Mit der Beschaffung von Loitering Munition beginnt für die Bundeswehr eine neue Ära. Das Neue: Es ist keine langwierige Prüfung von Kleinstserien geplant. Die Soldatinnen und Soldaten der kämpfenden Truppe sollen frühzeitig eine große Anzahl erhalten, die Systeme erproben, in ihre Taktiken einbauen und dann Rückmeldung geben. Anhand der Ergebnisse entscheidet die Bundeswehrführung, ob eine größere Menge der Lenkwaffen beschafft wird oder möglicherweise weitere Hersteller beziehungsweise alternative Systeme in Erwägung gezogen werden. Die umfangreichen Erprobungen sollen noch in diesem Jahr beginnen.
Drohnen und Loitering Munition seien in der modernen Kriegsführung nicht weniger als ein Gamechanger, sagte der Generalinspekteur der Bundeswehr, General Carsten Breuer, bei der Vorstellung der Beschaffungspläne am 3. April 2025. Diese Technologie habe sowohl für das Verteidigungsministerium als auch für die Streitkräfte höchste Priorität.
General Carsten Breuer, Generalinspekteur der Bundeswehr Bundeswehr/Tom Twardy
„Drohnen stellen eine Schlüsselfähigkeit dar, die zwingend berücksichtigt werden muss, um die Effektivität und Durchsetzungsfähigkeit moderner Streitkräfte zu erhöhen.“
Bei Loitering Munition handelt es sich um Flugkörper, die mithilfe eines eigenen Antriebs in einen Einsatzraum fliegen und dort eine gewisse Zeit in der Luft kreisen können. Mithilfe der bordeigenen Sensoren und einer intelligenten Software können die Systeme selbstständig Ziele, beispielsweise einen feindlichen Kampfpanzer oder Gefechtsstand erkennen und dem Bediener anzeigen. Dieser hat dann die Möglichkeit, das Flugobjekt samt Sprengladung gegen das erkannte Ziel einzusetzen. Der Vorteil: eine schnelle Reaktionsfähigkeit sowie eine präzise Bekämpfung. Zudem verfügt Loitering Munition häufig über eine höhere Reichweite als eine Artilleriegranate einer Haubitze.
Loitering Munition sind keine Drohnen
Umgangssprachlich wird Loitering Munition oft auch als Kamikazedrohnen bezeichnet. Auf den ersten Blick ist das verständlich, weil sie ähnlich wie Drohnen aussehen und sich selbstzerstörerisch in ihr Ziel stürzen. Im Gegensatz zu Drohnen ist Loitering Munition aber zum einmaligen Gebrauch ausgelegt. Sie wird wie andere Munitionsarten verschossen. Deswegen handelt es sich bei den Flugkörpern offiziell nicht um Luftfahrzeuge wie Drohnen, sondern um Munition.
Diese Kategorisierung ist wichtig, da an ein unbemanntes Luftfahrzeug, welches gegebenfalls auch in anderen Flughöhen oder Lufträumen operiert, mit Blick auf die Flugsicherheit und Zertifizierung des Personals deutlich höhere technische Anforderungen gestellt werden als bei Munition. Durch die Klassifizierung als Munition kann Loitering Munition kostengünstiger, einfacher sowie unter weniger Auflagen hergestellt und eingesetzt werden als unbemannte Luftfahrzeuge.
Debatte über Chancen und Grenzen
Die Entscheidung zur Beschaffung von Loitering Munition wurde begleitet von einer breiten öffentlichen Debatte über Chancen und Grenzen von Drohnensystemen. Man könne, so ein Vorschlag, die 3.000 Kilometer lange NATONorth Atlantic Treaty Organization-Ostflanke durch ein engmaschiges Netz von Loitering Munition und Drohnen schützen. Zehntausende halbautonome Waffensysteme würden eine ständige, weitreichende Aufklärung ermöglichen und potenzielle Aggressoren von einem Angriff auf NATONorth Atlantic Treaty Organization-Territorium abschrecken. Ein solcher „Drohnenwall“ könne binnen eines Jahres errichtet werden, so seine Befürworter.
Was hat die Bundeswehr mit ihrer künftigen Loitering Munition vor? Soll sie flächendeckend zur Landes- und Bündnisverteidigung eingesetzt werden? Welche Vorteile bringt sie den Soldatinnen und Soldaten und wo findet der Einsatz der Technologie seine Grenzen? Hier gibt es Antworten auf die wichtigsten Fragen: