An(ge)dacht - 28. Kalenderwoche 2025
An(ge)dacht - 28. Kalenderwoche 2025
- Datum:
- Ort:
- Berlin
- Lesedauer:
- 1 MIN
Loblied auf die Großmutter
Ich bin bis zu meinem 15. Lebensjahr bei meinen Großeltern aufgewachsen. Vor allem für meine Oma war ich so etwas wie ein Augenstern, war doch ihr eigener Sohn noch immer in Kriegsgefangenschaft in Sibirien. Auch in der Zeit danach blieben wir uns sehr nahe.
In den sechziger Jahren wurde ich dann zur Grundausbildung ins Allgäu eingezogen. Nur wenige Jahre davor waren dort beim Durchqueren der Iller 15 junge Soldaten umgekommen. Das hatte meine Oma noch im Kopf und so machte sie sich große Sorgen um ihren Buben. Wie konnte sie ihm bei seinem schweren Dienst da ein wenig beistehen? Sie wusste Rat: Jeden Abend schloss sie mich in ihr Abendgebet ein und schon in der ersten Ausbildungswoche traf in der Kaserne ein Päckchen für mich ein: ein selbstgebackener Kuchen und verschiedene Süßigkeiten.
Ich freute mich sehr darüber und auch alle meine Stubenkameraden durften mitnaschen und sich mitfreuen. Ja und als die Ausbildung ein wenig härter wurde und ich dies auch in meinen wöchentlichen „Lageberichten“ meinen Großeltern schrieb, kamen in der nächsten Woche sogar zwei Pakete an. Der Spieß machte dies beim Mittagsappell vor angetretener Kompanie bekannt und rief lachend aus: „Ja, ist denn schon Weihnachten?“
Nein, Weihnachten war im Sommer noch nicht, aber Großmütter machen halt gar vieles möglich!