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Aus der Ukraine lernen

Atomare und chemische Bedrohungen in der Zeitenwende

Landes- und Bündnisverteidigung
Datum:
Ort:
Niederlande
Lesedauer:
3 MIN

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Das ABCAtomar, Biologisch, Chemisch-Abwehrkommando der Bundeswehr hat aus dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine erste Schlussfolgerungen für die Verteidigung gegen nukleare und chemische Angriffe in einem Bündnisfall gezogen. 26 deutsche Expertinnen und Experten haben deshalb in den Niederlanden zusammen mit Teams aus anderen NATONorth Atlantic Treaty Organization-Ländern moderne ABCAtomar, Biologisch, Chemisch-Abwehr geübt.

Ein Soldat im Ganzkörperanzug untersucht einen Bahnwaggon mit einem Detektiergerät.

Nicht ein Nuklearschlag, sondern niedrigschwellige atomare und chemische Angriffe und Bedrohungen sind in einem Bündnisfall wahrscheinlich

Bundeswehr/Laura Krolik

In der Ukraine gebe es seit Kriegsbeginn rund 400 Ereignisse mit Bezug zu atomaren, biologischen und chemischen Bedrohungen – analysiert das ABCAtomar, Biologisch, Chemisch-Abwehrkommando der Bundeswehr zum russischen Angriffskrieg. Diese Zahlen stehen im Zusammenhang mit Ereignissen wie dem gewollten oder zumindest billigend in Kauf genommenen Beschuss von Atomkraftwerken, wie zum Beispiel Saporischschja, das eine gewisse „traurige Prominenz“ in den Medien erlangt hat oder auch der gezielte Beschuss von Anlagen der chemischen Industrie und das darauffolgende Austreten von gefährlichen Gasen.

Der nukleare Erstschlag sei nicht die wahrscheinlichste Herausforderung in einem Bündnisfall, sondern die Gefahren, die aus gegnerischen militärischen Operationen an oder gegen Industrieanlagen jeder Art entstehen. Auch eine strenge Trennung zwischen Terroranschlägen und zwischenstaatlichen Panzerschlachten scheint in Zeiten von hybriden Kriegen überholt. Aufgrund dieser Erkenntnis haben 26 Expertinnen und Experten der ABCAtomar, Biologisch, Chemisch-Abwehr aus Höxter und Strausberg bei der multinationalen Übung „Orange Cloud 2024“ in Vught in den Niederlanden geübt. Dabei standen insbesondere Szenarien im Fokus, die bei einem russischen hybriden Angriff auf das Baltikum stattfinden könnten.

Realistische atomare und chemische Bedrohungen

Für Oberst Stephan Saalow, Kommandeur des ABCAtomar, Biologisch, Chemisch-Abwehrkommandos der Bundeswehr, sind diese Trainings von niedrigschwelligen atomaren und chemischen Lagen für eine schlagkräftige Bundeswehr essentiell. „Die Zeit des interkulturellen Konfliktmanagements sind vorbei, heute steht die Bündnisverteidigung im Fokus. Für die ABCAtomar, Biologisch, Chemisch-Abwehr bedeutet dies jedoch nicht, dass jetzt zwangsläufig die Verteidigung in einem Atomkrieg geübt wird. Viel wahrscheinlicher ist es, dass durch den Beschuss von Industrieanlagen oder der Ausbringung von kleineren Mengen radioaktiver Stoffe an „vulnerable Points“ (verletzliche, kritische Orte) – beispielsweise an infrastrukturellen Knotenpunkten – der Aufmarsch, Durchmarsch oder die logistische Versorgung der NATONorth Atlantic Treaty Organization Truppen in Deutschland massiv behindert wird.“ Und genau dazu passten die Szenarien im Training in den Niederlanden besonders gut.

Moderne Übungsszenarien 

Die niederländischen Ausbildenden platzierte radioaktives Material an einem nachgebauten Güterbahnhof um einen Bahnwaggon. Die Teams mussten zuerst die genaue Position des Materials aufklären und anschließend sicher vom Bahnhof entfernen, damit der Güterverkehr weiterfahren kann. Für die Analysten im ABCAtomar, Biologisch, Chemisch-Abwehrkommando ein passendes Szenario. „Eine besondere Herausforderung besteht durch die häufige Anlehnung von Industriekomplexen an logistische Einrichtungen wie beispielsweise Bahnhöfe. Ein Ereignis hat hier besonders weitreichende Folgen für die logistische Unterstützung.“ Ganze Nachschublinien der NATONorth Atlantic Treaty Organization könnten durch einen niedrigschwelligen Angriff wirksam außer Gefecht gesetzt werden. Eine unterbrochene logistische Versorgung wäre für die NATONorth Atlantic Treaty Organization gegenüber einem russischen Aggressor ein erheblicher Nachteil.

Parallel dazu spielte sich in einer eigens nachgebauten Metrostation eine Terrorlage ab. Realistisch aufgebaut – mit Puppen, die Leichen simulieren, und verlassenen Fahrrädern – wurden in der U-Bahnstation offene Behältnisse mit dem Nervengift Sarin versteckt. Durch die Tokioer Terroranschläge in einer U-Bahnstation 1995 inspiriert, verorteten die niederländischen Ausbildenden den Terroranschlag für die Übung in Europa und in einen neuen Kontext. Dieser Terroranschlag war in der Übung dazu gedacht, die Zivilbevölkerung in einer demokratischen Gesellschaft zu demoralisieren. Eine große Angst insbesondere in den baltischen Staaten. 

Voneinander lernen

Insgesamt nahmen 98 Expertinnen und Experten in acht Teams aus sechs Staaten in den Niederlanden an der Übung teil. Für den Chef des Stabes des Zentrums, Major Bart van G., war die Übung eine klar Erfolgsgeschichte. Neben dem Ziel, möglichst realistische Übungsszenarien zu trainieren, war für ihn insbesondere die Integration der unterschiedlichen Abläufe in die NATONorth Atlantic Treaty Organization-Vorgehensweise wichtig. Dazu konnten die unterschiedlichen Teams eigene Beobachtende zu jeder Übungsstation entsenden. So beobachteten zum Beispiel deutsche Soldatinnen und Soldaten die Handlungsweise des italienischen Teams und konnten diese mit den niederländischen Teams kritisch diskutieren. Eine erfolgreiche Übung für die ABCAtomar, Biologisch, Chemisch-Abwehr in der Zeitenwende.

von Markus Bayer  E-Mail schreiben

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