Integrierter Ansatz zur See

Deutschlands maritime Sicherheit braucht mehr Vernetzung

Deutschlands maritime Sicherheit braucht mehr Vernetzung

Datum:
Ort:
Berlin
Lesedauer:
5 MIN

Am 28. September führte ein Parlamentarischer Abend in Berlin rund einhundert Stakeholder aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft zusammen. Für Siemtje Möller, Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister der Verteidigung und Schirmherrin des Abends, war dies der Auftakt für einen notwendigen vertieften strategischen Dialog. Denn es kann umfassende Sicherheit im maritimen Umfeld nur geben, wenn alle staatlichen Akteure untereinander und mit der Wirtschaft zielgerichtet zusammenarbeiten.

Ein graues Kriegsschiff in See vor einer Ölbohrplattform.

Ein Schwerpunkt maritimer Sicherheit liegt auf Kritischer Infrastruktur: Welche Aufgaben kann die Marine für ihren Schutz übernehmen? Hier die deutsche Fregatte „Mecklenburg-Vorpommern“ 2023 vor einer norwegischen Bohrplattform in der Nordsee

Bundeswehr/Tom Kistenmacher

Wie relevant die See und überhaupt das maritime Umfeld für Deutschland sind, hat sich gerade in den letzten Jahren gezeigt. Verteidigungsstaatssekretärin Siemtje Möller spricht davon, dass „uns zunehmend vor Augen geführt wird“, wie abhängig die Bundesrepublik von maritimen Lebensadern sei und wie verwundbar sie seien. 

Die Havarie eines einzelnen Schiffs im Suezkanal, 3.000 Kilometer entfernt, führt auch bei uns zu spürbaren Störungen des Im- und Exports“, begann die Staatssekretärin am Veranstaltungsabend in der Landesvertretung Hamburgs in der Hauptstadt. „Die Verminung beziehungsweise Blockade von Seewegen und Häfen im Schwarzen Meer sorgen für steigende Brotpreise in Deutschland und Hunger in Afrika. Und die Sabotage von zwei Pipelines zeigt die Verwundbarkeit unserer Energiesicherheit.“

Ein Podium vereinte Verteidigungs-, Wirtschafts- und Innenministerium mit der NATO

Möller fordert, dass sich Deutschland mit Gefahren wie diesen ernsthaft auseinandersetzen muss. „Unsere Gegner haben erkannt, wie verwundbar wir im Maritimen sind“, warnte sie und fragte, „doch wie kann unsere Antwort auf diese Herausforderungen aussehen?“ Ein Fachpodium befasste sich mit dieser und daraus abgeleiteten Aufgaben. Moderiert von Möller diskutierten Johann Saathoff, Parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundesministerin des Inneren und für Heimat, Dieter Janecek, Koordinator der Bundesregierung für die maritime Wirtschaft und Tourismus, sowie Generalleutnant a.D. Hans-Werner Wiermann, Leiter der NATO-Zelle zum Schutz kritischer Unterwasserinfrastruktur.

Vier Menschen sitzen in Sesseln und diskutieren miteinander.

Das Podium des Parlamentarischen Abends (v.l.n.r.): Johann Saathoff, Hans-Werner Wiermann, Dieter Janecek und Siemtje Möller

Bundeswehr/Marcus Mohr

Zu den Leitfragen der Runde gehörten: Wie kann Deutschland in seiner ressortgeprägten und föderalen Struktur konkret den Herausforderungen der maritimen Sicherheit begegnen? Was kann es von anderen Ländern bei der Verteilung von maritimen Sicherheitsaufgaben zwischen staatlichen Akteuren und privaten Unternehmen lernen?

Für Staatssekretär Saathoff war klar, dass staatliche Kapazitäten, gerade für maritime Sicherheit, begrenzt sind. „Die Bundespolizei hat nicht die Möglichkeit, alles zu schützen“, sagte er. Tausende Kilometer an Unterwasser-Infrastruktur ließen sich nicht bestreifen. Für ihn gilt vorrangig: „Die Unternehmen, die kritische Infrastrukturen betreiben, sind auch für deren Schutz verantwortlich.“

Allein immer mehr Windkraft macht Sicherheitskoordination immer wichtiger

Die Abstimmung der Behörden mit Unternehmen, aber auch die Inpflichtnahme letzterer wird mit der absehbaren Fortentwicklung dieser Infrastruktur immer wichtiger. „Die Nordsee wird das größte Kraftwerk der Welt“, berichtete Janecek. So sei geplant, bis 2050 Windkraftanlagen mit einer Leistung von rund 300 Gigawatt in dieser europäischen Seeregion zu errichten. Für den Maritime-Wirtschaft-Koordinator geht damit die „Notwendigkeit der Überwachung dieser gewaltigen Assets“ einher.

General a.D. Wiermann führte das allerdings weiter. Sobald die Verantwortung von Betreibern an ihre Grenzen gelange, kämen wieder Staaten und Militär mit ins Spiel, meinte er. Bei Unternehmen liegt die Zuständigkeit, inklusive damit verbundene Ressourcen, grundsätzlich nur für Sicherheit im Sinne einer Betriebssicherheit – also zum Beispiel für den Schutz vor Unfällen. Gezielten Akte von Sabotage oder Terrorismus können Unternehmen weniger abwehren, und streng genommen geht es dann auch um öffentliche Sicherheit und den staatlichen Schutzauftrag. 

Übergreifend komme es also entschieden auf Kooperation an – besonders für ein umfassendes, aktuelles maritimes Lagebild. Denn gerade die Betreiber von Anlagen in See „verfügen über immense Fähigkeiten in der Überwachung ihrer Infrastrukturen“, so Wiermann.

Zentraler Ansprechpartner für maritime Sicherheit gesucht

Die Experten der Podiumsdiskussion standen stellvertretend für nur einige der Ressorts, über die in Deutschland die Zuständigkeiten verteilt sind. Denn Verantwortung für maritime Sicherheit – im umfassenden Sinn – verteilt sich auf sieben Bundesministerien: für Wirtschaft, Verkehr, Inneres, Umweltschutz, Landwirtschaft, Verteidigung und Auswärtiges. Hinzu kommen die fünf Küstenländer mit ihren Wasserschutzpolizeien. Im Hinblick auf diese verschiedenen Verantwortlichkeiten forderte gerade NATO-Vertreter Wiermann einen Ansprechpartner für maritime Sicherheit in Deutschland, wie es ihn bei anderen Bündnispartnern schon gebe.

Für Möller hat sich im Bereich maritime Sicherheit allerdings bereits einiges getan, vor allem seit den mutmaßlichen Anschlägen auf die Erdgas-Pipelines Nord Stream 1 und 2 im September 2022. Dazu zählten für die Staatssekretärin die Ausarbeitung des sogenannten Dachgesetzes Kritische Infrastrukturen im Bundesinnenministerium, die NATO-Koordinierungszelle zum Schutz kritischer Unterwasserinfrastruktur, die EUEuropäische Union-Strategie für Maritime Sicherheit, der Antrag zur Maritimen Souveränität im Bundestag und der Kurs 2035+ der Deutschen Marine. 

„Gleichwohl haben Expertinnen und Experten im Netzwerk Maritime Sicherheit gefordert, dieses Engagement besser miteinander zu verschränken“, mahnte Möller. Der Parlamentarische Abend war für sie ein Format, um ressort- und sektorübergreifend die entsprechenden Entscheidungsträger und Stakeholder für ein integriertes Verständnis von maritimer Sicherheit zusammenzubringen. Ein gefüllter Saal mit vielen Anwesenden unterschiedlichster Interessen war für die Initiatorin der Veranstaltung deutliches Zeichen eines Willens, hier gemeinsam Lösungen zu finden.

Viele Menschen sitzen in einem Saal auf Stuhlreihen.

Veranstaltungsort des Parlamentarischen Abends war die Landesvertretung Hamburgs in Berlin. Rund 100 Interessierte waren gekommen, darunter neben Vertretern von Behörden und Unternehmen auch Journalisten und Wissenschaftler.

Marcus Mohr

Ein strategischer Dialog über deutsche Sicherheit im maritimen Umfeld  

„Deutschland ist nicht seeblind – wir kennen die Herausforderungen sowie die erforderlichen integrierten Lösungsansätze“, folgerte Möller. „Wichtig ist, dass wir uns die Dringlichkeit des Handelns immer vor Augen führen – maritime Sicherheit muss jetzt angegangen werden, um zukünftig Werte und Interessen durchsetzen zu können.“

Für die Staatssekretärin muss jetzt ein vertiefter, strukturierter strategischer Dialog in einem Fachkreis der Ressorts beginnen – ganz im Einklang mit dem integrierten Ansatz der Nationalen Sicherheitsstrategie

von Marcus Mohr  E-Mail schreiben

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