Heer
Luftlandeoperation

Mit dem Fallschirm zur Arbeit

Mit dem Fallschirm zur Arbeit

Datum:
Ort:
Bayern
Lesedauer:
6 MIN

Fallschirmjäger sind Kräfte der ersten Stunde. An ihren Fallschirmen werden sie hinter feindlichen Linien abgesetzt, um dort Geländeabschnitte zu nehmen oder zeitlich begrenzt zu halten. So schaffen sie die Voraussetzungen für nachrückende Soldatinnen und Soldaten. Doch sind Luftlandeoperationen noch zeitgemäß oder sind sie nur noch eine Tradition vieler Armeen?

Fallschirmjäger mit Sprunggepäck laufen hintereinander auf einen Airbus A400M zu.

Fallschirmjäger der Infanterieschule tragen den Truppenfallschirm T-10 mit roten Aufziehleinen. Sie üben die Abläufe vor, während und nach ihrem Sprungeinsatz.

Bundeswehr/Andrea Rippstein

Entschlossenheit und Überraschung sind die bestimmenden Merkmale der Fallschirmjäger. Bei dem Einsatz von Fallschirmjägern denken viele an bekannte geschichtsträchtige Schlachten. Dazu gehört die Operation Varsity, die Rheinüberquerung nördlich von Wesel. Am 24. März 1945 sprangen rund 14.400 Soldaten der Alliierten per Fallschirm über dem rechten Rheinufer ab. 

Doch Luftlandeoperationen wurden nicht nur während der Weltkriege durchgeführt. So sind Operationen wie „Just Cause“ der USUnited States-Streitkräfte in Panama 1989 oder auch die Operation „Serval“ in Mali 2013, bei der französische Kräfte die Stadt Timbuktu einnahmen, Beispiele für Fallschirmjägereinsätze. Aber auch in einem Landes- und Bündnisverteidigungsszenario rücken Luftlandeoperationen wieder mehr und mehr in den Mittelpunkt.

Aus langsam wird flüssig und aus flüssig wird schnell

Fallschirmjäger üben das Verhalten am Fallschirm.

„Springer nehmen die Absprunghaltung ein.“ Mit diesen Worten beginnt das Vorspringen. Vor jedem Sprung werden Notverfahren geübt. Laut schallt es: „Hopptausend, Zwotausend, Dreitausend, Viertausend, überprüfe Kappe, halte Umschau!“

Bundeswehr/Andrea Rippstein

Für eine Luftlandeoperation muss man sehr gut ausgebildet sein. „Der Fallschirmsprung stellt dabei nur den Weg zur Arbeit dar. Der eigentliche Auftrag beginnt mit der Landung“, erklärt einer der Ausbilder an der Infanterieschule in Hammelburg. Aber auch schon der Fallschirmsprung an sich, könne den Erfolg der militärischen Operation gefährden. Soldatinnen und Soldaten, die am Schirm hängen, könnten etwa durch auftretenden Seitenwind stark vom geplanten Landepunkt abgetrieben werden. Umso wichtiger sei es, dass die Fallschirmjäger das Sammelverfahren beherrschen, führt er weiter aus. 

Um das Niveau des Ausbildungsstandes hochzuhalten, werden neben dem jährlichen Lizenzerhalt auch taktische Sprünge absolviert. „Der einfache Sprungdienst zum Lizenzerhalt unterscheidet sich im Vergleich zu taktischen Sprüngen deutlich.“ Das Verhalten nach der Landung, aber auch die Wahl der Ausrüstung, würden dabei eine wichtige Rolle spielen. Das Verhalten im Luftfahrzeug, am Schirm oder auch das Sammeln nach der Landung sind Fähigkeiten, welche die Soldatinnen und Soldaten immer wieder üben müssen, damit sie diese beherrschen. „Wie bei allen anderen Ausbildungen herrscht auch hier das Motto – vom Leichten zum Schweren.“ Der Lizenzsprung stellt die einfachste Stufe dar. Die Teilnehmenden belegen damit, dass sie wissen, wie sie sich im Luftfahrzeug und am Schirm verhalten müssen. Der Gefechtssprung schult darüber hinaus das taktische Verhalten der Springer nach der Landung. Die Routine schafft dabei die Sicherheit. 

Ein Sprungtag startet mit der Fahrt zum Flugplatz. Nach der Einweisung in die Lage werden Sprungreihen eingeteilt. Das bedeutet, jeder Soldatin und jedem Soldat wird der Platz im Flugzeug zugewiesen und so auch genau bestimmt, wann sie in welcher Reihenfolge springen. „Nach dem Empfang der Fallschirme steigt die Nervosität merklich an – jetzt wird es ernst. Wenn das Flugzeug kommt, muss es schnell gehen. Schirme und Gurte ausbreiten, anlegen und Notverfahren durchgehen“, beschreibt der Ausbilder die letzten Tätigkeiten. Das Üben solcher Eventualitäten ist eine Routine vor jedem Sprung und gibt den Springerinnen und Springern durch ständiges Wiederholen Sicherheit. Jedes Mal, bevor die Frauen und Männer ins Flugzeug steigen, gehen sie in der Maschine gedanklich ins „Stillgestanden!“. Es erhallt der Schlachtruf der Fallschirmjägertruppe: Glück – Ab!

Stand up, hook up

Ein A400M fliegt über den Absetzplatz und setzt Fallschirmjäger ab.

Nach dem Absprung öffnet sich die Rundkappe automatisch. Der Truppenfallschirm T-10 wird wegen seiner Zuverlässigkeit seit den Fünfzigerjahren in verschiedenen Varianten in der Bundeswehr genutzt.

Bundeswehr/Benjamin Bendig

Auch in der Maschine folgen die Soldatinnen und Soldaten streng einstudierten Mustern. Die Maschine nimmt ihren Kurs in Richtung Absetzgebiet, bis die Absetzer und das Bordpersonal anfangen aufzustehen. „Wir geben das Signal ,Fifteen minutes!'“, erklärt der verantwortliche Absetzer. Durch die Einbindung in multinationale Missionen erfolgen im A400M die Kommandos in Englisch. „Die Soldaten schnallen sich ab, stehen auf und haken sich in das Ankerseil ein. Da es sehr laut ist, wird jeder Befehl laut wiederholt und auch durch Handzeichen optisch signalisiert.“ 

Mit dem Kommando „Three minutes!“ öffnen sich die Türen. Starker Wind bläst allen Insassen ins Gesicht. Wer vorn in der Sprungreihe steht, hat das Glück, hinausschauen zu können und etwas von der Umgebung zu erhaschen. „Nach dem Vorrücken zur Tür folgt das Kommando „Stand-by!“. Die Springer drehen sich nun in die Tür und fassen mit beiden Händen an den Reserveschirm, der vor den Bauch geschnallt ist“, so der Absetzer. Die Absetzer beaufsichtigen jeden Sprung aus dem Flugzeug und geben, wenn nötig, Hilfestellungen.

Ein Springer steht an der offenen Tür des Flugzeuges. Es fliegt mit etwa 250 Kilometern pro Stunde und in einer Höhe von rund 500 Metern über Grund. Schlussendlich kommt das Signal „Go!“ und der Springer verlässt das Luftfahrzeug. Der Wind erfasst ihn und rüttelt ihn durch. „Für einen kurzen Moment wissen die Springer nicht mehr, wo oben und unten ist. Doch die Drehungen enden mit der Öffnung des Schirms, der durch die Aufziehleine automatisch geöffnet wird. Anfangs pendelt der Springer noch stark. Dann kehrt langsam Ruhe ein und aus der Hektik des Absprungs wird absolute Stille. Die Sicht ist unbeschreiblich“, so einer der Absetzer. 

Die Gedanken sind frei und der Springer atmet am Schirm durch. Langsam sinkt er dem Boden entgegen. Bäume und Felder, die anfangs klein wirkten, werden immer größer. Der Fallschirmjäger stellt sich mental auf den sogenannten Landefall ein: Er presst Kniee und Füße zusammen und stellt maximale Körperspannung her. Ein Aufschlag, ein Ruck und ein Überschlag später liegt er auf dem Boden eines Feldes und schaut nach oben, wo immer noch das Flugzeug kreist. 

Mit der Türlast in der Absetzzone

Eine Gruppe Fallschirmjäger trägt die schwere Türlast.

Nach dem Sammeln wird die bis zu 130 Kilogramm schwere Türlast von der Gruppe aus der Absetzzone zum Sammelpunkt gebracht und gebrochen. Unter Brechen versteht man das Öffnen.

Bundeswehr/Benjamin Bendig

Durch plötzlich auftretenden Wind oder verschiedene Anflüge ist es möglich, dass eine Gruppe oder ein Zug Fallschirmjäger über eine weite Fläche verstreut sind. Um die Kräfte schnell zu bündeln und die vorher abgeworfene Türlast, also zusätzliches Material, einzusammeln, nutzen die Soldatinnen und Soldaten bestimmte Sammelverfahren.


„Unter Sammelverfahren verstehen wir verschiedene Abläufe, um Truppen nach der Landung am Boden zusammenzuziehen“, so einer der Springer. Ein Beispiel dafür wäre das sogenannte Sammeln auf Türlast, bei dem sich die Gruppenangehörigen bei der vorab abgeworfenen Last sammeln. Die Türlast wird genutzt, um schwere, aber notwendige Waffen und unhandliches Material über der Absetzzone abzuwerfen. Schweres Gerät, Panzerfäuste und Maschinengewehre werden in einer gepolsterten Rolle verstaut und vor der ersten Welle genau über der Absetzzone mit einem Fallschirm abgeworfen. So wird das Material abgesetzt, das für das Sprunggepäck der einzelnen Soldaten zu schwer oder zu groß ist.

Erfolgreich bei relativer Überlegenheit

Für den effizienten Einsatz von Fallschirmjägern in einer Luftlandeoperation müssen die Soldatinnen und Soldaten absolut robust sein. Auch müssen die logistischen Voraussetzungen gegeben sein, um eine solche Operation durchzuführen. Obwohl es auf den ersten Blick umständlich oder vielleicht sogar unzeitgemäß wirkt, ist der Fallschirmsprung eine effiziente Methode, um Truppen schnell in feindliches Gebiet zu bringen und schnell in das Gefecht zu führen. Der Fallschirmsprungeinsatz wird bevorzugt, falls Kapazitäten für eine Landebahn gering sind, erst freigekämpft werden müssen oder auch der Einsatzraum für Hubschrauber nicht geeignet ist. Der Schlüssel zum Erfolg ist dabei die relative Überlegenheit. Diese wird durch den schnellen und entschlossenen Einsatz von Luftlandekräften hergestellt. Daraus resultiert, dass der Fallschirmsprung weit mehr als nur eine Tradition ist. Sie ist und bleibt auch im 21. Jahrhundert eine effiziente Art der Verbringung von Soldaten.

Fallschirmjäger – robust und stark

  • Ein Fallschirmjäger hockt nach der Landung auf einem geernteten Feld und schaltet das Funkgerät ein.

    Das Fallschirmspringen zählt zu den vertikalen Arten der Verbringung von Soldatinnen und Soldaten und eignet sich besonders für die schnelle Verlegung von Kräften hinter feindliche Linien

    Bundeswehr/Benjamin Bendig
  • Der Absetzer übernimmt die Aufziehleinen der Springer beim Verlassen des Flugzeuges.

    Beim Reihensprung bekommt der Türspringer als erster sein Kommando. Die Aufziehleine wird dem Absetzer übergeben und das Flugzeug mit einem kräftigen Sprung, dabei sind die Beine geschlossen, verlassen – alle anderen folgen.

    Bundeswehr/Andrea Rippstein
  • Ein Soldat sichert mit seiner Waffe, während sein Kamerad den Schirm verpackt.

    Unter gegenseitiger Sicherung bergen die Soldatinnen und Soldaten am Boden schnellstmöglich ihre Schirme. Sie räumen dann die Absetzzone und setzen ihren Auftrag fort.

    Bundeswehr/Benjamin Bendig
von Bernhard Lange

zum Thema

  • Zwei bewaffnete Infanteristen: Ein Zugführer gibt einem Soldaten Anweisungen.
    Truppengattung

    Infanterie

    Erfahren Sie mehr über die Infanterie, eine Truppengattung des Heeres, ihre Soldaten, ihren Auftrag und Ausrüstung.

  • Auf Rot kreuzen sich zwei schwarz-silberne Schwerter mit goldenem Griff, mittig ein S für Schule.
    Ausbildungseinrichtung

    Infanterieschule

    Erfahren Sie mehr über die Infanterieschule aus Hammelburg in Bayern, ihre Soldatinnen und Soldaten und die Ausbildung.