Luftwaffe

Fliegen, fliegen, fliegen – Tradition hat ein Motto

Fliegen, fliegen, fliegen – Tradition hat ein Motto

Datum:
Ort:
Laage
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Das Taktisches Luftwaffengeschwader 73 „Steinhoff“ gilt als jüngstes Traditionsgeschwader der Luftwaffe. Sein Namensgeber führte als Inspekteur und ranghöchster General die Teilstreitkraft durch turbulente, nicht immer einfache Zeiten. Steinhoff prägte mit seinem Geschick, Probleme messerscharf zu benennen und dafür angemessene Lösungen zu finden, Generationen von Soldaten. Seine Forderungen an die Ausbildung der Piloten und die Organisation des Flugbetriebes sind bis heute die Maxime, an der sich nicht nur das Team „Steinhoff“ messen lässt.

Zwei Eurofighter fliegen über dem Horizont.

Der Eurofighter 30+73 trägt aktuell das Konterfei des Namensgebers des Geschwader „Steinhoff“

Bundeswehr/Stefan Petersen

Ost und West auch am Himmel vereint

Jagdbomber der Nato und Mig-29 der der ehemaligen NVANationale Volksarmee-Luftstreitkräfte wachen gemeinsam über den deutschen Himmel – wann hat es das schon mal gegeben? Im Windschatten der politischen Wende war so einiges möglich, auch in der Luftwaffe. Ein Ministerbeschluss im Jahr 1992 wies die Zusammenlegung zweier Verbände an, wie sie unterschiedlicher nicht sein konnten: Das Jagdbombergeschwader 35 mit seinen F-4F Phantom und das Erprobungsgeschwader MiGMikoyan-Gurewitsch-29 fanden in dem neu aufgestellten Jagdgeschwader 73, im mecklenburgischen Standort Laage zusammen. Die Verlegung der 29er wurde 1994 abgeschlossen, die Phantom brauchte noch bis September 1997, dann stand das Jagdgeschwader 73. Noch im selben Monat stellte Verteidigungsminister Volker Rühe den Verband in Dienst und verlieh ihm im Beisein der Witwe des Luftwaffengenerals Johannes Steinhoff den Traditionsnamen „Steinhoff“.

Ein Label für die moderne Luftwaffe

Das Bewusstsein, einem Traditionsgeschwader der Luftwaffe anzugehören, ist bei den Frauen und Männern stark ausgeprägt. Die tägliche Nutzung des Geschwadernamens in Kombination mit dem Namensgeber ist selbstverständlich – es dient modern aufgefasst aber auch als „Label“ für die Zugehörigkeit: „Team Steinhoff“.

General Johannes Steinhoff sitzt mit seiner Frau auf dem Sofa

General Johannes Steinhoff und seine Frau Ursula in Brüssel

Bundeswehr/Archiv

General Johannes Steinhoff verstarb bereits am 21. Februar 1994. Das Verteidigungsministerium bat die Witwe des Generals, Ursula Steinhoff, noch im selben Jahr um die Nutzung des Familiennamens als Traditionsnamen. Ursula Steinhoff erteilte ihre Zustimmung und als erstes konnte die Kaserne in Berlin-Gatow schon 1994 in General-Steinhoff-Kaserne umbenannt werden. Vorgesehen war der Name für die Benennung eines fliegenden Verbandes.

Fliegen, fliegen, fliegen

Die Vergabe des Traditionsnamens fußt tatsächlich auf einer historischen Begebenheit, die den Inspekteur der Luftwaffe, General Johannes Steinhoff, und das Leichte Kampfgeschwader 42 (LeKG) verbindet.

Das 1959 aufgestellte Jagdgeschwader 73 wurde aufgrund einer Änderung seines Auftrages in Jagdbombergeschwader 42 umbenannt. Ausgerüstet war es bis dato mit der Fiat G.91, einem leichten Jagdbomber. Mit Einführung des F-104 Starfighter sowie in Abgrenzung zu den anderen Geschwadern erfolgte wiederum eine Umbenennung in das Leichte Kampfgeschwader 42. Mit diesem Flugmodell ereigneten sich zahlreiche tödliche Abstürze, die den Starfighter zu einem umstrittenen und unbeliebten Jet werden ließen. Die Bewältigung der „Starfighter-Krise“ oblag ab 1966 dem neuen Inspekteur Steinhoff. Eine seiner zentralen Forderungen an die Ausbildung der Piloten gilt noch heute und verweist auf einen ganz aktuellen Schwerpunkt des heutigen Geschwaders, nämlich die Ausbildung aller jungen Eurofighter-Piloten der Luftwaffe: Fliegen, fliegen, fliegen.

Neues muss her!

Eine weitere Forderung Steinhoffs hatte maßgeblich Auswirkungen auf alle fliegenden Verbände der Bundeswehr: Die Auftrennung der bisherigen Geschwaderstrukturen in eine fliegende Gruppe und eine technische Gruppe. Damit konnte eine mögliche Ursache der Krise eliminiert werden: Kompetenzüberschneidungen zwischen Piloten und Technikern. Fortan war Flugbetrieb nur möglich, wenn technisch zuverlässig geprüfte Luftfahrzeuge zum Flugbetrieb freigegeben wurden. Der Begriff „Zentralisierte Technik“ wurde geprägt. Der technische Bereich wurde in Fachgruppen und diese in Staffeln aufgeteilt. Jede für sich musste ihre Zustimmung zur Freigabe eines jeden im Flugdienst einzusetzenden Kampfjets erteilen.

Diese anfangs als Modell erdachte Struktur wurde im Leichten Kampfgeschwader 42 in Sobernheim getestet und umgesetzt. Bis heute hat diese Organisationsform Bestand.

Ein Mann in Zivil legt General Johannes Steinhoff einen Orden um.

Verleihung des amerikanischen Legion of Merit am 4. Juli 1972 an General Johannes Steinhoff

Bundeswehr/Archiv

Ein Marinepilot wird Jagdflieger – aus dem Leben von Johannes Steinhoff

Steinhoffs Lebensweg hat Oberstleutnant Dr. Heiner Möllers in einer Abhandlung nachgezeichnet, die hier in leicht gekürzten Auszügen wiedergegeben wird.

„ … Johannes Steinhoff wurde am 15. September 1913 in Bottendorf, Thüringen geboren. Ab 1932 studierte er Literatur- und Sportwissenschaften in Jena, brach allerdings 1934 aus finanziellen Gründen ab. Er trat in die Marine ein, wurde zum Seeflieger ausgebildet, wechselte 1936 zur Luftwaffe und wurde Jagdflieger. 1939-1945 diente er überwiegend in der Truppe als Pilot, Staffelkapitän, Gruppenkommandeur und Geschwaderkommodore in Jagdgeschwadern in Frankreich, an der Ostfront, in Italien und in der „Reichsverteidigung“. Zuletzt war er als Oberst Jagdflieger und „Einsatzstabsoffizier“ – wie man heute sagen würde – im Jagdverband 44.

Im April 1945 geriet Steinhoffs Me 262 beim Start in München-Riem in Brand. Steinhoff erlitt schwerste Brandverletzungen, die ihn zeichneten. 1945 bis 1947 lag er in Lazaretten, bevor er in einem Majolikabetrieb in Süddeutschland Keramikmalerei erlernte.

General Johannes Steinhoff vor selbstgemalten Bildern

Ganz privat: Die Malerei gehörte zu den Passionen von Johannes Steinhoff

Bundeswehr/Archiv

Luftwaffenexperte im Ministerium

[…] Ab dem Sommer 1951 begannen die Verhandlungen über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG), weswegen Steinhoff offenbar gezielt vom zuständigen Luftwaffenfachmann Arthur Eschenauer im Juni 1952 für das Amt Blank als Gutachter angeworben wurde. In der Folge nahm Steinhoff als Luftwaffenexperte beim „Bevollmächtigten des Bundeskanzlers für die Klärung der mit der Vermehrung der alliierten Truppen zusammenhängenden Fragen“ – wie die Vorgängerdienststelle des Bundesverteidigungsministeriums richtig hieß – an den EVG-Verhandlungen in Paris teil.

Im November 1955 übernahm die entstehende Bundeswehr Steinhoff als Soldat und in den folgenden vier Jahren bis zum Frühjahr 1960 fungierte er als Stabsabteilungsleiter III im Führungsstab der Luftwaffe. Im Range eines Brigadegenerals entsandte die Bundeswehr ihn 1960 als Deutscher Militärischer Bevollmächtigter in den NATO-Militärausschuss nach Washington.

General Johannes Steinhoff mit einem Soldaten am Düsenjet

General Johannes Steinhoff war in der Luftwaffe aktiver Pilot und flog den Starfighter

Bundeswehr/Archiv

Verwendung folgt auf Verwendung

Nach der Zeit in Washington führte er bis 1965 als Kommandeur die 4. Luftwaffendivision in Aurich und ihre Verbände zwischen Nordsee und Ruhrgebiet. Und in der folgenden „Anschlussverwendung“ 1965/66 als Stabschef der NATO-Luftstreitkräfte in Mitteleuropa […] im Hauptquartier der NATO-Streitkräfte Europa Mitte.

Am 2. September 1966 wurde Steinhoff zum Inspekteur der Luftwaffe ernannt. Nach vier Jahren an der Spitze der Luftwaffe wählte ihn die NATO am 24. September 1970 zum Vorsitzenden des Militärausschusses der NATO. Am 1. April 1971 trat er sein Amt an. Am 31. März 1974 schied General Johannes Steinhoff aus dem aktiven Dienst …“

Viele hochrangige Soldaten sitzen am Tisch

General Johannes Steinhoff im Gremium hochrangiger Militärs als Vorsitzender des Militärausschusses

Bundeswehr/Archiv

Umgang mit dem Traditionsnamen „Steinhoff“

Die Vergabe des Traditionsnamens galt als Auszeichnung für den jungen Verband, und sie war mit Forderungen verbunden. Zwei unterschiedliche Waffensysteme gegensätzlicher Herkunft sollten vereint in einem NATO- wie Bundeswehr-Verband betrieben werden, mit der gleichzeitigen Einbindung in die Landes- und Bündnisverteidigung. Als Symbol dieser militärischen wie auch politischen Vereinigung wurde der Verband auf dem Fliegerhorst Laage stationiert. Es lag in der Natur der Sache, dass immer wieder alte und neue, deutsche und russische Systeme verglichen wurden. Das spornte an und der Verband wurde zum Botschafter des geeinten Deutschlands in aller Welt.

Ein älterer Düsenjet steht auf dem Rasen

Der F-104 Starfighter steht unmittelbar neben der Gedenkstätte auf dem Fliegerhorst Laage

Bundeswehr/Bildstelle TaktLwG 73"S"

Stein und Düsenjet zum Gedenken

Der Verband präsentiert sich seit der Namensverleihung am Standort mit einem Gedenkstein und einem Starfighter. Der integrierte Antrete-Platz wird für den jährlich zum Todestag des Namensgebers ausgerichteten Gedenkappell genutzt, bei dem auch aller im Dienst verunglückten Geschwaderangehörigen gedacht wird. Die Forderung des früheren Inspekteurs Steinhoff: „Fliegen, fliegen, fliegen“ steht heute sichtbar als Schriftzug in den fliegenden Staffeln des Geschwaders „Steinhoff“.

Der Gedenkstein mit dem Namen Johannes Steinhoff

Der bisherige Gedenkstein an den Namensgeber des Traditionsgeschwaders Taktisches Luftwaffengeschwader 73 „Steinhoff“

Bundeswehr/Bildstelle TaktLwG 73"S"
Der neue Gedenkstein. Zentral ist ein 1:1-Abdruck eines Eurofighters ersichtlich.

Anfang Februar 2021 wurde die neu erstellte Gedenkstätte vorgestellt. Sie befindet sich neben dem Starfighter.

Bundeswehr/Bildstelle TaktLwG 73"S"

Ausstellung will erinnern

Die Militärgeschichtliche Sammlung (MGS) wird gerade modifiziert, widmet sich in einem Teilbereich mit Beginn der Indienststellung der Person Steinhoff, seiner Ausbildung und seinem Einsatz als Pilot, dem Wiedereintritt in die neu aufzustellende Luftwaffe 1956 und seinem militärischen Werdegang als militärischer Führer bis in die Spitzenposition als Vorsitzender des Militärausschusses der NATO.

Auch wenn die Nachfolgegenerationen keinen direkten, respektive indirekten Bezug mehr zu dem Namensgeber haben, so ist das historische Verständnis doch von großer Bedeutung.

Tradition in der Luft wie am Boden

Der Eurofighter wird seit April 2004 in der Luftwaffe und damit im Geschwader „Steinhoff“ als erstem mit dem Waffensystem ausgerüsteten fliegenden Verband geflogen. Aktuell verweist der Kampfjet mit der taktischen Kennung 30+73 durch seine Nummerierung auf den Verband und auf jeder Seite des Leitwerks ist das Konterfei des Generals foliert.

Die Soldatinnen und Soldaten des Geschwaders tragen als Zeichen der Zugehörigkeit an ihrem Dienstanzug Ärmelbänder mit dem Schriftzug „Geschwader Steinhoff“.

Der Eurofighter-Doppelsitzer 30+20 trug das Konterfei von General Johannes Steinhoff auf beiden Seiten des Leitwerks.

Der Eurofighter-Doppelsitzer 30+20 trug das Konterfei von General Johannes Steinhoff auf beiden Seiten des Leitwerks

Bundeswehr/Archiv

Die Person und Persönlichkeit General Steinhoffs und sein Wirken in der neu aufgestellten Bundeswehr und Luftwaffe begründet den Stolz des Geschwaders auf seinen Namensgeber. Vor allem seine Verbundenheit mit der Fliegerei, sein klar strukturiertes Denken und seine Bereitschaft, sich kritisch konstruktiv mit aktuellen Problemen auseinanderzusetzen und sich aktiv in laufende Diskurse einzubringen, werden heute als Leitbild für ein modernes Traditionsverständnis gesehen.

Die Forderungen Steinhoffs sind in allen fliegenden Verbänden bis heute gültig und unterstreichen sein Wirken für moderne und zeitgemäße Luftstreitkräfte.

von Erik Pflanz und Thomas Skiba