
Das Operative Führungskommando der Bundeswehr wurde vor einem Jahr aufgestellt. Was waren für Sie besondere Meilensteine in den vergangenen Monaten?
Nach der Aufstellung zum 1. Oktober 2024 galt es, die Aufgaben aus dem Einsatzführungskommando der Bundeswehr und dem Territorialen Führungskommando der Bundeswehr bruchfrei in das neue Kommando zu übertragen. Das ist uns gelungen. Jede Überführung oder Übernahme eines Aufgabenfeldes war dabei für sich ein Meilenstein. Seit dem 1. April tragen wir die volle Verantwortung.
Für mich von besonderer Bedeutung war der Beschluss der NATONorth Atlantic Treaty Organization zum Jahreswechsel 2024/25, nach den Sabotageakten gegen kritische Unterwasserinfrastruktur in der Ostsee die Mission Baltic Sentry als Aufklärungs- und Überwachungsmission zu initiieren. Das Operative Führungskommando hat dabei den deutschen Beitrag ausgeplant – in kürzester Zeit und mit wenig Personal, parallel zur Aufgabenübertragung aus Einsatzführungskommando und Territorialem Führungskommando.

Wir haben gezeigt, dass wir eine kontinuierliche Aufgabenerfüllung garantieren und zugleich jederzeit auf mögliche Lageänderungen reagieren können. Und auch die Erstellung des operativen Lagebildes konnten wir schnell umsetzen.

Warum hat das operative Lagebild einen so großen Stellenwert?
Ein bewertetes operatives Lagebild ist eine essenzielle Grundlage für die Vorbereitung strategischer Entscheidungen. Nur mit Kenntnis aller Fakten – von den verfügbaren Kräften bis zur Bedrohungslage – sind eine verlässliche Planung und valide Prognosen möglich. Unser Lagebild umfasst dabei neben den Dimensionen Land, Luft, See, Cyber- und Weltraum auch die funktionalen Lagebilder der Sanität und der Logistik.
Wir wissen, welche Kräfte frei oder gebunden sind und welche Fähigkeiten in welchem Zeitraum zur Verfügung stehen. Neben der militärischen Daten- und Nachrichtenlage fließen zudem Informationen ziviler Sicherheitsorgane wie Bundespolizei und Zoll in unser Lagebild ein.

Und die Analyse befasst sich nicht nur mit Deutschland, sondern deckt Gesamt-Europa, den Nordatlantik und den Nahen Osten ab. Dazu zählt auch der Blick in die Krisenregionen der Welt. Die Zielsetzung ist, nicht Vergangenes zu analysieren, sondern beispielsweise hybride Angriffe zu prognostizieren und abzuwehren, bevor sie Realität werden.

Welchen Mehrwert hat das Kommando für die Verteidigungsfähigkeit der Bundeswehr und die Sicherheit Deutschlands?
Unser Mehrwert ist der ganzheitliche Blick. Als Befehlshaber des Operativen Führungskommandos ist es nun möglich, die Kräfte und Fähigkeiten der Bundeswehr auf ein Ziel, einen militärischen Effekt auszurichten: Ich kann damit operative Schwerpunkte setzen und Gefahren stringenter und konsequenter begegnen.

Wir lernen und wissen täglich mehr darüber, wer uns wie bedroht und können daher schneller lageangepasst reagieren und abschrecken. Damit machen wir die Truppe schlagkräftiger und leisten unseren Beitrag zur Sicherheit und Resilienz Deutschlands.

Die Großübung Quadriga 25 ist gerade zu Ende gegangen. 2026 koordiniert das Operative Führungskommando Quadriga. Was bedeutet das?
Nach Heer und Marine übernimmt das OpFüKdoBwOperatives Führungskommando der Bundeswehr die Rolle des übungskoordinierenden Kommandos für Quadriga und behält diese Aufgabe. Für uns liegt künftig ein Schwerpunkt darin, Operationspläne sowie das Zusammenwirken der Führungsebenen der Dimensions- und Fähigkeitskommandos zu beüben, um unsere Führungsprozesse noch stärker auf eine wirksame Landes- und Bündnisverteidigung auszurichten.
Das bedeutet: Sind die NATONorth Atlantic Treaty Organization-Außengrenzen bedroht, müssen sehr reaktionsschnell, mit nur wenigen Tagen Vorlauf, NATONorth Atlantic Treaty Organization-Kräfte durch Deutschland verlegen. Dies wächst dann sehr schnell auf, sodass innerhalb von 180 Tagen bis zu 800.000 Soldatinnen und Soldaten befreundeter Nationen mit ihren Waffen, Fahrzeugen und Versorgungsgütern so schnell wie möglich quer durch Deutschland in ihre jeweiligen Einsatzräume verlegt und dabei untergebracht und versorgt werden. Wir werden zeigen, dass das funktioniert.

Das bedeutet: Sind die NATONorth Atlantic Treaty Organization-Außengrenzen bedroht, müssen sehr reaktionsschnell, mit nur wenigen Tagen Vorlauf, NATONorth Atlantic Treaty Organization-Kräfte durch Deutschland verlegen. Diese wächst dann sehr schnell auf, sodass innerhalb von 180 Tagen bis zu 800.000 Soldatinnen und Soldaten befreundeter Nationen mit ihren Waffen, Fahrzeugen und Versorgungsgütern so schnell wie möglich quer durch Deutschland in ihre jeweiligen Einsatzräume verlegt und dabei untergebracht und versorgt werden müssen. Wir werden zeigen, dass das funktioniert.

Konflikte werden auch im Informationsumfeld ausgetragen. Wie bewerten Sie hier die Bedrohungslage?
Das Verfestigen russischer Narrative im Informationsumfeld und die Auswirkungen auf die Stimmungslage in der Gesellschaft verdienen unsere Aufmerksamkeit. Der Versuch der Einflussnahme durch kognitive Kriegsführung ist signifikant. Jede Technologie wird genutzt – künstliche Intelligenz, Bots, Desinformation –, um die öffentliche Meinung zu beeinflussen.

Bildgenerierende KIkünstliche Intelligenz schafft vermeintliche Bildnachweise, die kaum als Fake News zu erkennen sind und sich in Sekundenschnelle weltweit verbreiten lassen. Mit zunehmender Manipulierbarkeit steigt dabei zugleich die Relevanz verifizierter Daten und Informationen. Hier gilt es, die Gesellschaft zu sensibilisieren und resilienter zu machen. Aber das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und kein Auftrag der Streitkräfte.

Eine der Aufgaben des OpFüKdoBwOperatives Führungskommando der Bundeswehr ist die Analyse von Krisen und Konflikten Dritter. Was kann man sich darunter vorstellen?
Die Analyse von Kriegen Dritter ist Teil der operationellen Auswertung der Bundeswehr. Auch Einsätze und Übungen werden beobachtet und ausgewertet. Ziel ist, relevante Änderungen der Kriegsführung zu identifizieren und in die Fähigkeitsentwicklung der Streitkräfte einfließen zu lassen – aber eben relevante Änderungen.
Gerade bei technischen Trends besteht das Risiko, aufs falsche Pferd zu setzen. Zugleich tendieren wir dazu, die Forschung bei technischen Innovationen zu begrenzen, statt Entwicklungsmöglichkeiten auszuloten und dann zu entscheiden, ob wir diese militärisch nutzen oder beispielsweise aus humanitären Gründen davon absehen.

Dieses Vorgehen birgt das Risiko eines Innovationsvorsprungs für potenzielle Gegner, der nur schwer wieder einzuholen ist. Wir müssen kennen, was der Gegner nutzt, um es wirksam bekämpfen zu können. Das sehen wir bei künstlicher Intelligenz ebenso wie beim Einsatz von Drohnen.

Stichwort Drohnen: Werden sie das Gefechtsfeld der Zukunft beherrschen?
Unbemannte Systeme sind nicht mehr wegzudenken, ob zur Aufklärung, als Führungs- oder Wirkmittel. Sie verändern die Kriegsführung. Darin sind sie mit dem Panzer vergleichbar. Die Kriegsgeschichte zeigt aber auch: Immer, wenn ein Waffensystem neu eingeführt und erfolgreich eingesetzt wird, schreitet gleichermaßen die Entwicklung von Abwehrmitteln voran. Diese Wechselwirkung zwischen neuen Angriffssystemen und entgegenwirkenden Abwehrverfahren sehen wir auch in der Ukraine – mit sehr schnellen Innovationszyklen von Wochen bis zu wenigen Monaten.
Aber Technik allein ist kein Gamechanger. Sie benötigt eine taktische Einbindung in Operationsführung und Einsatzverfahren, um zu Wirkung zu kommen. Um beim Beispiel Panzer zu bleiben: Der Erfolg des Panzers beruht nicht auf seiner Panzerung und Feuerkraft, sondern erst in der Verknüpfung von Feuer und Bewegung mit der Auftragstaktik und dem Wirken im Verbund, das erst durch die Funktechnik möglich wurde. Das gilt auch für unbemannte Systeme.

Und – auch das sehen wir in der Ukraine – Drohnenschwärme können zwar Frontlinien statisch einfrieren. Sie schaffen Niemandsland, das niemand beherrscht. Um Bewegung und Stoßkraft zu entwickeln, benötigt es aber weiterhin gepanzerter Kampftruppe. Am Ende muss der Fuß des Soldaten am Boden stehen, um die Kontrolle über ein Terrain zu erlangen.