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Kampf und Gefechtsfeld

Ein Soldat liegt mit dem Gewehr im Anschlag im direkten Feuergefecht

Bundeswehr/Patrick von Söhnen

Kampf und Gefechtsfeld (6/7)

70 Jahre – 70 Fakten

  • Beim Karfreitagsgefecht waren deutsche Soldaten und feindliche Taliban-Kämpfer teilweise nur 20 Meter voneinander entfernt, sodass auch Handgranaten durch die Fallschirmjäger eingesetzt wurden.

  • Während der Operation Aspides fuhr die Fregatte „Hessen“ durchgehend im sogenannten Kriegsmarsch. Das bedeutet, dass die Hälfte der Besatzung immer auf Gefechtsstation war. Vier Angriffe der Huthi-Rebellen wurden abgewehrt.

  • Erstmals wurde die Gefechtsmedaille der Bundeswehr am 25. November 2010 posthum an die Angehörigen des am 29. April 2009 in Afghanistan gefallenen Hauptgefreiten Sergej Motz ausgehändigt.

Wenn die Abschreckung versagt und der Feind angreift, müssen die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr den Kampf aufnehmen und den Gegner auf dem Gefechtsfeld besiegen. Das ist im Verteidigungsfall und im Einsatz der Anspruch des Soldatseins. Deshalb müssen die Streitkräfte in jeder Dimension, sei es an Land, in der Luft, auf See und im Cyberraum, kämpfen können und am Ende auch gewinnen.

Die Auslandseinsätze und insbesondere der Einsatz in Afghanistan haben das scharfe Gefecht für viele Soldatinnen und Soldaten Realität werden lassen. Teilweise fanden die Kämpfe auf kürzeste Distanz statt. Doch nicht nur am Boden, sondern auch in der Luft und auf See musste die Bundeswehr in ihrer Geschichte bereits scharf schießen.

Keine Truppengattung kämpft isoliert für sich allein. Für das Gefecht wird immer ein Verbund aus verschiedenen Waffensystemen sowie Soldatinnen und Soldaten mit unterschiedlichen Fähigkeiten zusammengestellt. So werden beispielsweise die Kampfpanzer der Panzertruppe von Grenadieren in ihren Schützenpanzern begleitet, um die schweren Kolosse im unübersichtlichen Gelände abzusichern. Den Panzern voraus fahren die Aufklärer. Sie melden, wo der Feind ist und was er macht. Zudem sind Pioniere dabei, die den Panzern den Weg frei machen, sollten sie auf Hindernisse stoßen. Hinzu kommen die Artillerie, die über Entfernungen von bis zu 80 Kilometern mit Feuer unterstützt, oder Kampfhubschrauber und Kampfjets, die den Feind aus der Luft angreifen. Die Koordinierung dieser vielen unterschiedlichen Einheiten ist eine hohe Kunst und wird in der Bundeswehr als Gefecht der verbundenen Waffen bezeichnet.

Einmal abgetaucht sind sie kaum noch zu finden: U-Boote. Sie dennoch in den Weiten der Meere aufzuspüren, ist eine der schwierigsten Aufgaben für die Marine. Als moderne taktische Verfahren zur U-Jagd wird die Bi- und Multistatik eingesetzt. Bei der Bistatik sendet ein U-Boot-Jäger, etwa ein Bordhubschrauber, aktive Sonarimpulse auf der Suche nach gegnerischen U-Booten aus. Ein zweiter Jäger, beispielsweise eine Fregatte, empfängt diese Impulse, wenn sie auf ein Unterwasserziel treffen. So kann das U-Boot entdeckt und im Ernstfall bekämpft werden. Multistatik erweitert die Zahl der Sender und Empfänger. Daran ist aber auch zu erkennen: U-Jagd ist zeit- und ressourcenaufwendig.

Die Hoheit über dem Luftraum eines bestimmten Gebiets ist das oberste Ziel der Luftwaffe und Voraussetzung dafür, sich am Boden frei bewegen zu können. Die Luftwaffe setzt Kampfjets ein, die feindliche Flugzeuge und Luftverteidigungsstellungen ausschalten. Durch den Einsatz von modernen Sensoren, beispielsweise Radaren und weitreichenden Luft-Luft-Lenkflugkörpern, findet der Luftkampf zwischen Flugzeugen grundsätzlich nicht mehr im Duell auf kurze Distanz statt. Er beginnt schon, wenn sich ein feindliches Flugzeug noch jenseits des Horizonts befindet.

Ist die Kontrolle über einen Luftraum erreicht, können die Kampfjets mit Präzisionsbomben, lasergesteuerten Luft-Boden-Flugkörpern und Kanonen Ziele am Boden angreifen, um die Truppe direkt zu unterstützen. Der erste Kampfeinsatz der Bundeswehr wurde 1999 durch Tornado-Kampfjets während der NATONorth Atlantic Treaty Organization-Operation Allied Force  durchgeführt, bei dem die deutschen Piloten serbische Luftverteidigungsstellungen zerstörten.

Operation Halmazag, auf Deutsch Operation Blitz, war die erste von Deutschen geplante und geführte Offensivoperation seit dem Zweiten Weltkrieg und damit die erste in der Geschichte der Bundeswehr. Sie fand 2010 in Afghanistan statt, genauer gesagt im Distrikt Chahar Darah westlich von Kundus. Die Kampfhandlungen begannen am 31. Oktober und dauerten bis zum 4. November an. Gemeinsam mit afghanischen, USUnited States-amerikanischen und belgischen Partnern vertrieben die deutschen Soldatinnen und Soldaten die Aufständischen aus dem Operationsgebiet und brachten es unter ihre Kontrolle. Dabei wurde eine zweistellige Zahl an feindlichen Kämpfern getötet oder verwundet. Auf deutscher Seite gab es drei Verletzte. Die erfolgreiche Operation Blitz erweiterte den Sicherheitsradius der ISAFInternational Security Assistance Force-Kräfte im Norden Afghanistans. Zudem ermöglichte sie den Anschluss von mehreren Dörfern an die Stromversorgung und den Bau einer neuen Straße.

Sie sind in kleinen Gruppen unterwegs, weit ab von der konventionellen Truppe. Wenn sie zuschlagen, fügen sie dem Feind empfindliche Verluste zu: die Spezialkräfte der Bundeswehr. Die älteste Einheit sind die Kampfschwimmer. 1959, nur vier Jahre nach der Gründung der Bundeswehr, wurde die Spezialeinheit der Marine aufgestellt. Die Profis können über Land, von der See oder aus der Luft ihren Einsatzort erreichen. Unter anderem sammeln sie Informationen über Hafenanlagen, erkunden Küstenabschnitte oder sabotieren Schiffe. 1996 wurde zudem das Kommando Spezialkräfte des Heeres in Dienst gestellt. Die Kommandosoldaten können deutsche Staatsangehörige, die im Ausland in Geiselhaft geraten sind, befreien oder Personen festnehmen. Genauso sind sie aber auch in der Lage, tief hinter feindliche Linien zu gelangen und feindliche Hochwertziele, wie Gefechtsstände oder Führungspersonen, auszuschalten. Die Missionen der Spezialkräfte sind grundsätzlich geheim und können den Verlauf ganzer Operationen beeinflussen.

2. April 2010. Es ist Karfreitag und deutsche Soldaten stehen unter heftigem Beschuss. Sie waren im afghanischen Dorf Isa Kehl in einen Hinterhalt von etwa 80 Kämpfern der Taliban geraten. Ein Spähtrupp von vier Soldaten wurde von den eigenen Kameraden abgeschnitten. Teilweise nur 20 Meter vom Feind entfernt kämpften die vier Soldaten um ihr Überleben. Einer wurde dabei verwundet. Nur unter massivem Feuer gelang es, alle vier nach etwa einer Stunde wieder in die eigenen Reihen zurückzuführen. Im weiteren Verlauf des stundenlangen Gefechts fielen drei deutsche Soldaten, acht weitere wurden verletzt. USUnited States-amerikanische Rettungshubschrauber flogen die Toten und Verwundeten unter heftigem Beschuss aus der Kampfzone. Für die Taliban wurde der Hinterhalt trotz hoher eigener Verluste zum Propagandaerfolg. In Deutschland geht er unter dem Namen „Karfreitagsgefecht“ als Wendepunkt der Afghanistanpolitik in die Geschichte ein.

Am 4. Mai 2024 kehrte die Luftverteidigungsfregatte „Hessen“ aus dem bisher gefährlichsten Einsatz der Deutschen Marine zurück. Bei der Operation EUNAVFOREuropean Union Naval Force Aspides hatte sie 58 Tage zum Schutz der Handelsschifffahrt im Roten Meer und im Golf von Aden beigetragen. In dieser Zeit wehrte sie mit ihren Bordwaffen vier Angriffe der Huthi-Rebellen ab. Dabei befanden sich auch Drohnen im direkten Anflug auf die „Hessen“, bevor sie abgeschossen wurden. Während der gesamten Operation befand sich die knapp 240-köpfige Besatzung im sogenannten Kriegsmarsch. Das bedeutet, dass rund um die Uhr die Hälfte der Soldatinnen und Soldaten auf ihren Gefechtsstationen war, um auf eine Bedrohung reagieren zu können. Die Kampfhandlungen im Roten Meer waren nicht nur die Feuertaufe für die „Hessen“, sondern auch der erste Kampfeinsatz der Deutschen Marine seit ihrer Gründung 1956.

Am 9. November 2010 stiftete der damalige Verteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg die Einsatzmedaille der Bundeswehr „Gefecht“. Die Auszeichnung würdigt den Mut und die Tapferkeit der Soldatinnen und Soldaten, die in den Einsätzen großen persönlichen Gefahren ausgesetzt sind. Die Gefechtsmedaille bekommen alle verliehen, die mindestens einmal aktiv an Gefechtshandlungen teilgenommen oder unter hoher persönlicher Gefährdung terroristische oder militärische Gewalt erlitten haben, zum Beispiel durch Sprengfallen oder Selbstmordattentäter. Erstmals wurde die Medaille am 25. November 2010 posthum an die Angehörigen des am 29. April 2009 in Afghanistan gefallenen Hauptgefreiten Sergej Motz ausgehändigt.

Nicht hörbar, nicht fühlbar, nicht zu sehen – aber dennoch in der modernen Kriegsführung entscheidend für den Erfolg an Land, in der Luft und auf See: der Kampf im elektromagnetischen Spektrum. Hier agieren die Soldatinnen und Soldaten der Elektronischen Kampführung, kurz EloKaElektronische Kampfführung. Sie hören die feindliche Kommunikation ab, um die gegnerischen Pläne zu kennen, bevor sie umgesetzt werden. Zudem ortet die EloKaElektronische Kampfführung die Quellen von Funk- und Radarsignalen, sodass diese ausgeschaltet werden können, oder stört die gegnerischen Signale selbst durch elektronische Maßnahmen. Zudem schützen sie die eigenen Systeme vor Störversuchen der Gegenseite.

Mit der zunehmenden Digitalisierung des Gefechtsfelds steigt auch die Bedeutung des elektronischen Kampfs. Denn immer mehr Datenverkehr macht die eigene, aber auch die gegnerische Kommunikation angreifbarer. Moderne Waffensysteme sind von Satellitenverbindungen abhängig, um den eigenen Standort zu bestimmen. Wird diese Verbindung gestört, laufen die Hightech-Waffen ins Leere.

Es erscheint wie ein Relikt aus dem Ersten Weltkrieg, doch der Krieg in der Ukraine zeigt: Der Kampf im Schützengraben ist auch heute noch Teil des Gefechts an Land. Deshalb trainieren auch wieder Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr – vor allem Infanteristen und Panzergrenadiere – regelmäßig die verschiedenen Phasen des Angriffs auf ein Grabensystem. Nach der Auskundschaftung der feindlichen Stellungen werden diese zum Beispiel mit Mörsern oder durch die Artillerie beschossen. Der Gegner wird in Deckung gezwungen und die eigenen Kräfte können sich annähern. Dann folgt der Einbruch in das Stellungssystem, bei dem Soldatinnen und Soldaten zu Fuß die Stellung stürmen. Hinter jeder Biegung des Grabens könnten noch feindliche Schützen lauern. Daher ist beim sogenannten Aufrollen des Grabens viel Koordination zwischen den kämpfenden Kräften im Graben und denen, die von draußen Deckungsfeuer geben, erforderlich. Stück für Stück wird so die feindliche Stellung freigekämpft.

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