Patenschaft: Wenn Fremde zu Freunden werden

Patenschaft: Wenn Fremde zu Freunden werden

Datum:
Ort:
Hamburg
Lesedauer:
5 MIN

Es weihnachtet an der höchsten militärischen Ausbildungsstätte in Hamburg. Goldene und silberne Kugeln schmücken einen großen Tannenbaum im Foyer des Stabsgebäudes. Die Lichterkette leuchtet. Und der Duft von Gewürzspekulatius erfüllt den Raum. Oberst der Reserve Thomas Schmidt und Oberstleutnant Zuru Ustiashvili aus Georgien halten kurz vor dieser weihnachtlichen Kulisse an und tauschen sich aus. Beide Offiziere kennen sich noch nicht lange, doch sie verbindet bereits viel - eine Patenschaft. Was es damit auf sich hat, erzählten sie nun bei einem Gespräch.

LGAI-Pate und Patenoffizier stoßen am Weihnachtsbaum an

Seit vier Monaten verbindet Oberst der Reserve Thomas Schmidt (links) und Oberstleutnant Zuru Ustiashvili aus Georgien eine Patenschaft

Führungsakademie der Bundeswehr/Lene Bartel

Dass er mal einen Paten haben wird, damit hat Oberstleutnant Ustiashvili nicht gerechnet. Patenschaften waren ihm aus seinem Heimatland Georgien weitestgehend bekannt. Hier jedoch ausschließlich für Kinder. Das sollte sich ändern, als er in Deutschland angekommen ist. Denn beim Bundessprachenamt in Hürth wurde er zum ersten Mal selbst mit dem Thema konfrontiert. Acht Monate lang lernte er dort die deutsche Sprache, bevor es ihn nach Hamburg an die Führungsakademie der Bundeswehr verschlug. Hier nimmt er seit vier Monaten zusammen mit anderen Stabsoffizieren aus Nicht-NATO-Mitgliedsstaaten am Lehrgang Generalstabsdienst/Admiralstabsdienst International (LGAI) teil. Jeder Teilnehmer bekommt einen Paten an seine Seite. „Am Anfang habe ich den Sinn und Zweck einer solchen Patenschaft nicht verstanden. Meine Deutschkenntnisse waren zu dieser Zeit noch nicht so gut. Doch dann wurde mir erklärt, dass uns die Paten helfen, die deutsche Kultur und die deutsche Tradition besser kennenzulernen“, sagt Ustiashvili und ergänzt: „Aus diesem Grund finde ich das natürlich sehr gut, einen Paten an meiner Seite zu haben.“

Pate hatte früher selbst einen Paten

Wie hilfreich eine Patenschaft sein kann, hat Oberst der Reserve Thomas Schmidt selbst erlebt. Beruflich war er viel im Ausland unterwegs. „Hier habe ich viele Menschen kennengelernt, die mich in meinen Aufgaben unterstützt und geholfen haben, mich im neuen Umfeld zurecht zu finden“, sagt er. Als er dann gefragt wurde, ob er als Pate an der Führungsakademie der Bundeswehr tätig sein möchte, zögerte er nicht. „Ich fühlte mich geehrt und es war für mich selbstverständlich, hier zu helfen.“ Oberstleutnant Ustiashvili ist bereits sein zweiter Patenoffizier, dem er mit Rat und Tat zur Seite steht. „Ich möchte ihm das Leben in Deutschland, insbesondere das Leben in Norddeutschland, und den privaten familiären Alltag zeigen. Zudem lernt er die militärischen Kenntnisse an der Führungsakademie der Bundeswehr kennen“, so Schmidt. Es gehe weniger darum, den ausländischen Offizieren etwas beizubringen, sondern vielmehr, ihnen zu zeigen, „wie wir unser Land und den Blick auf andere Länder sehen.“ So sei es ihm und seiner Familie wichtig, ihrem Patenoffizier einen offenen Umgang mit anderen Menschen, Kulturen und Religionen zu vermitteln. Das sei jedoch nicht immer einfach: „Leider zeigt sich Deutschland hierzu zur Zeit nicht nur von seiner besten Seite“, merkt Schmidt an. 

Pünktlichkeit versus Bürokratie

Regelmäßig unternehmen der Pate und der Patenoffizier etwas am Wochenende. Mal treffen sie sich bei Thomas Schmidt zu Hause, mal gehen sie gemeinsam in die Stadt, gucken sich Sehenswürdigkeiten an und lernen mehr über die Stadtgeschichte. „Zum Beispiel hat er mir erzählt, warum das Denkmal von Otto von Bismarck an der Stelle errichtet wurde. Das hat mir der Reiseleiter bei einer Stadtrundfahrt nicht erzählt“, sagt Ustiashvili, der noch viele Fragen mit seinem Paten besprechen möchte. „Es interessiert mich, wie die Deutschen leben. Was sie essen, trinken. Welche traditionellen Gerichte es gibt. Warum sie so gut im Fußball sind. Warum sie jeden Tag Sport treiben. Und warum viele bereits in ihrer Kindheit das Fahrradfahren erlernen.“ Viele Eindrücke konnte der Offizier bereits von der deutschen Kultur sammeln. Schnell hat er positive als auch negative Punkte festgestellt: „Was mir an der deutschen Kultur gefällt, sind Ehrlichkeit, Pünktlichkeit, Gerechtigkeit und Disziplin. Was mir an der deutschen Kultur nicht gefällt, sind Bürokratie und viele Steuern.“

Eine LGAI-Patenschaft an der Führungsakademie der Bundeswehr

Wie wird in Deutschland Weihnachten gefeiert? Und wie in Georgien? Darüber tauschen sich Oberst der Reserve Thomas Schmidt (links) und Oberstleutnant Zuru Ustiashvili aus Georgien aus

Pivat

LGAI-Teilnehmer berichtet von Weihnachten in Georgien

Doch als sich Thomas Schmidt und Zuru Ustiashvili kürzlich vor dem Weihnachtsbaum im Stabsgebäude trafen, sollte es nicht um Steuern und Bürokratie gehen. Vielmehr tauschten sich der Pate und der Patenoffizier über Weihnachten aus. „Weihnachten ist auch in Georgien ein Grund zum Feiern. Bei uns versammeln sich manche Leute abends am 6. Januar in der Kirche zum gemeinsamen Gottesdienst und sie bleiben fast die ganze Nacht. Es wird viel gebetet und man zündet Kerzen an“, sagt Ustiashvili. Auch der Weihnachtsmann kommt vorbei und verteilt die Geschenke. Auf zwei Traditionen wird in Georgien besonders Wert gelegt: „Zu Hause werden die Kerzen angezündet und auf die Fensterbank gestellt. Es wird darauf gewartet, dass Christus ins Haus kommt und betet. Und am 7. Januar finden feierliche Umzüge durch die Hauptstadt Tiflis statt, auch Alilo Prozession genannt. Das ist eine Besonderheit des georgisch-orthodoxen Weihnachtsfestes. Bei diesem Umzug werden Geschenke und Essen gesammelt, um sie für die Obdachlosen und ein Waisenhaus zu spenden.“

Familie ist in Georgien geblieben

Kulinarisch hat das Fest auch einiges zu bieten. „Die Familie versammelt sich um den Tisch und es gibt den georgischen Weihnachtskuchen: Tschurtschchela, Gozinaki, Kichererbsen und viele Süßigkeiten. Es gibt auch traditionelle Gerichte wie zum Beispiel: Satsivi, Felamushi, Chatschapuri, Mzwadi, Tschachochbili und vieles mehr“, verrät der Patenoffizier, der ohne seine Familie nach Deutschland gekommen ist. In Georgien leben seine Frau, sein zwölfjähriger Sohn und seine elfjährige Tochter. „Beide gehen in die Schule und sie möchten diese nicht wechseln“, erklärt er. Das akzeptiert er und so hat die Familie die Entscheidung getroffen, dass er für die Zeit des Lehrganges alleine nach Deutschland geht.

Ob er in diesem Jahr Weihnachten in Hamburg feiert, das steht noch nicht fest. Thomas Schmidt hingegen verbringt den Heiligabend mit seinen Kindern und Enkelkindern zu Hause. Am ersten Weihnachtstag trifft sich die gesamte Familie zum Essen in einem Restaurant. „Sollte unser ‚Patenkind‘ nicht in die Heimat fliegen, verbringt er selbstverständlich das Fest mit uns.“

von Führungsakademie der Bundeswehr/ Sophie Düsing  E-Mail schreiben