Präsidentin im Interview: Auf Kurs trotz Corona
Präsidentin im Interview: Auf Kurs trotz Corona
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Präsidentin Sabine Grohmann leitet das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr seit 2018. Die Zeitschrift „Die Bundeswehr“ fragte die Präsidentin nach dem Stand der Trendwende Personal vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie.
„Die Bundeswehr“: Sehr geehrte Frau Präsidentin, als Präsidentin sind Sie verantwortlich für 4.500 Beschäftigte in Uniform und Zivil im Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr: Wie kommen Sie und Ihr Amt durch die Krise?
Sabine Grohmann: Personalmanagement in der aktuellen COVID-19Coronavirus Disease 2019-Situation stellt uns vor Herausforderungen, die unser Handeln vermutlich noch länger bestimmen werden. Der Schutz meiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter steht für mich hierbei an erster Stelle – zusammen mit den Beschäftigten der Karrierecenter und des Assessmentcenters für Führungskräfte sind das sogar über 7.000 Menschen. Das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr (BAPersBwBundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr) hat frühzeitig und aktiv umfangreiche Auflockerungs- und Schutzmaßnahmen entlang der ministeriellen Weisungslage erarbeitet, umgesetzt und passt diese fortlaufend an, wo dies geboten ist.
Hierbei war und ist von Vorteil, dass uns große Gestaltungsspielräume eingeräumt wurden, um individuell, passgenaue und bedarfsgerechte Lösungen finden zu können. In unseren Dienststellen, Kasernen und Liegenschaften arbeiten daher nun weniger Menschen in den Büros und wir nutzen Telearbeit, mobiles Arbeiten und Heimarbeit, wo immer das geht. Aber wir haben gerade auch in dieser besonderen Situation nochmals deutlich gemerkt, was ich bereits im Rahmen unserer großen Organisationsuntersuchung im vergangenen Jahr in den Vordergrund gestellt habe: Die erheblichen Chancen der Digitalisierung für die Arbeitsleistung des BAPersBwBundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr gegenüber unseren Bedarfsträgern, aber gerade auch für die Arbeitsplätze im Bundesamt selbst.
Die Erfahrungen zeigen, dass dort - wo geeignete Systeme und dienstliche ITInformationstechnik zur Verfügung stehen und eine stabile Netzanbindung gewährleistet ist, ein gewichtiger Teil der Aufgaben unseres Leistungsportfolios aus dem Homeoffice erledigt werden kann. Ich bin daher persönlich davon überzeugt, dass das „Modell Homeoffice“ zukünftig weitaus stärker als bisher als Säule der Arbeitsgestaltung im BAPersBwBundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr genutzt werden sollte. Dies gilt insbesondere für die vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die jedes Wochenende von unseren Liegenschaften in Köln teils hunderte Kilometer in ihre Wohnorte pendeln müssen.
Dies setzt natürlich auch ein Umdenken und ein Anpassen des Führungsverständnisses und von Zusammenarbeit voraus, das ich weiter entwickeln möchte.
Aber auch über die Möglichkeiten der Digitalisierung hinaus befindet sich das BAPersBwBundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr seit Ende 2018 in einem Wandlungsprozess, überschrieben mit dem Motto „Von der Verwaltung zur Gestaltung“. Um das Personalmanagement zielorientiert und steuernd besser gestalten zu können, haben wir in den letzten Jahren viele organisatorische Änderungen und Optimierungen unserer Prozesse vorgenommen. Dies hat geholfen, uns intern im Amt konsolidierter und besser mit den Bedarfsträgern abzustimmen, unseren Handlungsspielraum in dieser Krise zu erkennen und zu gestalten und so unseren Beitrag zur Einsatzbereitschaft und Leistungsfähigkeit der Bundeswehr zu leisten.
Sie sind quasi „die“ Umsetzerin der Trendwende Personal, die nach Jahren des Schrumpfens vor genau vier Jahren ausgerufen wurde. Welche Auswirkungen hat nun die Corona-Krise?
Seit 2016 ist die Bundeswehr auf einem personellen Wachstumskurs. Die Streitkräfte sind bisher um rund 9.000 zusätzliche Soldatinnen und Soldaten auf Zeit und Berufssoldatinnen und Berufssoldaten gewachsen. Alleine 2019 haben wir über 29.000 Menschen eingestellt und damit die selbst gesteckten Ziele sogar übertroffen. In den ersten Monaten des Jahres sind wir diesen Weg weitergegangen. Ob und wie sich die Krise auf unsere Ziele auswirken wird, können wir aktuell noch nicht belastbar bewerten. Wir mussten auf rund 10.000 Assessments von Bewerberinnen und Bewerbern für zivile und militärische Verwendungen verzichten, als die Testzentren aus Infektionsschutzgründen schließen mussten.
Wir müssen uns den Realitäten der Krise stellen. Ob wir dabei dieses Jahr alle Ziele erreichen, ist zum jetzigen Zeitpunkt schwer zu prognostizieren.
Gleichzeitig haben wir in den letzten Jahren seit 2016 unter Beweis gestellt, dass wir den Tanker umgedreht haben, wenn Sie so wollen.
Das ganze Personalmanagement beginnend bei der Personalgewinnung, über Personalführung und -entwicklung bis hin zur Ausgliederung wird darauf ausgerichtet, dass die Bundeswehr wachsen kann. Daher glaube ich, dass wir gut aufgestellt sind, mögliche Auswirkungen kleinzuhalten. Und wir bieten als attraktiver Arbeitgeber sinnstiftende und krisensichere Aufgaben und Tätigkeiten. Die vielfältige Unterstützung der Bundeswehr im Rahmen von Amtshilfe verdeutlicht dies gerade in der Corona-Krise. Offenbar sehen dies Berufsanfänger und -wechsler ähnlich, denn das Interesse am Arbeitgeber Bundeswehr ist erfreulicherweise gut und könnte gegebenenfalls noch weiter steigen, sollten sich Konjunktur und Arbeitsmarktsituation weiter verschlechtern.
Sie zeichnen ein eher optimistisches Bild. Sieht das die Truppe auch so?
Da müssten Sie die Bedarfsträger fragen. Zurzeit schließen sich aber die Vakanzen in der Truppe. Wir waren bis zur Krise auf einem sehr guten Weg und haben allein im letzten Jahr beim militärischen Personal rund 4.000 Vakanzen durch Dienstpostenbesetzungen schließen können.
Ein in der Truppe deutlich spürbares Ergebnis!
Darüber hinaus sind derzeit 34.000 Soldatinnen und Soldaten noch in der Ausbildung, soweit diese aufgrund der aktuellen Situation nicht ausgesetzt ist. Der Aufwuchs kommt also in den Einheiten und Verbänden an.
Um das mal an einem Beispiel zu erklären: Feldwebel, die 2016 mit Beginn der Trendwende Personal eingestellt wurden, haben 2019 ihre Ausbildung abgeschlossen, deshalb besetzen sie in diesem Jahr die freien und frei werdenden Stellen. Wir sind noch längst nicht am Ziel, aber die Früchte der erfolgreichen Arbeit in der Personalgewinnung der letzten Jahre stellen sich immer spürbarer ein. Niemand braucht daher die Sorge zu haben, dass wir am Ende des Jahres einen Einbruch in der Dienstpostenbesetzung vor Ort in der Truppe haben werden. Wenn es zu Auswirkungen der Lage COVID-19Coronavirus Disease 2019 auf die militärische Personalbedarfsdeckung kommen sollte, würde dies erst in einigen Jahren spürbar werden, was uns die Zeit gibt, entsprechend gegenzusteuern. Jetzt gilt es, das komplexe Zusammenspiel von Personalwerbung, Einstellung und Ausbildung so zu steuern, dass wir den durch Corona erwachsenden, spezifischen Herausforderungen begegnen können. Wegen des Corona-Lockdowns seit März werden wir nun wahrscheinlich mehr Neueinstellungen in der zweiten Jahreshälfte haben. Dies muss in dem komplexen System der Bundeswehr mit Teilstreitkräften und Organisationsbereichen als Bedarfsträgern gut abgestimmt sein. Denn es ist nicht sinnvoll, wenn wir Soldatinnen und Soldaten einstellen und nicht klar ist, ob und wann die jeweiligen Grundausbildungen beginnen.
Und auch in den anderen Bereichen des Personalmanagements schaffen wir es, in der Kernfähigkeit, Personalführung und Personalentwicklung weiter zu betreiben. Für die Soldatinnen und Soldaten und zivilen Beschäftigten sollen durch die Krise möglichst keine Nachteile entstehen. Wichtig ist für mich in diesem Zusammenhang eine offene und transparente Kommunikation. Ich habe daher angewiesen, zeitnah einen umfassenden Katalog mit Fragen und Antworten der Personalführung zu veröffentlichen, in welchem auf die häufigsten Fragen zu möglichen Auswirkungen auf die eigene Personalentwicklung durch die Lage COVID-19Coronavirus Disease 2019 eingegangen wird. Die Bandbreite der Fragen reicht dabei von der Wiederaufnahme von Auswahl- und Perspektivkonferenzen über ausgefallene Laufbahnlehrgänge und damit im Zusammenhang stehenden Beförderungen bis hin zur Verschiebung von Versetzungen. Über diese besonderen Informationen hinaus bleiben aber natürlich auch aktuell meine Personalführerinnen und Personalführer die ersten Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner für sämtliche individuelle Anliegen von zivilen und militärischen Angehörigen unserer Bundeswehr.
Was tun Sie, um die Ziele der Personalgewinnung trotz Corona-bedingten Einschränkungen zu erreichen?
Zunächst hatten wir die Assessments ab Mitte März aussetzen müssen. Zu der Zeit hatten die Eindämmung des Virus, die Unterbrechung möglicher Ansteckungsketten und der Schutz aller Beteiligten höchste Priorität. Telefonische Karriereberatung konnte aber stattfinden. Die Interessierten zeigen Verständnis und nehmen diese Form der flexiblen Beratung positiv an. Und wegen des Ausfalls von Messen und Veranstaltungen in der Krise konnten wir durch die dadurch freiwerdenden Kapazitäten die durchschnittliche Wartezeit auf einen Beratungstermin deutlich reduzieren.
Seit Ende Mai führen wir wieder Assessments durch, um neues Personal einzustellen.
Dafür haben wir ein engmaschiges Sicherheitskonzept entwickelt. Im Kern heißt dies, weniger Bewerberinnen und Bewerber gleichzeitig vor Ort zu haben und das Assessment auf einen Tag zu reduzieren sowie strenge Standards für Arbeitsschutz und Hygiene umzusetzen. Mindestabstand und Plexiglas zur Abtrennung gehören ebenso dazu, wie getrennte Wege und Aufenthalte in Gebäuden. Auf jeden Fall bringt diese Flexibilität die Menschen schneller zu uns ins System. Das ist gut für sie und gut für uns.
Flexibel zu handeln heißt aber beispielsweise auch, dass wir etwa mit einem virtuellen Messestand an digitalen Berufsmessen teilnehmen oder per „Active Sourcing„ gezielt potenzielle Bewerberinnen und Bewerber in sozialen Karrierenetzwerken ansprechen und auf uns als Arbeitgeber aufmerksam machen. Ebenso setzen wir auch unsere Information an Schulen durch Videochats fort. Damit verbreitern wir auch unter den gegenwärtigen Rahmenbedingungen das Angebot für Interessierte, mit uns in Kontakt zu kommen.
Nicht zuletzt spielt auch der Bereich der Personalbindung eine wichtige Rolle. Also Personal im System Bundeswehr länger bei uns zu halten, wenn der Bedarf vorhanden ist. Höhere Durchlässigkeit von Laufbahnen, Anreize zur Verlängerung von Dienstzeiten, Statuswechsel und viele weitere Möglichkeiten helfen uns, das hochqualifizierte Personal länger zu binden. Schließlich verfügen wir über ein großes Potenzial an Männern und Frauen, die wir selbst jahrelang intensiv ausgebildet und qualifiziert haben und die wir über diese attraktiven Instrumente bedarfsgerecht länger an uns binden müssen und wollen.
Und ein Aspekt ist mir auch besonders wichtig: Wir behalten natürlich auch in der derzeitigen Arbeitsgliederung Kernfähigkeit das dynamische Lagegeschehen von COVID-19Coronavirus Disease 2019 fortwährend im Blick. Das bedeutet für uns perspektivisch, dass wir dort, wo es die Verhältnisse vor Ort und die zu beachtenden Arbeits- und Gesundheitsschutzmaßnahmen zulassen, unser Personal im Präsenzdienst wieder erhöhen werden. Aber auch hier steht für mich zuvorderst der Schutz meiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Bewerberinnen und Bewerber im Mittelpunkt und genießt höchste Priorität.
Sie sagen, dass eine Lehre aus der Krise ist, dass Digitalisierung noch wichtiger geworden ist. Was sind Digitalisierungsprojekte in Ihrem Haus?
Die Krise hat die Digitalisierung sicher nochmal verstärkt ins Bewusstsein gerückt. Wie ich aber bereits eingangs aufgezeigt habe, treibt das BAPersBwBundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr schon länger verschiedene Projekte zur Digitalisierung voran. So etwa mit dem sogenannten „Human Resources Laboratory“ in meinem Leitungsstab. Dort versuchen wir den Zeitraum zwischen einer konzeptionellen Idee und deren Umsetzung zu verkürzen, indem wir mit dem BMVgBundesministerium der Verteidigung, der BWI und dem Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBwBundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr) abgestimmt einzelne, kleinere Projekte hausintern realisieren. Zum Beispiel haben wir im „Projekt CAVECave Automatic Virtual Environment“ (Cave Automatic Virtual Environment) ein virtuelles Truppenbesuchszentrum geschaffen.
Eine Bewerberin oder ein Bewerber kann so etwa mithilfe einer 3D-Brille und speziellen Projektionen dreidimensional in die Gänge eines U-Boots eintauchen und für sich feststellen, ob dies ein geeignetes Berufsbild sein könnte.
Natürlich nutzen wir auch die Möglichkeiten der Heimarbeit mit Anbindung an das Bundeswehreigene Netz vollumfänglich aus. Besprechungen haben wir fast vollständig auf Video- bzw. Telefonkonferenzen umgestellt. Um die direkte Kommunikation in den Referaten und Abteilungen und den Mitarbeitenden im Homeoffice mit Chats, Anrufen und Videokonferenzen intensiver zu gestalten, haben wir allen Angehörigen des Amtes ein marktverfügbares Softwarepaket zur Verfügung gestellt. Ich finde das besonders wichtig, da neben dem beruflichen auch der soziale Kontakt zu Kameradinnen und Kameraden und Kolleginnen und Kollegen in dieser krisenhaften Zeit Halt gibt.
Wagen wir einen Blick in die Zukunft: Was sind die größten Herausforderungen für das Personalmanagement der Bundeswehr und welchen Veränderungsbedarf sehen Sie in Ihrem eigenen Haus?
Nun, die akuten Corona-Herausforderungen haben wir ausführlich besprochen. Da kann ich nur wiederholen, es gilt, den Spagat zwischen Schutz und Auftragserfüllung weiter zu meistern.
Grundsätzlich wollen wir als BAPersBwBundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr unser Motto „Von der Verwaltung zur Gestaltung“ dazu nutzen, uns als Amt konsequent weiter zu entwickeln.
Wir wollen noch agiler und kreativer werden und uns stärker an unseren „Kunden“, also den Bewerbenden, orientieren und diese in „ihrer Welt abholen“. Mit den Bedarfsträgern und dem Personal, welches sich in unserer Personalführung befindet, müssen wir die Zusammenarbeit gerade in der militärischen Personalführung noch individueller gestalten. Denn gerade die zum Teil sehr hohen Bedarfsträgerforderungen, die wir erfüllen sollen, und die individuellen Wünsche von Soldatinnen und Soldaten führen häufig zu Zielkonflikten, die sich nicht immer einfach lösen lassen.
Wir müssen unsere hauseigenen Modernisierungsprojekte vorantreiben, aber gerade auch die Synchronisierung der Trendwenden Material und Personal in der Bundeswehr weiter optimieren. So nützt es beispielsweise nichts, wenn kurzfristig die Einrichtung neuer Dienstposten erfolgt, ohne dass hierbei der erforderliche zeitliche Vorlauf für Personalgewinnung, Ausbildung und Personalentwicklung berücksichtigt wird.
Was die Leistung des Personalmanagements angeht, so ist der demografische Wandel eine Herausforderung. In der Personalgewinnung wird der Wettkampf enger, weil weniger junge Leute in das Erwerbsleben einsteigen. Für die Ausgliederung wird eine alternde Gesellschaft, in der sich die Dauer des Erwerbslebens anpasst, für uns in der Bundeswehr nicht ohne Folgen bleiben. Insgesamt bin ich überzeugt, dass das Bundesamt für das Personalmanagement mit der neuen Organisationsstruktur und seinen engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die wahre Profis in ihren Fachgebieten sind, ausgezeichnet aufgestellt ist.
Auf dieser tollen Basis können wir auch künftige Herausforderungen meistern und unseren Beitrag für einsatzbereite und moderne Streitkräfte leisten.
Dieses Interview erschien in seiner Print-Version in der Mitgliederzeitschrift „Die Bundeswehr“ des Deutschen Bundeswehrverbands (Heft Juli/2020). Die Fragen zum BAPersBwBundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr erschienen zuerst auf der Webseite des DBwV.