätigen auch die unregelmäßigen Messungen durch die Strahlenmessstelle der Bundeswehr. Sie wird immer bei baulichen Änderungen an der Funkanlage tätig, zuletzt 2012. Jenseits von 80 Metern im Umkreis um die Antennen gibt es also keine höhere Strahlenbelastung als die natürliche. „Jedes Handy in der Hosentasche ist dann gefährlicher als unsere Anlage“, erläutert Dieterichs.
55 Soldaten und 15 zivile Mitarbeiter des „technischen Betriebsdienstes“ arbeiten in Ramsloh. Die meisten von ihnen sind Elektroniker, Elektriker, Mechatroniker oder Industriemechaniker. In Schicht- und Bereitschaftsdiensten halten sie den Funkbetrieb 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahre aufrecht.
Damit die U-Boote wegen Störungen oder Wartungen an den Antennen nicht auf ihre Nachrichten warten müssen, überprüfen Techniker regelmäßig je eine Antenne auf „Herz und Nieren“. „Dazu müssen wir die Antennen mit einem doppelt gesicherten Prozess ausschalten und erden“, so Dieterichs. „Da es hier um Menschenleben geht, wird Sicherheit bei uns großgeschrieben.“
Sobald die Antenne ausgeschaltet und geerdet ist, macht sich ein Antennentrupp mit zwei Soldaten oder Mitarbeitern auf den Weg dorthin. Sie können sich jetzt dem gekennzeichneten Abschnitt hinter dem Sicherheitszaun nähern, der die Antenne im Abstand von neun Metern umgibt. Wäre die Antenne noch im Betrieb, wäre diese Nähe zum Mast definitiv tödlich für den menschlichen Körper. „Hier fließen normalerweise bis zu 200 Ampère. In einem normalen Haushalt sind es 16 Ampère“, sagt Dieterichs.
Eine Brücke zwischen U-Boot und Landdienststelle
Ein Zahnradfahrstuhl, der nicht abstürzen kann, fährt im Innern des Antennenmastes zunächst auf 80 Meter Höhe. „Bei neuen Kollegen können wir an dieser Stelle testen, ob die Leute auch schwindelfrei sind, bevor es dann auf die volle Höhe geht“, erklärt Dieterichs. „Das ist wichtig, weil dort oben keine geschlossene Plattform ist.“
Anschließend geht es weiter bis auf 352 Meter. Oben angekommen, öffnet Dieterichs die Luke, aus der er rausklettern kann, um die Antennenspitze zu überprüfen: Die rote Warnbeleuchtung für Flugzeuge funktioniert einwandfrei, die Verspannung der Stützseile sitzt noch bombenfest. „Nach getaner Arbeit hab‘ ich in luftiger Höhe natürlich die Möglichkeit, den weiten Blick zu genießen. Das hat nicht jeder und ist immer wieder etwas Besonderes für mich“, erzählt er stolz.
Zwanzig Minuten später am Fuß der Antenne nimmt Dieterichs im Abstimmhaus intensive Checks vor. Alles funktioniert einwandfrei; am nächsten Tag kann die Antenne wieder in Betrieb genommen werden. Dann ist sie wieder die Brücke zwischen den Landdienststellen der Marine und ihren U-Booten in allen Weltmeeren.