Heer
Geländeorientierung

Renaissance eines Klassikers

Renaissance eines Klassikers

Datum:
Ort:
Niedersachsen
Lesedauer:
4 MIN

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Was gibt das Gelände her? Wo sind natürliche Hindernisse? Rund 170 junge Offiziere der 10. Panzerdivision haben im Raum Braunschweig gelernt, das Gelände rund um den Höhenzug Elm richtig einzuschätzen und für ihren Plan für die Verteidigung zu nutzen. Der Blick ins Gelände ist äußerst lehrreich und deshalb unerlässlich. 

Drei Soldaten stehen auf einer Wiese, zwei zeigen in die Landschaft, einer hält eine Karte.

Blick ins Gelände: Vom Osterberg aus beurteilen ein Bundeswehroffizier sowie ein tschechischer und ein ungarischer Kamerad die Geländebeschaffenheit

Bundeswehr/Anne Weinrich

Ein flaches, offenes, leicht welliges Gelände durchzogen von leuchtend gelben Rapsfeldern, hier und da Alleen, auf den Wiesen blüht der Löwenzahn. Nur am Horizont im Norden ein Höhenzug, der sich mit seinen 300 Höhenmetern kaum abhebt: der Elm im Südosten von Braunschweig. „Ideales Panzergelände“, würde der Taktiker befinden. Auf einer Höhe steht eine Gruppe junger Offiziere, ausgerüstet mit Karte, Kompass und Doppelfernrohr, den Blick ins Gelände gerichtet. Von wo kommt der Feind? Welcher Bach könnte den Vorstoß feindlicher Panzer hemmen? Welches Gelände eignet sich zur Verzögerung? Der Blick in die Karte bietet so manche Antwort, doch nur der Blick ins Gelände gibt Gewissheit: Das lernen junge Offiziere des Heeres bei der Heerestaktischen Weiterbildung (HTW).

Das Ziel: Taktik erlebbar machen

Ein Soldat und eine Soldatin mit Kärtchen und Zollstock knien auf dem Boden.

Mithilfe von militärischen Symbolen auf kleinen Kärtchen wird die Feindlage dargestellt und in der Arbeitsgruppe besprochen

Bundeswehr/Anne Weinrich

Ziel ist es, junge Offiziere im Dienstgrad Oberleutnant und Hauptmann, die bereits über einige Jahre Truppenerfahrung verfügen, im Bereich Taktik auf einen einheitlichen Ausbildungsstand zu bringen. „Es kommt mir besonders darauf an, die taktische Lage während der Geländebesprechungen erlebbar zu machen“, erklärt der Kommandeur der 10. Panzerdivision, Generalmajor Ruprecht von Butler, den Zweck der diesjährigen Zusammenziehung zur HTW im niedersächsischen Tiefland zwischen Königslutter im Norden und Schöppenstedt im Süden.

Handverlesene Ausbilder

Zwei Hände halten einen Kompass auf einer mit Folie überzogenen Karte sowie einen Folienstift.

Auf einer Karte werden Verzögerungslinien und die vermutete Feindabsicht eingezeichnet

Bundeswehr/Anne Weinrich

169 Offiziere hat die 10. Panzerdivision für diese dritte Phase der HTW zusammengezogen. Nun erkundeten sie entlang der Flüsse Schunter und Altenau, wie sich das Gelände mit einem Kampftruppenbataillon verteidigen lässt. „Kampf mit Sperren“ und Gegenangriff lauteten wichtige taktische Aufgaben, die letztendlich in einen Befehl für die Erkundung und einen grafischen Operationsplan münden sollten. „Unter Anleitung von Lehrstabsoffizieren, die aus der gesamten Division handverlesen wurden, sowie Experten für Artillerie- und Pionierwesen wurden einheitliche Wissensgrundlagen geschaffen, um gemeinsam Taktik im Gelände erlebbar zu machen“, erklärt der Projektoffizier, Oberstleutnant Jan O., von der Abteilung Generalstabsabteilung 3 des Divisionsstabes. Im Jahr zuvor hatten die Offiziere eine Fernaufgabe zu lösen, deren Ergebnisse jetzt bei besten Wetterbedingungen überprüft werden. Mit dabei sind acht Offiziere alliierter Streitkräfte aus Litauen, Ungarn und Tschechien, deren Verbände im Rahmen der NATONorth Atlantic Treaty Organization-Ausbildungshilfe an Ausbildungs- und Übungsvorhaben der 10. Panzerdivision teilnehmen, sowie aus Frankreich, die zur Deutsch-Französischen Brigade gehören.

„Da nimmt jeder etwas mit“

Eine Soldatin blickt auf ein Klemmbrett mit einer Karte und einer Skizze.

Hauptmann Susanne K. blickt auf ihre Karte. Die Geländespinne am rechten Rand hilft ihr bei der Orientierung.

Bundeswehr/Anne Weinrich

Hauptmann Susanne K. vom Versorgungsbataillon 4 in Roding steht auf einer Wiese am Osterberg und blickt ins Gelände. Akkurat zeichnet sie Ortschaften und Geländepunkte auf ein kariertes Blatt Papier: Volzum, Dettum, Lucklum, Ahlum und die Asse – ein Waldstück, das man vor allem wegen seines Salzbergwerks kennt. Sie verbindet den eigenen Standort mit den Geländepunkten und trägt die Entfernungen ein. Die so entstehende Skizze kennt man unter Soldaten als „Geländespinne“. An ihre taktische Ausbildung an der Offizierschule des Heeres vor vier Jahren erinnert sich Hauptmann K. noch gut. „Da ich aber Nachschuboffizier bin, befasse ich mich im Alltag natürlich selten mit Taktik und dem Blick ins Gelände“, sagt sie. Insofern sei die HTW eine sinnvolle Auffrischung. Was für die Jäger- und Panzergrenadieroffiziere in ihrer Ausbildungsgruppe zum täglich Brot gehört, fordert ihr schon etwas mehr Hineindenken ab: „Die Kampftruppenoffiziere gehen da raus und sind in ihrem Element. Ich dagegen habe seit der Offizierschule keine taktische Geländebesprechung mehr erlebt.“ Umso sinnvoller sei diese Auffrischung, um den Ausbildungsstand aller Offiziere im Heer auf ein gewisses Niveau anzuheben, „da nimmt jeder etwas mit“. Voll des Lobes ist Hauptmann K. über die Ausbilder. Sie seien kompetent und erfahren in ihrem Fachgebiet.

Zielgruppe Truppenoffiziere

Rücken eines Ordners mit Flecktarnmuster, der in einer Wiese liegt, im Vordergrund Grashalme.

Renaissance der HTW seit 2019: der Unterlagenordner eines Lehrstabsoffiziers

Bundeswehr/Anne Weinrich

Im Jahr 2019 hat das Heer mit einer neuen Reihe der Heereseinheitlichen Taktischen Weiterbildung begonnen. Doch neu ist das Konzept nicht. Bereits 1977 hatte sie der damalige Inspekteur des Heeres eingeführt, um Truppenoffiziere in der Lehre von der Führung von Truppen und von deren Zusammenwirken im Gefecht einheitlich aus- und weiterzubilden. Vor dem Hintergrund des Ost-West-Konflikts stand seinerzeit die Landesverteidigung als Bündnisverteidigung im Fokus. 2005 traten Lehrgänge zur Aus- und Weiterbildung an der Offizierschule des Heeres an die Stelle der Führerweiterbildung innerhalb der Truppe. Mit der Konzentration der Bundeswehr auf Auslandseinsätze rückte die Landes- und Bündnisverteidigung in den Hintergrund, was zur Folge hatte, dass einer Generation junger Offiziere die klassischen Gefechtsarten Verzögerung, Verteidigung und Angriff eher fremd geworden sind. Mit der Neuauflage der HTW im Jahr 2019 hat Generalleutnant Jörg Vollmer, seinerzeit Inspekteur des Heeres, gegengesteuert. Zielgruppe sind Truppenoffiziere im achten und neunten Dienstjahr, die vollständig ausgebildet sind und in der Regel bereits zwei- bis dreijährige Erfahrung in ihrer jeweiligen Truppengattung gesammelt haben. Inhalte und Ausbildungsunterlagen steuert das Taktikzentrum des Heeres bei. Als Ausbilder fungieren taktisch geschulte, erfahrene Stabsoffiziere aus der 10. Panzerdivision.

von Karsten Dyba

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