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Am Tatort

Ermittlungsarbeit der Militärpolizei

Unfälle mit Kraftfahrzeugen, Kampfmittelfunde oder Sprengstoffanschläge: Wann immer Beweise für weitere Ermittlungen gesichert werden müssen, kommen die Feldjäger zum Einsatz. Je nach Art des Vorfalls rücken diese mit unterschiedlichen spezialisierten Einheiten aus, um mögliche Spuren zu sichern.

Ein Mensch in Schutzausrüstung sichert Spuren.

Begeht ein Soldat oder eine Soldatin einen Drogen- oder Verkehrsverstoß oder stiehlt Bundeswehr-Eigentum, beginnen die Ermittlungen der Feldjäger. Sobald der Verdacht einer Straftat eines Soldaten oder einer Soldatin im Raum steht, wird der oder die zuständige Disziplinarvorgesetzte informiert und die Staatsanwaltschaft eingeschaltet. Im Schulterschluss leiten dann Disziplinarvorgesetzte, Militärpolizei und die zuständige Landespolizei behördenübergreifende Ermittlungen ein.

Im Auslandseinsatz fehlt oft eine funktionierende Polizei. Die Feldjäger übernehmen dann polizeiliche Aufgaben für die deutschen Soldatinnen und Soldaten vor Ort. Um die in Deutschland gewohnten polizeilichen Standards zu wahren, führen sie häufig das komplette Ermittlungsverfahren mit Zustimmung der betroffenen Disziplinarvorgesetzten durch : die Befragung von Zeugen und Sachverständigen, die Spurensicherung am Tatort sowie die Sichtung von schriftlichen und digitalen Dokumenten.

Tatortarbeit

Bei der Untersuchung mutmaßlicher Kriegsverbrechen geht es darum, den oder die Täter zu identifizieren sowie den Ereignisort, die Tatzeit und den Tathergang zu rekonstruieren. Die Feldjäger müssen möglichst viele aussagekräftige Beweise für die Tat und ihre strafrechtliche Relevanz sammeln. Besonderes Augenmerk liegt darauf, dass keine Spuren und Spurenträger verändert oder verfälscht werden. Gleiches gilt für die Ermittlung des oder der Tatverdächtigen, um eine individuelle Täterschaft nachzuweisen. Die entsprechenden Verfahren unterscheiden sich dabei nicht von der klassischen polizeilichen Tatort- und Ermittlungsarbeit.

Ein Soldat fotografiert eine Szene, in einem Graben liegt eine Puppe zur Darstellung eines Toten.

Ein Erheber und Ermittler der Feldjäger dokumentiert die Spurenlage am Fundort eines vermuteten Kriegsverbrechens. Ständige Übung macht den Meister.

Bundeswehr/Susanne Hähnel
Sammlung verschiedener Substanzen

Die Ausrüstung und die Mittel zur Spurensicherung bei der Militärpolizei sind die gleichen wie beim Bundeskriminalamt oder bei einer Landespolizei

Bundeswehr/Steve Eibe

Interview mit einem Ermittler der Feldjäger

Hauptfeldwebel Ludger H. ist ein langjähriger Ermittler bei der Militärpolizei und arbeitet beim Kommando Feldjäger der Bundeswehr. Er hat nicht nur in Deutschland als Ermittler gearbeitet, sondern auch im Ausland, unter anderem in Afghanistan.

Was war der interessanteste Fall, den Sie bisher untersucht haben?

Jeder Fall ist auf seine Weise spannend. Einer, über den ich berichten darf, ist mir besonders im Gedächtnis geblieben, weil er so bizarr war und mitten in Afghanistan stattfand.

Was ist passiert?

2020, Masar-i Scharif: Eines Morgens erhielt ich einen Anruf von der Lagerkommandantur: Ein Notstromaggregat sei verschwunden. Ich stellte mir ein handliches Gerät vor, etwa so groß wie ein Einkaufswagen. Doch ich wurde eines Besseren belehrt: Das Aggregat war so groß wie ein Zehn-Fuß-Schiffscontainer – drei Meter lang, 2,5 Meter breit und ebenso hoch. Meine erste Reaktion? Ungläubiges Staunen. Meine zweite? Die Frage, wie man so ein riesiges Gerät unbemerkt verschwinden lassen konnte.

Wie sind Sie dabei vorgegangen?

Ich begann mit der Spurensuche. Über vier Tage hinweg rekonstruierte ich lückenlos die Historie des Aggregats – von der Anlieferung ins Lager bis zu den letzten bekannten Standorten. Ich befragte Gabelstaplerfahrer und die Logistiktruppe, die einen Lkw mit Kran im Bestand hatte. Doch niemand hatte es bewegt. Ich war in einer Sackgasse. Also musste ich den Zeitraum des Verschwindens eingrenzen. Ich ließ mir Luftbilder des Lagers über mehrere Monate hinweg aushändigen. Und tatsächlich: auf einer Aufnahme war das Aggregat noch zu sehen, auf einer späteren fehlte es. Damit hatte ich zumindest ein Zeitfenster für die Tat. Gezielte Befragungen brachten jedoch keine neuen Erkenntnisse. Es blieb nur eine Möglichkeit: Das Aggregat musste das Lager verlassen haben – ohne Beteiligung der Bundeswehr.

Jetzt wurde die Ermittlungsarbeit spannend. Jedes Objekt, das das Feldlager verlässt, wird dokumentiert. Ich durchforstete über 1.000 Transportanträge, bis ich den entscheidenden Hinweis fand: Das Aggregat war auf einen Lkw verladen und aus dem Lager gebracht worden. Wer steckte dahinter? Ich überprüfte das amtliche Kennzeichen, verglich es mit den Listen der Fremdfirmen – und hatte meinen Ansprechpartner. Nach einer gezielten Ansprache klärte sich der Fall schnell auf: Es war kein Diebstahl, sondern ein bürokratisches Missverständnis zwischen den Nationen. Das Aggregat wurde versehentlich abtransportiert und konnte zurückgebracht werden. Manchmal sind es nicht die großen Kriminalfälle, die einen Ermittler fordern, sondern die, bei denen die Lösung direkt vor der Nase liegt.

Wie sieht ein typischer Tag für Sie am Ereignisort aus?

Es gibt keinen typischen Tag, jeder Ereignisort ist unterschiedlich. Grundsätzlich kann man aber sagen: Als erstes verschafft man sich einen Überblick. Anschließend werden alle Beteiligten befragt, was genau passiert ist. Nach diesen Gesprächen kann man die Situation schon gut einschätzen. Mit diesen Informationen entwickelt man im Team eine Vorgehensweise. Diese wird dann strikt befolgt. Diese beinhaltet das gesamte Vorgehen, inklusive Spurensicherung, Vernehmungen und Fotografien des Tatorts.

Was hat Sie dazu inspiriert, Militärpolizist zu werden?

Die facettenreichen Tätigkeitsfelder und die Schnittmenge von polizeilicher Arbeit und militärischer Ausbildung.

Welche Ausrüstung nutzen Sie am häufigsten bei Ihren Ermittlungen?

Die Fähigkeit, das Gesehene an einem Ereignisort in Wort und Schrift festzuhalten und seinem Gegenüber schriftlich verständlich zu machen, ist ein wichtiger Aspekt. Häufig sind es kleine bis mittelgroße Ereignisse, was die Ermittlungsarbeit für andere sehr entspannt erscheinen lässt. Diese Sachverhalte niederzuschreiben, ist oftmals auch kein Problem und nach einiger Übung geht das leicht von der Hand. Es gibt aber auch große Ermittlungsfälle, wo zum Beispiel Menschen verstorben sind oder schwere Lebensschicksale vorkommen. Das dann mit sich selbst auszumachen und als Sachverhaltsfeststellung zu verschriftlichen, ist sehr viel herausfordernder. Da braucht es mentale Stärke und einen gefestigten Charakter. Auch sehr wichtig: das Erlebte verarbeiten und mit dafür ausgebildeten Personen über die verschiedensten Ereignisse sprechen zu können. Das betrachte ich persönlich als die wichtigste Fähigkeit.

Welche Fähigkeiten muss man haben, um in Ihrem Job erfolgreich zu sein?

Ich habe zwei Ausrüstungsgegenstände, die für mich den gleichen Stellenwert haben: Ein Diktiergerät ist mein ständiger Begleiter am Ereignisort. Viele Eindrücke wie Gerüche oder spontane Äußerungen von Personen vergisst man sehr schnell. Ich spreche alles, was ich sehe, in das Diktiergerät und bringe es mir so wieder in das Gedächtnis zurück. Auch die Spiegelreflexkamera ist für mich ein wichtiger Ausrüstungsgegenstand. Dadurch kann ich das Gesamtgeschehen dokumentieren und mir nochmal ins Gedächtnis rufen. Schnell kommen an einem Ereignisort 100 bis 200 Fotos zusammen. Die wichtigsten werden dann in den Bericht aufgenommen und die restlichen digital archiviert und bei Bedarf nochmals gesichtet.

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