Masse mit Klasse: Personalgewinnung bei der Bundeswehr
Masse mit Klasse: Personalgewinnung bei der Bundeswehr
- Datum:
- Lesedauer:
- 5 MIN
Die Bundeswehr benötigt mehr Personal, und das so schnell wie möglich. Die neuen Aufgaben in der Landes- und Bündnisverteidigung sowie die Verpflichtungen Deutschlands in der NATONorth Atlantic Treaty Organization erfordern insbesondere deutlich mehr Soldatinnen und Soldaten. Was wird unternommen, um Menschen vom Einstieg in die Bundeswehr zu überzeugen?
Die Bundeswehr ist mit rund 263.000 Beschäftigten einer der größten Arbeitgeber der Bundesrepublik Deutschland. Durch die Besonderheiten des Soldatenberufs – die meisten Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr verpflichten sich auf Zeit – gibt es vor allem im militärischen Bereich einen hohen Personalbedarf. Allein für ihren Personalerhalt müssen die Streitkräfte jedes Jahr etwa 20.000 Soldatinnen und Soldaten neu einstellen. Zudem muss die Truppe in den nächsten Jahren aufwachsen, damit Deutschland seinen Beitrag zur Abschreckung Russlands und zum Schutz des NATONorth Atlantic Treaty Organization-Gebiets leisten kann.
Fachkräfte sind ein knappes Gut
Die NATONorth Atlantic Treaty Organization-Mitgliedstaaten wollen mehr für die gemeinsame Verteidigung tun. Deshalb soll die Bundeswehr von derzeit rund 182.000 auf dann 260.000 aktive Soldatinnen und Soldaten aufwachsen. Um diesen Personalbedarf für die Landes- und Bündnisverteidigung am Arbeitsmarkt zu decken, stehen die Streitkräfte allerdings nicht nur mit „Blaulichtorganisationen“ wie der Polizei und der Feuerwehr im Wettbewerb, sondern auch mit der privaten Wirtschaft.
Der demografische Wandel tut ein Übriges. Jedes Jahr scheiden mehr qualifizierte Arbeitskräfte aus dem Erwerbsleben aus, als neue Arbeitskräfte hinzukommen. In der Folge hat sich der Arbeitsmarkt von einem Nachfrage- in einen Angebotsmarkt verwandelt: Es sind nicht mehr die Arbeitnehmenden, die um knappe Arbeitsplätze konkurrieren – stattdessen liefern sich die Arbeitgebenden einen Wettbewerb um geeignetes Personal. Das gilt nicht nur, aber vor allem für Fachkräfte. Besonders hoch ist der Personalbedarf in den Bereichen ITInformationstechnik und Logistik sowie in den technischen und medizinischen Berufen.
Die Bundeswehr muss sich deshalb von ihren Wettbewerbenden abheben, um die besten Köpfe zu gewinnen. Dafür sucht sie schon frühzeitig den Kontakt zu potenziellen Bewerbenden: So weisen die Streitkräfte nicht nur in den sozialen Netzwerken, sondern auch mit Informationsschreiben auf Karriereoptionen hin. Mit Praktika werden Interessierte frühzeitig an die Truppe herangeführt. Ein besonders attraktives Angebot für Berufstätige ist der Dienst in der Reserve. So lässt sich ein ziviler Beruf mit dem zeitweiligen, meist heimatnahen Engagement in den Streitkräften verbinden. Auch bisher Ungediente können so ihren Beitrag zum Schutz der Heimat leisten.

Das Interesse wächst: Seit dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine erfährt die Bundeswehr großen Zuspruch aus der Bevölkerung. Hier stellt sich eine Soldatin auf dem Hessentag 2024 in Fritzlar den Fragen einer Schülergruppe.
Bundeswehr/Elian Hadj Hamdi
Bestens beraten: Die Bundeswehr unterhält in vielen Städten Karrierelounges, in denen sich Bürgerinnen und Bürger über die beruflichen Chancen beim Militär informieren können. Die Auswahl ist riesig – rund 1000 Berufsbilder werden angeboten.
Bundeswehr/Tom TwardyIm Dienst für die Gesellschaft
Wer sich für die Bundeswehr entscheidet, bekommt viel geboten. Rund 1.000 verschiedene Berufsbilder gibt es in den Streitkräften. Vom Dienst in der Truppe über die Ausbildung bis hin zum Studium: Es gibt nur wenig, was es in der Bundeswehr nicht gibt. Darüber hinaus stellen sich Soldatinnen und Soldaten in den Dienst ihrer Bürgerinnen und Bürger und tragen so zu einem funktionierenden demokratischen Gemeinwesen bei. Mit ihrem Dienst an der Gesellschaft leisten sie einen zentralen Beitrag zur Sicherheit, zur Freiheit und zum Wohlstand ihrer Mitmenschen – ein Umstand, der spätestens seit Ausbruch des Krieges in der Ukraine immer mehr wahrgenommen wird. Deutschland entwickelt eine neue Wertschätzung für seine Parlamentsarmee und die Frauen und Männer in Uniform. Das zeigen nicht nur die Besucherrekorde zum Tag der Bundeswehr, sondern auch die steigenden Bewerbendenzahlen bei den Streitkräften.
Bundeswehrangehörige sind Beschäftigte des öffentlichen Dienstes und genießen die damit verbundenen Vorteile. Ziviles Personal findet bei der Bundeswehr dieselben attraktiven Bedingungen vor wie in anderen Bundesbehörden. Soldatinnen und Soldaten haben einen ähnlichen Status wie Beamte und genießen weitere Vorteile, mit denen ihrer besonderen Rolle als Garanten staatlicher Sicherheit Rechnung getragen wird. Viele nehmen persönliche Einschränkungen in Kauf, um ihrem Land zu dienen. Soldaten und Soldatinnen müssen bereit sein, ihr Leben für ihr Land zu geben. So haben sie es zu Beginn ihrer Dienstzeit gelobt oder geschworen.
Ein besonderer Beruf mit besonderen Vorteilen
Ein Beispiel ist die medizinische Versorgung. Sie ist für Soldatinnen und Soldaten unentgeltlich. Gleiches gilt für Dienstkleidung und Ausrüstung. Für jüngere Uniformierte wird eine unentgeltliche Unterkunft zur Verfügung gestellt. Auch die Fahrtkosten zur Unterkunft und zurück werden erstattet. Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen sind nicht nur kostenlos, sondern werden auch über die gesamte Dienstzeit hinweg angeboten. Angehende Offizierinnen und Offiziere beziehen während ihres Studiums volles Gehalt, statt ihre akademische Bildung privat finanzieren zu müssen. Soldatinnen und Soldaten auf Zeit können Prämien bekommen, wenn sie sich dazu entschließen, die Dauer ihrer Verpflichtung in bestimmten Bereichen zu verlängern.
Zum Soldatenberuf kann es auch gehören, in den Auslandseinsatz zu gehen. Wer in den Einsatz geht, erhält zusätzlich zu seiner Inlandsbesoldung einen Auslandsverwendungszuschlag. Seine Höhe hängt von den jeweiligen Bedingungen in den Einsatzgebieten ab. Für Auslandsverwendungen wie zum Beispiel in Litauen werden neben einem attraktivem Arbeitsumfeld auch Auslandsdienstbezüge nach dem Bundesbesoldungsgesetz geboten. Für besonders verantwortliche Tätigkeiten oder Aufgaben mit besonderer Erschwernis werden zudem sowohl im Inland als auch im Ausland Zulagen gezahlt. Daneben können Soldaten und Soldatinnen in Uniform in ganz Deutschland kostenfrei Bahn fahren.
Erleidet eine Soldatin oder ein Soldat im Dienst gesundheitliche Schädigungen, die nicht nur vorübergehend bestehen, können unter anderem Ausgleichszahlungen geleistet und die Kosten der medizinischen Versorgung übernommen werden. Die Fürsorge der Bundeswehr für ihre Soldatinnen und Soldaten endet auch nicht mit dem Ende der Dienstzeit: Ausgeschiedene Uniformierte werden teils noch mehrere Jahre vom Berufsförderungsdienst bei ihrer zivilen Karriere unterstützt.
Zusammenarbeit mit Behörden und Unternehmen
Die Streitkräfte pflegen zudem Kooperationen mit Behörden und Privatunternehmen, um ehemaligen Soldatinnen und Soldaten den Schritt ins zivile Berufsleben zu erleichtern. Beispielsweise vereinbarte Verteidigungsminister Boris Pistorius im November 2024 eine Intensivierung der Zusammenarbeit mit der Bundesagentur für Arbeit, um insbesondere die militärische Personalgewinnung zu stärken. Zum einen unterstützt die Arbeitsagentur unter anderem mit der Beratung von Arbeitssuchenden die Bundeswehr bei der Suche nach passendem militärischem Personal. Zum anderen unterstützt sie die Vermittlung ehemaliger Soldatinnen und Soldaten in den zivilen Arbeitsmarkt.

Das schweißt zusammen: Bundeswehr und Technisches Hilfswerk konkurrieren um knappe Arbeitskräfte, aber arbeiten in der zivil-militärischen Zusammenarbeit häufig Hand in Hand – wie hier bei der Übung „National Guardian“ in der Oberlausitz
Bundeswehr/Thilo Pulpanek
Fürsorge über die Dienstzeit hinaus: Die Bundeswehr unterstützt ausscheidende Soldatinnen und Soldaten beim Wechsel ins zivile Berufsleben. Dafür unterhalten die Streitkräfte Kooperationsprogramme mit Unternehmen und Behörden.
Darius Retzlaff/BundeswehrDort können sie die Qualifikationen einbringen, die sie in ihrer Zeit bei der Bundeswehr erworben haben. Ähnliche Vereinbarungen wurden mit Konzernen wie der Deutschen Bahn oder der DHL Group getroffen. Bundeswehr und Unternehmen ziehen also an einem Strang – und beide Seiten profitieren. Gleiches gilt für das Reservistenwesen: Von den Erfahrungen, die Reservistinnen und Reservisten bei der Bundeswehr sammeln, hat auch ihr Arbeitgeber etwas.
Das Artikelgesetz Zeitenwende steigert die Attraktivität des Militärdienstes weiter. Die Auslandsverwendungszuschläge wurden deutlich erhöht und die Übergangsbeihilfen für ausscheidende Zeitsoldatinnen und -soldaten mit einer Dienstzeit von mehr als 20 Jahren wurden aufgestockt.
In der Folge wollen immer mehr Menschen zur Bundeswehr. 2024 wurde ein Anstieg der Bewerbungen für den militärischen Dienst registriert, insbesondere bei den Fachkräften gibt es deutliche Zuwächse. Dieser Trend setzt sich laut der Personalabteilung im Verteidigungsministerium auch 2025 fort. Der drastisch gestiegene Personalbedarf wird dennoch absehbar eine der zentralen Herausforderungen für die Bundeswehr bleiben.