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Extended Reality

Luftwaffe 2.0: Extended Reality revolutioniert das Pilotentraining

Ausbildung
Datum:
Ort:
Köln
Lesedauer:
4 MIN

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Rauch im Cockpit, Triebwerksausfall, Sauerstoffmangel: Mit Extended Reality trainiert die Luftwaffe Extremsituationen so realistisch wie nie zuvor. Durch einen Mix aus virtuellen und realen Erfahrungen sollen Ausbildung und Handlungssicherheit der Piloten entscheidend verbessert werden.

Ein Pilot sitzt im Simulator. Er trägt eine verkabelte Haube auf dem Kopf und eine VR-Brille.

Testpilot Oberstleutnant „Patze“ B. erprobt den XRExtended Reality-Simulator. Dank moderner Technik können Notfallverfahren praxisnah geübt werden.

Bundeswehr/Jason Renges

„Analyse, Training, Test und Evaluieren“ – nach diesem Prinzip erprobt das Air Warfare Centre der Luftwaffe in Köln in einem groß angelegten Truppenversuch, wie Extended Reality (XRExtended Reality) dauerhaft in das Pilotentraining integriert werden kann. Ergänzend zu fest installierten Simulatoren lassen sich Inhalte so flexibler trainieren.

„Die XRExtended Reality-Technologie hat das Potenzial, die Ausbildung von Piloten effizienter, intensiver und realistischer zu gestalten“, erklärt Oberst i.G.im Generalstabsdienst F., Leiter des Steuerungselements am Air Warfare Centre.

XRExtended Reality steht für Extended Reality, ein Oberbegriff für verschiedene Arten der „erweiterten Realität“, also Virtual Reality (VRVirtuelle Realität), Augmented Reality, Mixed Reality. In diesem Fall handelt es sich um die Mischung aus virtueller Realität und dem haptischen, also greif- und anfassbaren Erleben durch echte Cockpit-Hardware.

Ein zentrales Beispiel ist der sogenannte Boldface-Test: Piloten müssen regelmäßig nachweisen, dass sie in Hochleistungsjets kritische Notfälle bewältigen können. Bislang erfolgte dies schriftlich auf Papier – künftig soll XRExtended Reality diesen Nachweis digital und praxisnah ermöglichen. Damit wird die Ausbildung moderner, zeitgemäßer und effizienter.

Virtueller Rauch im Cockpit

Im Truppenversuch setzt die Luftwaffe hierzu erstmals Extended Reality im Simulator ein. Der Hauptsimulator besteht aus Cockpit-Hardware – also Sitz, Instrumenten, Griffen, Hebeln und Schaltern – sowie aus der Einspielung zu übender Lagen, etwa Notfallsituationen. Diese werden über eine VRVirtuelle Realität-Brille dargestellt, die der Pilot während der Übung trägt.

Notsituationen wie Triebwerkausfall, Rauch im Cockpit oder mangelnde Sauerstoffversorgung lassen sich dadurch wesentlich realistischer darstellen. Piloten können sich so gezielter auf kritische Verfahren vorbereiten.

Um die wirksamste Methode zu finden, werden verschiedene XRExtended Reality-Ansätze mit der klassischen Papiermethode verglichen.

Der gesamte Test umfasst vier Stationen: Zunächst erfolgt ein Papierfragebogen, bei dem – wie bisher – die Handlungen bei Notfällen schriftlich abgefragt werden. In der zweiten Stufe kommt Mixed Reality zum Einsatz: Hier sitzt der Proband in einem Cockpit-Simulator, während die Lagen per Bildschirm eingespielt werden. In der dritten Station werden die Szenarien mittels Virtual Reality simuliert, wobei die Bedienungselemente ebenfalls virtuell abgebildet sind. Den Abschluss bildet die vierte Stufe mit Extended Reality, bei der die virtuellen Lagen durch die reale Haptik eines echten Cockpits ergänzt werden.

Testpilot Oberstleutnant „Patze“ B. ist begeistert: „Das hat richtig Spaß gemacht! Ich konnte buchstäblich den Rauch im Cockpit aufsteigen sehen. Am besten gefallen hat mir der Mix aus Virtual Reality und der gewohnten Haptik im Flugzeug.“

Dank mobiler Systeme ist das Training auch direkt in den Verbänden möglich – ohne zusätzlichen Reiseaufwand für die Teilnehmenden.

Oberst i.G.im Generalstabsdienst F., Leiter Steuerungselement Air Warfare Centre
Der Truppenversuch ist ein wegweisender Schritt in Richtung digital optimierter und kompetenzorientierter Ausbildung für die Luftwaffe.

Die gewonnenen Erkenntnisse helfen nicht nur, das Training realistischer und effizienter zu gestalten. Sie erhöhen zugleich die Sicherheit in realen Flugeinsätzen, da die Handlungskompetenz in Extremsituationen wächst.

Für die Teilnehmenden ist der Versuch besonders spannend: Sie sind aktiv an der Auswahl der besten Trainingsmethode beteiligt und erhalten einen exklusiven Einblick in die Zukunft des virtuellen Lernens.

Die Untersuchung dauert etwa 2,5 Stunden – inklusive Einweisung, Durchführung und Nachbesprechung. Sämtliche Daten werden anonymisiert erfasst und nach der Auswertung gelöscht. Der Fokus liegt somit auf der Weiterentwicklung der Methode – und nicht allein auf dem Bestehen eines Tests.

Wissenschaft und Praxis Hand in Hand

Das Forschungsprojekt ist eine enge Zusammenarbeit zwischen der Luftwaffe, der Industrie und der Wissenschaft. Das Immersive Reality Lab der Hochschule Hamm-Lippstadt bringt dabei seine Expertise im Bereich Mensch-Maschine-Interaktion ein.

Neben klassischen Datenerhebungen werden auch physiologische Messungen durchgeführt – etwa des Herzrhythmus, der Hautleitfähigkeit und Gehirnaktivität. So lassen sich Rückschlüsse auf die kognitive und emotionale Belastung der Piloten ziehen.

„Diese Ergebnisse geben wertvolle Hinweise darauf, wie unterschiedlich die Trainingsformen erlebt werden und welche neurophysiologischen Beanspruchungsmuster sie auslösen. Die Kombination aus objektiven Messwerten und subjektiven Einschätzungen der Piloten ermöglicht eine fundierte Analyse darüber, welche Methode besonders geeignet ist, um das Trainingserlebnis und den Kompetenzerwerb zu verbessern“, erklärt Doktorandin Julia Schorlemmer, die das Projekt von Beginn an wissenschaftlich begleitet.

Eine Frau bereitet einen Probanden vor, indem sie eine Haube mit Kabeln auf seinem Kopf befestigt.

Zur Studie werden bei rund 50 Probanden Messwerte zu Herzrhythmus oder Gehirnaktivität erfasst. So können Trainingsmethoden weiterentwickelt und künftige Pilotinnen und Piloten noch gezielter vorbereitet werden.

Bundeswehr/Jason Renges

„From Aircrews – For Aircrews“

Mit dem XRExtended Reality-Training geht die Luftwaffe einen großen Schritt in die Zukunft. Das Projekt verbinde akademische Forschung, technologische Innovation und die hohen sicherheitskritischen Anforderungen der Luftwaffe, betont Gero Finke, CEOChief Executive Officer von ADAMS Simulation and Training GmbHGesellschaft mit beschränkter Haftung. Das Unternehmen stellt die Simulatoren sowie die dafür notwendige Software bereit. Dabei werden keine realen oder geschützten Flugdaten genutzt – dennoch lassen sich Notlagen wie Rauch oder Sauerstoffmangel realistisch darstellen.

Oberst i.G.im Generalstabsdienst F. erkennt darin eine große Chance: „Durch die enge Zusammenarbeit von Wissenschaft, Industrie und Luftwaffe schaffen wir einen echten Mehrwert für die Ausbildung unserer fliegenden Besatzungen. In wenigen Jahren dann auch vernetzt mit der F-35.“

Wer an dem Truppenversuch teilnimmt, ist somit nicht nur Teil eines Forschungsprojekts, sondern gestaltet aktiv die Zukunft des militärischen Trainings und der Flugsicherheit mit.

von Enno Urbeinz

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