Inhalt
Drohne oder Munition?

Loitering Munition: ­Gamechanger für die Bundeswehr

Die Bundeswehr bekommt eine neue Waffe: Loitering Munition, umgangssprachlich auch als Kamikazedrohne bezeichnet. Aktuell testen Expertinnen und Experten vom Beschaffungsamt die neuen Systeme. Von verschiedenen Herstellern wurden dafür Flugkörper beschafft. Doch was genau ist Loitering Munition eigentlich? Was kann sie leisten – und was nicht?

Eine 3D-Grafik von einem Flugkörper auf Polygon-Hintergrund

Bundeswehr/Astrid Höffling

Mit der Beschaffung von Loitering Munition beginnt für die Bundeswehr eine neue Ära. Denn bei diesen Systemen handelt es sich um einen Gamechanger auf dem Gefechtsfeld. Vergleichsweise kostengünstig ermöglicht Loitering Munition eine präzise Bekämpfung einzelner gegnerischer Ziele über eine große Entfernung.

Durch die frühzeitige Beteiligung der kämpfenden Truppe bei den Tests können bereits zu diesem frühen Zeitpunkt die Soldatinnen und Soldaten Rückmeldung zu den Systemen geben. So kann beispielsweise herausgefunden werden, ob sich die Systeme auch unter Stress bedienen lassen oder welche Details noch verändert werden müssen, um den Einsatzwert der Loitering Munition zu erhöhen. Dies verkürzt den Zeitraum bis zum Abschluss dieser Testphase und damit auch die Zeitspanne, bis die Systeme bei den Soldatinnen und Soldaten in den Verbänden sind.

Die umfangreiche Erprobung soll 2026 abgeschlossen werden, sodass spätestens Anfang 2027 der Truppe die ersten Systeme zur Verfügung stehen.

Mehrere Soldaten stehen zusammen im Gelände und schauen gemeinsam auf einen Laptop.

Loitering Munition sei in der modernen Kriegsführung nicht weniger als ein Gamechanger. Diese Technologie habe für das Verteidigungsministerium höchste Priorität, so Generalinspekteur Carsten Breuer.

Bundeswehr/Johannes Heyn

Wie wird Loitering Munition getestet und gekauft?

Jede neue Waffe und Munition, die in die Bundeswehr kommt, muss beweisen, dass sie sicher in der Handhabung ist, aber auch die gewünschte Wirkung im Ziel erreicht. Um das herauszufinden überprüfen Expertinnen und Experten des Bundesamts für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBwBundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr) sowie der jeweils zuständigen Wehrtechnischen Dienstelle, ob die Systeme halten, was ihre Hersteller versprechen, und ob sie im Umgang sicher sind.

Die zukünftigen Nutzer – hier die Kampftruppe – nehmen normalerweise darauf aufbauend die taktische und technisch-logistische Bewertung vor.  Bei der Erprobung der Loitering Munition begleitet die Truppe die Untersuchungen an den Wehrtechnischen Dienststellen von Anfang an, damit die Tests schneller abgeschlossen werden können und die Systeme zeitgerecht der Truppe zur Verfügung stehen. Als erster Verband wird die Panzerbrigade 45 in Litauen ab 2027 mit den neuen Waffen ausgestattet.

Der Anspruch ist hoch, denn Loitering Munition muss auch bei schlechtem Wetter sowie bei kalten und heißen Temperaturen funktionieren. Genauso muss nachgewiesen werden, dass die angegebenen Reichweiten auch tatsächlich realistisch sind und die Präzision bei der Bekämpfung eines Ziels den Anforderungen entspricht. Für den zukünftigen Nutzer gehören auch noch Aspekte wie der konkrete Umgang oder die Instandhaltung der Systeme hinzu. Sollten Systeme bei den Tests durchfallen, besteht für die Hersteller aber immer noch eine Chance, die Schwachstellen auszubessern. So wird sichergestellt, dass die Truppe nur die Systeme bekommt, die die Ansprüche der Bundeswehr erfüllen. 

Was genau ist Loitering Munition?

Bei Loitering Munition handelt es sich um Flugkörper, die mithilfe eines eigenen Antriebs in einen Einsatzraum fliegen und dort eine gewisse Zeit in der Luft kreisen können. Über bordeigene Sensoren und eine intelligente Software können die Systeme selbstständig Ziele, beispielsweise einen feindlichen Kampfpanzer oder Gefechtsstand, erkennen und dem Bediener anzeigen. Dieser hat dann die Möglichkeit, das Flugobjekt samt Sprengladung gegen das erkannte Ziel einzusetzen. Der Vorteil: eine schnelle Reaktionsfähigkeit sowie eine präzise Bekämpfung. Zudem verfügt Loitering Munition häufig über eine höhere Reichweite als Artilleriegranaten.

Loitering Munition sind keine Drohnen

Umgangssprachlich wird Loitering Munition oft auch als Kamikazedrohnen bezeichnet. Auf den ersten Blick ist das verständlich, weil sie ähnlich wie Drohnen aussehen und sich selbstzerstörerisch in ihr Ziel stürzen. Im Gegensatz zu Drohnen ist Loitering Munition aber zum einmaligen Gebrauch ausgelegt. Sie wird wie andere Munitionsarten verschossen. Deswegen handelt es sich bei den Flugkörpern nicht offiziell um Luftfahrzeuge, sondern um Munition.

Diese Kategorisierung ist wichtig, da an ein unbemanntes Luftfahrzeug, welches gegebenenfalls auch in anderen Flughöhen oder Lufträumen operiert, mit Blick auf die Flugsicherheit und Zertifizierung des Personals deutlich höhere technische Anforderungen gestellt werden als bei Munition. Durch die Klassifizierung als Munition kann Loitering Munition kostengünstiger, einfacher sowie unter weniger Auflagen hergestellt und eingesetzt werden als unbemannte Luftfahrzeuge.

Vor- und Nachteile von Loitering Munition

Die Entscheidung zur Beschaffung von Loitering Munition wurde begleitet von einer breiten öffentlichen Debatte über Chancen und Grenzen von unbemannten Systemen. Man könne, so ein Vorschlag, die 3.000 Kilometer lange NATONorth Atlantic Treaty Organization-Ostflanke durch ein engmaschiges Netz von Loitering Munition und Drohnen schützen. Zehntausende halbautonome Waffensysteme würden eine ständige, weitreichende Aufklärung ermöglichen und potenzielle Aggressoren von einem Angriff auf NATONorth Atlantic Treaty Organization-Territorium abschrecken. Ein solcher „Drohnenwall“ könne binnen eines Jahres errichtet werden, so seine Befürworterinnen und Befürworter.

Was hat die Bundeswehr mit ihrer künftigen Loitering Munition vor? Soll sie flächendeckend zur Landes- und Bündnisverteidigung eingesetzt werden? Welche Vorteile bringt sie den Soldatinnen und Soldaten und wo findet der Einsatz der Technologie seine Grenzen? Hier gibt es Antworten auf die wichtigsten Fragen:

Erwägt die Bundeswehr die Errichtung eines „Drohnenwalls“ zum Schutz der NATONorth Atlantic Treaty Organization-Ostflanke?

Die Bundeswehr arbeitet derzeit an Verfahren und Konzepten für den Einsatz von Drohnen und Loitering Munition, in die auch Überlegungen zur weiträumigen Verteidigung bestimmter Grenzabschnitte oder Regionen einfließen. Die Sehnsucht nach einem einfachen, günstigen Schutz der NATONorth Atlantic Treaty Organization-Ostflanke ohne den Einsatz militärischer Großverbände ist zwar verständlich, aber Drohnen sind kein Allheilmittel. Die technologische Entwicklung schreitet auch bei der Drohnenabwehr rasant voran, zudem haben Drohnen und Loitering Munition potenzielle Nachteile in den Bereichen Geschwindigkeit, Panzerung und Wetteranfälligkeit. Sie sind ein Baustein für eine erfolgreiche Verteidigung im Gefecht der verbundenen Waffen. Für eine glaubhafte Abschreckung sind aber auch weiterhin moderne und leistungsstarke Großwaffensysteme – Panzer, Artillerie, Kampfflugzeuge und Schiffe – notwendig. 

Wie wird die NATONorth Atlantic Treaty Organization-Ostflanke derzeit geschützt?

Der Schutz der NATONorth Atlantic Treaty Organization-Ostflanke ist eine ganzheitliche Aufgabe des NATONorth Atlantic Treaty Organization-Bündnisses. Alle Verbündeten leisten einen jeweils eigenen, aber untereinander im Bündnis abgestimmten Beitrag. Deutschland zum Beispiel unterstützt mit der Brigade Litauen die Bündnisverteidigung im Baltikum signifikant. Ein weiterer Baustein sind die Air-Policing-Missionen der NATONorth Atlantic Treaty Organization, um den Luftraum in Mitgliedstaaten entlang der Ostflanke zu sichern. Hier beteiligt sich auch die Deutsche Luftwaffe regelmäßig. Mit der Einführung von Loitering Munition in die Bundeswehr erhält die Truppe nun ein weiteres Einsatzmittel, das die Kampfkraft stärkt und somit die Verteidigungsfähigkeit erhöht.

Wie erleichtert Loitering Munition die Arbeit der Truppe?

Loitering Munition bietet flexible Einsatzmöglichkeiten, die der Truppe bis jetzt noch nicht zur Verfügung standen. Durch ihre Reichweite kann ein potenzieller Gegner früher und auf größere Distanzen bekämpft werden. Das reduziert die Gefahr für die eigenen Truppen. Loitering Munition erweitert also das bereits vorhandene Waffenpotenzial der Streitkräfte. Durch ihre Einbindung in das Gefecht verbundener Waffen erhöht sich der Einsatzwert der Streitkräfte insgesamt.

Was muss beim Einsatz von Loitering Munition und Drohnen beachtet werden?

Loitering Munition und Drohnen sind nicht bei jedem Wetter einsetzbar. Zudem sind sie gegenüber moderner Luftverteidigung verletzlich und haben Nachteile bei Geschwindigkeit, Panzerung und technischer Härtung. Sie können gefechtsentscheidend sein, sind aber nicht kriegsentscheidend: Eigene Kräfte am Boden können Loitering Munition und Drohnen nicht ersetzen. Zudem sind die Innovationszyklen extrem kurz, weshalb eine Beschaffung von großen Stückzahlen, um sie dann ins Lager zu legen, nicht zielführend ist. Um die unbemannten Systeme ständig auf dem neuesten Stand zu halten, müssen auch in der Bundeswehr neue Wege beschritten werden. Derzeit werden Möglichkeiten geprüft, wie diese Wege in enger Abstimmung mit der Industrie etabliert werden können. Ziel ist, technische Weiterentwicklungen schnell in der Truppe verfügbar zu machen – also immer up to date zu sein. Auf der anderen Seite braucht es eine flexible Beschaffung, die es ermöglicht, bei Bedarf schnell große Stückzahlen abrufen zu können.

Loitering Munition agiert halbautonom. Was übernimmt der Computer und was macht der Mensch?

Drohnen und Künstliche Intelligenz müssen zusammengedacht werden. Die auflaufenden Datenmengen sind gewaltig, zum Beispiel bei der Überwachung großer Flächen. Diese Informationen in Echtzeit zu sortieren und in Handlungsempfehlungen zu übersetzen, überfordert jeden Menschen. Loitering Munition mit KIkünstliche Intelligenz-Unterstützung bietet da den Vorteil, dass sie bis zu einem bestimmten Punkt nach vorgegebenen Mustern selbstständig fliegen, mit ihren Sensoren ein Lagebild generieren sowie mögliche militärische Ziele erfassen und vorsortieren kann. Auch im Anflug auf das Ziel kann die KIkünstliche Intelligenz die Störanfälligkeit der Waffe wesentlich verringern. Unverrückbar ist aber: Bei der Bundeswehr wird es keine autonome Bekämpfung geben. Der Waffeneinsatz wird durch einen Systembediener entschieden. Somit wird sichergestellt, dass der Mensch auch weiterhin die Verantwortung behält.

Die Panzerbrigade 45 in Litauen soll als erstes ein „Komplettpaket Loitering Munition“ erhalten. Was umfasst das?

Für die Brigade in Litauen ist ein umfassender Aufklärungs- und Wirkverbund vorgesehen. Damit soll der Verband bei der Bündnisverteidigung in die Lage versetzt werden, mit Unterstützung von Drohnensystemen und Loitering Munition einen definierten Einsatzraum an der NATONorth Atlantic Treaty Organization-Ostflanke zu überwachen und effektiv zu verteidigen.

Drohnen und Loitering Munition sind im modernen Kriegsbild das, was vor 100 Jahren der Panzer war: ein Gamechanger. Aufgrund ihrer Wirkung auf dem Gefechtsfeld werden sie bald ein integraler Bestandteil der Streitkräfte sein, genauso wie der Schutz der Soldatinnen und Soldaten vor solchen Waffen. Beides hat in der Beschaffung der Bundeswehr höchste Priorität. 

von Timo Kather und Ole Henckel 
Footer

Es ist uns ein Anliegen, Ihre Daten zu schützen

Auf dieser Website nutzen wir Cookies und vergleichbare Funktionen zur Verarbeitung von Endgeräteinformationen und (anonymisierten) personenbezogenen Daten. Die Verarbeitung dient der Einbindung von Inhalten, externen Diensten und Elementen Dritter, der eigenverantwortlichen statistischen Analyse/Messung, der Einbindung sozialer Medien sowie der IT-Sicherheit. Je nach Funktion werden dabei Daten an Dritte weitergegeben und von diesen verarbeitet (Details siehe Datenschutzerklärung Punkt 4.c). Bei der Einbindung von sozialen Medien und interaktiver Elemente werden Daten auch durch die Anbieter (z.B. google) außerhalb des Rechtsraums der Europäischen Union gespeichert, dadurch kann trotz sorgfältiger Auswahl kein dem europäischen Datenschutzniveau gleichwertiges Schutzniveau sichergestellt werden. Sämtliche Einwilligungen sind freiwillig, für die Nutzung unserer Website nicht erforderlich und können jederzeit über den Link „Datenschutzeinstellungen anpassen“ in der Fußzeile unten widerrufen oder individuell eingestellt werden.

  • Logo der Bundeswehr

    Es ist uns ein Anliegen, Ihre Daten zu schützen

    Detaillierte Informationen zum Datenschutz finden Sie unter Datenschutzerklärung