Zeit an Bord

Marine testet flexibles Arbeitszeitmodell

Marine testet flexibles Arbeitszeitmodell

Datum:
Ort:
Kiel
Lesedauer:
3 MIN

Seit dem 1. Oktober laufen zwei Pilotprojekte beim 3. Minensuchgeschwader in Kiel. Während einer sechsmonatigen Testphase können Besatzungsangehörige im Heimathafen regelmäßig mit verkürzten Arbeitswochen rechnen – und wieder an Bord übernachten.

Eine Person legt eine weiße Plastikkarte auf ein Gerät mit 20 Tasten an einer Wand.

Zusammen mit der Soldatenarbeitszeitverordnung hielt 2016 auch die elektronische Arbeitszeiterfassung Einzug bei der Bundeswehr und damit auch die Überstundenabrechnung. Zuvor und noch parallel bis 2020 gab es die kleinen und großen Anrechnungsfälle

Bundeswehr/Jonas Weber

Die Soldatinnen und Soldaten der Minenjagdboote aus Kiel arbeiten während der Versuchszeit in Hafenwochen nur noch grundsätzlich von Montag bis Donnerstag: Wenn ihr Boot am Freitag in Kiel liegt, haben sie in der Regel frei. Das bedeutet aber nicht, dass sie weniger arbeiten als Kameradinnen und Kameraden an Land.

Gemäß der 2016 eingeführten Soldatenarbeitszeitverordnung, müssen sie grundsätzlich 41 Wochenstunden arbeiten. Das entspricht beinahe dem klassischen Nine-to-Five-Modell, also einer täglichen Arbeitszeit von 9 bis 17 Uhr. Wer allerdings zur See fährt, kann nicht um 17 Uhr den Arbeitsplatz verlassen oder übers Wochenende heimfahren, um sich Familie, Freunden, Haushalt und Hobbys zu widmen.

Seefahrt bedeutet Mehrarbeit

Als Seefahrerinnen und Seefahrer sind die Besatzungen der Flotte besonderen zeitlichen Belastungen ausgesetzt. Während Seefahrten leisten sie regelmäßig Dienst außerhalb des regulären Betriebes, etwa bei der Teilnahme an Manövern oder bei der ausbildungsmäßigen Vorbereitung auf Einsätze. Das bedeutet für die Crews mehrmals im Jahr sogar Arbeitswochen, die sieben Tage dauern. 

Eine uniformierte Frau umarmt ein strahlendes Kind auf einer Türschwelle.

Ob Zeit mit der Familie oder für ein Ehrenamt – Seefahrerinnen und Seefahrer sollen durch den geplanten Frei-Tag mehr aus ihrer Freizeit machen können

Bundeswehr/Tom Twardy

„Es war in den vergangenen Jahren schon keine Seltenheit, dass einzelne Soldaten für einen Freitag oder Montag Stundenausgleich beantragt haben“, so der Kommandeur des 3. Minensuchgeschwaders, Fregattenkapitän Carsten Schlüter. Für die Bundeswehr gilt, dass Soldatinnen und Soldaten ihre Überstunden möglichst mit Freizeit ausgleichen sollen.  

In Kiel erstellen die Kommandanten der Minenjagdboote, zunächst bis einschließlich März 2024, für ihre Crews wöchentliche Dienstpläne, die freitags im Heimatstützpunkt nicht mehr die Anwesenheit der Bootsbesatzungen zwingend erfordern. Diese Wochenarbeitspläne orientieren sich generell an dem sogenannten Jahres-Übungs- und Einsatzplan, der lange im Vorlauf für jedes Schiff und Boot der Flotte unter anderem die Seefahrtzeiten festlegt. Daraus lässt sich mit dem flexiblen Arbeitszeitmodell nun ableiten, wann genau die Wochenenden der nächsten Monate für die Besatzungsangehörigen bereits Donnerstagabend beginnen können.

Auf dem Weg zur Viertagewoche?

„Jetzt bietet der im Voraus planbare Freitag neue Möglichkeiten für die koordinierte Kinderbetreuung, um sich in einem Ehrenamt zu betätigen oder einfach zum Erholen“, führt Schlüter aus. „Freizeit hat damit mehr Wert als ein kurzfristig freigegebener Tag mitten in der Woche. Es gibt nun regelmäßig Dreitagewochenenden für meine Soldatinnen und Soldaten.“ Indes ist das zu testende flexible Arbeitszeitmodell keine Viertagewoche. 

Überstunden fallen vorrangig durch Wachdienste, in der Werft und bei eintägigen Seefahrten an. Ziel des Piloten ist es, im Rahmen einer vorausschauenden Dienstplangestaltung eine planbare Möglichkeit zu bieten, Überstunden und besondere zeitliche Belastungen aus mehrtägigen Seefahrten abzubauen und vor allem eine Entlastung für die regelmäßigen 24/7 Seefahrten (incl. Wochenenden also sieben-Tage-Wochen) zu bieten. Die Kommandanten stellen dabei sicher, dass ihre Besatzungen die arbeitszeitrechtlichen Vorgaben erfüllen. Dies mit einem planbaren freien Freitag, also dem Drei-Tage-Wochenende, in der Absicht, dass dies mehr Erholung und Motivation bringt als andere Ansätze.

Ein Kriegsschiff bei Nacht an einer Pier.

Die Übernachtung an Bord ist testweise wieder gestattet. Die aufgestockte Stützpunktfeuerwehr in Verbindung mit automatischen Brandmeldern sorgen für die erforderliche Sicherheit

Bundeswehr/Jane Schmidt

Parallel zum Projekt „Flexible Arbeitswoche“ läuft das Projekt „Rückkehr an Bord“. Die Unterbringung beziehungsweise das Verbleiben an Bord über den Feierabend hinaus ist damit testweise wieder erlaubt. Das hatte die Marine 2016 mit der Einführung der Soldatenarbeitszeitverordnung zur Reduzierung der Wachstärken und aus Gründen des Brandschutzes ausgesetzt.

Seit Anfang Oktober können Besatzungsmitglieder des Minensuchgeschwaders wieder in ihren Wohnkammern und -decks auf ihrem Minenjagdboot übernachten, nicht nur wenn sie in einem fremden Hafen, sondern auch in ihrem Kieler Stützpunkt liegen. Eine wesentliche Voraussetzung dafür ist die Installation neuer Brandmeldeanlagen auf den Booten. Denn eine Hafenwache stellen die Besatzungen im Heimatstützpunkt weiterhin nicht. Die neue Anlage alarmiert im Notfall automatisch die Stützpunktfeuerwehr, die rund um die Uhr besetzt ist.

Wissenschaftliche Begleitung durch die Helmut-Schmidt-Universität

Das flexible Arbeitszeitmodell wird durch Wissenschaftler der Universität der Bundeswehr Hamburg begleitet. Das Institut für Personal und Arbeit soll im Frühsommer 2024 eine Auswertung vorlegen, die im Anschluss an den Piloten wissenschaftlich fundierte Schlussfolgerungen für weiteres Vorgehen bietet.

Über die nächsten Monate bereits sollen die zwei Testvorhaben den Crews der Minenjagdboote eine bessere Regeneration erlauben. Gerade über die Kombination der beiden Projekte erwarten die Seestreitkräfte zudem, dass sich mit der Zufriedenheit der Crews insgesamt ebenso die Kampfkraft des seefahrenden Personals steigert. So findet auch Kommandeur Schlüter: „Bei allen Erleichterungen für den Alltag – die Priorität auch in meinem Geschwader liegt immer noch bei der Gefechtsbereitschaft. Umso besser, wenn sich das miteinander vereinbaren lässt.“

 

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