Training der Verwundetenversorgung in der Luft
Training der Verwundetenversorgung in der Luft
- Datum:
- Ort:
- Panevėžys
- Lesedauer:
- 4 MIN
Die Truppe entlasten, Verwundete stabilisieren und versorgen – und das alles noch während des Fluges mit dem Hubschrauber: Die Fähigkeit der Tactical Aeromedical Evacuation, kurz TacAETactical Aeromedical Evacuation, zum sogenannten entlastenden Verwundetenlufttransport wird gebraucht, um für die Landes- und Bündnisverteidigung bereit zu sein.
Gefechtslärm ist aus der Entfernung wahrnehmbar. Zu einer vorgeschobenen chirurgischen Versorgungseinrichtung des Sanitätsdienstes des Heeres werden plötzlich zahlreiche Verwundete gebracht. Explosionsverletzungen und etliche Schusswunden müssen versorgt werden. Die Mediziner geben alles, doch das Rettungszentrum gerät durch die hohe Anzahl an Patienten an seine Kapazitätsgrenzen.
Das Rettungszentrum muss dringend entlastet werden und stellt einen Antrag auf „entlastenden Verwundetenlufttransport“, genannt Patient-Movement-Request: „Wir brauchen schnellstmöglich einen Verwundetentransport von 34 Verwundeten in unterschiedlichen Schweregraden der Verletzung.“ Kurze Zeit später erhält die Aviation Brigade vom NATONorth Atlantic Treaty Organization-Korps den Auftrag, die medizinische Versorgungseinrichtung im Feld zu entlasten – per Hubschrauber.
Dieses Szenario ist realistisch und Teil der Übung Griffin Lightning 2025 in Litauen. Hier zeigen die medizinischen Kräfte und die Hubschrauberbesatzungen, wie sie unter realitätsnahen Bedingungen im Team agieren.
Kurz vor der Mission
Sobald der Patient-Movement-Request gestellt ist, geht es für alle Beteiligten in die gemeinsame zügige Planungsphase. Wie viele Patienten sind es? Welche Behandlungsbedürftigkeit haben sie? Dann das Entscheidende: Was muss mit an Bord genommen werden, um beispielsweise eine begonnene Therapie fortzuführen? Und ebenso: Welche Operationen sind schon am Patienten durchgeführt worden? Welcher Patient könnte instabil werden?
Die Mediziner müssen an Bord auch während fliegerischer Ausweichmanöver bereit sein, in allen Lagen sanitätsdienstlich zu intervenieren. Dazu sind die Kräfte ausgebildet und professionell ausgestattet.

„Die TacAETactical Aeromedical Evacuation ist eine Hochwertbefähigung. Sie ist ein wertvoller Beitrag zur Sicherstellung der Rettungskette für die Landes- und Bündnisverteidigung. Teamwork, Technik und Einsatzbereitschaft stehen im Fokus.“
Perfekt ausgestattet in großer Höhe
Mehrere NHNATO-Helicopter-90 sind bereits für den medizinischen Lufttransport dauerhaft gerüstet, Feinheiten werden für jede Mission kurzfristig angepasst. Pro Maschine werden bis zu sechs Patienten mit unterschiedlichem Grad der Behandlungsbedürftigkeit eingeplant, von intensivpflichtig bis leicht verwundet. Die Ausstattung ist vielseitig und multifunktional.
Das medizinische Fachpersonal an Bord muss mithilfe der Geräte die Vitalfunktionen überwachen. Sie müssen möglicherweise im Extremfall den Patienten künstlich beatmen, eine kontinuierliche Medikamentenzufuhr gewährleisten, Drainagen und Verbände von vorherigen operativen Eingriffen kontrollieren und vieles mehr.
Mit an Bord bei Griffin Lightning 2025 sind auch die neuen Einbausätze mit zwei übereinander angebrachten, klappbaren Tragen. Sie werden bei dieser Großübung zum ersten Mal praktisch eingesetzt. Die Flexible Stretcher Installation Unit, kurz FSIU, macht es gemäß derzeitiger Zulassung möglich, sechs kreislaufstabile, nicht intensiv behandlungspflichtige Patienten zu transportieren. „Im Krieg, im Landesverteidigungsfall, kann es sein, dass wir mitnehmen, was wir transportieren können“, verdeutlicht der Oberstarzt.
Teamarbeit soll viele Leben retten
Die Hubschrauber starten. Das speziell geschulte medizinische Personal ist an Bord. Nach 20 Minuten Flug wird der Kreislauf eines Patienten plötzlich instabil. Ihm wurden glücklicherweise schon alle nötigen Zugänge gelegt. Der Blutverlust muss kontrolliert werden. Es kommt zusätzlich, vielleicht durch die Vibrationen getriggert, zum Nachbluten einer bereits versorgten Verletzung. Auf solche typischen Komplikationen ist das medizinische Fachpersonal vorbereitet. Der Patient wird neu verbunden, die Blutung zügig gestoppt. Durch Flüssigkeitsgabe über die Vene und kreislaufunterstützende Medikamente ist der Patient wieder stabil, bevor der Hubschrauber landet.
Die Mannschaft an Bord ist hoch qualifiziert. „Auf dem Luftfahrzeug hat der Arzt mindestens die Qualifikation als Rettungsmediziner. Für intensivmedizinische Transporte ist die fachärztliche Qualifikation als Fachärztin für Anästhesie idealerweise vorhanden“, erklärt der Oberstarzt.
Während des Fluges überwacht er alle wichtigen Körperfunktionen des Patienten. „Ich kann seinen Kreislauf unterstützen, die Atmung ersetzen, den Flüssigkeits- und Elektrolythaushalt regulieren, akut auftretende Probleme beheben und, wenn nötig, auch in begrenztem Maße notfallmedizinisch-invasive Maßnahmen durchführen.“ Derweil kümmert sich der Sanitäter eigenverantwortlich um die leichter verletzten Patienten, etwa bei Schmerzen durch ein gebrochenes Bein.
Arzt und Notfallsanitäter haben eine zusätzliche Ausbildung in Aeromedical Evacuation und darüber hinaus auch speziell für diesen Hubschrauber. Das Team besteht aber nicht nur aus den medizinischen Kräften. Die Piloten gehören ebenso dazu wie der Bordtechniker. Er greift den Medizinern unter die Arme, wo es nur geht. Angewandte, praktizierte Flugmedizin unter diesen herausfordernden Bedingungen ist eine gemeinsame Leistung.

Der entlastende Verwundetenlufttransport mit Hubschraubern ist Teamarbeit. Dabei ist neben dem medizinischen Personal auch die Besatzung des Luftfahrzeugs gefordert.
Bundeswehr/Bill Drechsler
Mit der derzeitigen Ausrüstung „Qualifizierter entlastender Verwundetenlufttransport mit NHNATO-Helicopter-90 FSIU“ werden bis zu sechs Verwundete im Inneren des Hubschraubers während des Transportes versorgt
Bundeswehr/Bill DrechslerUmgang mit schwersten Verwundungen
Die Arbeitsumgebung ist nicht komfortabel: Wegen der begrenzten Höhe im NHNATO-Helicopter-90 arbeitet das medizinische Personal meist im Knien. Auch bei taktischen Flugmanövern muss das Personal seine lebensrettende Arbeit fortsetzen. Eine noch viel größere Herausforderung: „Das Personal wird mit Verwundungsmustern konfrontiert, die in unserem zivilen Alltag grundsätzlich nicht vorkommen, selbst wenn sie 20 Jahre in Deutschland Notarztwagen gefahren sind. Ich weiß, wovon ich spreche“, fügt der erfahrene Flugmediziner hinzu. Verwundungen durch Gefechtseinwirkung sind mit teilweise grässlichen Bildern verbunden, unterstreicht Oberstarzt Schäfer: „Das müssen Sie auch verarbeiten können. Die Verarbeitung solcher Eindrücke können Sie meiner persönlichen Meinung nach nur in begrenztem Maße trainieren. Denn wie es in der Realität dann auf jeden Einzelnen tatsächlich wirkt, ist immer mal wieder anders.“
Wie geht die Crew damit um? „Wir sprechen miteinander“, sagt uns eine Notfallsanitäterin. „In der Medizin haben zum Beispiel einige von uns einen dunklen bis tiefschwarzen Humor. Das ist eine Art, damit umzugehen. Und wir sind ja nicht alleine hier.“ Auch die Piloten und Techniker seien den Eindrücken ausgesetzt, ergänzt sie. Sie würden sich viel austauschen, hätten immer ein Auge auf die Kameraden. Und zur Not müsse man sich Hilfe holen. Dafür gebe es Truppenpsychologen.
Letztlich funktioniere das Ganze nur im Team. „Der Teamspirit lässt uns hier durch alle Härten und Schwierigkeiten durchgehen“, so die Notfallsanitäterin abschließend.